Der Tag in der Tengener Tagespflege beginnt, wie bei vielen zuhause auch. In der geräumigen Küche bereitet Tanja Gansohr das Frühstück vor. Der Bäcker hat bereits frische Brötchen geliefert, der Kaffee läuft durch die Maschine und die Leiterin der Einrichtung portioniert Butter und Marmelade in kleine Glasschälchen. Es soll schließlich alles bereitstehen, wenn die Gäste kommen. Die Gäste, das sind die älteren Menschen, die hier einmal oder mehrmals pro Woche ihren Tag verbringen.
Pfleger holen Gäste zuhause ab
Meine erste Aufgabe an diesem Morgen als Aushilfskraft ist es, gemeinsam mit Martina Nutz die Gäste von zuhause abzuholen. Mit dem Auto geht es in den Tengener Ortsteil Weil. Hier wohnen drei der insgesamt acht Gäste, die an diesem Tag die Tagespflege besuchen. „Wir haben neben dem Auto auch noch einen Bus, in dem wir auch zwei Rollstuhlfahrer transportieren können“, erklärt mir Martina Nutz auf der Fahrt. Ansonsten ist munteres Plaudern angesagt. Die Stimmung ist gut, als würden wir die Leute zu einem Ausflugstag abholen. „Es ist ein Alleinstellungsmerkmal der Tagespflege in Tengen, dass die Leute von den Pflegekräften und nicht von einem Fahrdienst abgeholt werden“, sagt mir Tanja Gansohr. So hätten sie auch immer einen Einblick in die häusliche Situation.

Zurück in Tengen sind auch die anderen Gäste eingetrudelt und haben bereits an der Frühstückstafel Platz genommen. Heute brennt für eine Besucherin eine LED-Geburtstagskerze und Schokoherzen gibt es für das „Geburtstagskind“ auch. Nach dem Frühstück lesen die Pflegerinnen entweder aus der aktuellen SÜDKURIER-Ausgabe oder wie heute auch mal launige Kurzgeschichten. Danach gibt es ein bisschen Gymnastik im Sitzen. Das aktiviert und ist sehr wichtig, erklärt Tanja Gansohr.
Pilotprojekt verbindet Generationen
Die Tengener Einrichtung, die sich im neu gebauten Ärztehaus der Stadt befindet, hat ein ganz besonderes Merkmal. Denn als Pilotprojekt kooperieren hier die Tagespflege und die Kinderkrippe miteinander. Beide Einrichtungen haben denselben Eingang, eine gemeinsame Küche – und sind gemeinsam aktiv. Was das bedeutet, bekomme ich gleich zu hören und zu sehen.
Denn um 10.30 Uhr versammeln sich die älteren Menschen gemeinsam mit den Krippenkindern im großen Kreis. Heute wird unter anderem gemeinsam musiziert. Mit leuchtenden Augen überreichen die Krippenknirpse den älteren Menschen Schellenkranz, Tambourin und Rassel. Die Interaktion mit den kleinen Kindern tut den alten Menschen sichtlich gut.

Ein Lächeln ist allen nach der musikalischen Runde ins Gesicht geschrieben. „Wenn die Kinder kommen, das ist schön“, sagt Theresia Meßmer aus Watterdingen. „Uns gefällt am besten, wenn wir zusammen singen“, ergänzt Wilma Nutz. Auch sie kommt aus dem Tengener Teilort und kennt einige der anderen Gäste schon seit vielen Jahren.
Gutes Essen für den Wohlfühlcharakter
Ein süßer Duft zieht durch die Einrichtung. Das ist der selbstgemachte Nusszopf, den Martina Nutz vorhin in den Ofen geschoben hat. Jeden Mittag gibt es Kaffee und Kuchen in der Tagespflege. „Wir backen meistens selber“, beschreibt Tanja Gansohr. Jetzt kommt aber erst einmal das Mittagessen, das täglich für Krippe und Tagespflege aus der Kantine der Firma Sto in Stühlingen angeliefert wird. Während ich an diesem Vormittag doch meist Beobachter bin, kann ich jetzt beim Servieren des Mittagessens helfen.

„Die Leute kommen gerne zu uns“, sagt Stefan Gebauer, Geschäftsführer der Sozialstation Oberer Hegau. Das Motto in der Tagespflege laute: „Gemeinsam statt einsam.“ Dennoch sei der Schritt für die Betroffenen groß, um sich für die Tagespflege anzumelden. Manche der Tengener Gäste hätten sich ganz bewusst wegen der Kooperation mit der Krippe für diese Einrichtung entschieden. Besuchen können die Einrichtung grundsätzlich Menschen, die im Bereich des Dekanats Oberer Hegau wohnen.
Unterschiede zum Pflegeheim
Besonders glücklich ist Stefan Gebauer über die gute Personalsituation im Bereich der Tagespflege. Denn im Gegensatz zum allgemeinen Mangel an Pflegekräften ist die Tagespflege als Arbeitsplatz sehr beliebt und es gibt genug Personal. Auch Tanja Gansohr schätzt die Arbeitsbedingungen in der Tagespflege: „Ich bin spätestens um 18 Uhr fertig mit der Arbeit und körperlich ist es auch nicht so anstrengend wie im Pflegeheim.“ Hier liege der Fokus auf der Interaktion mit den Menschen.
Jeder Tag in der Tagespflege im Tengener Ärztehaus schließt mit demselben Ritual. Bevor die Pflegekräfte ihre Gäste gegen 16 Uhr wieder nach Hause fahren, wird gemeinsam das Volkslied „Kein schöner Land“ miteinander gesungen.