Am Ende wurde es beim Bühnenaufbau auf der Karlsbastion noch heikel. Denn der Aufbau einer Bühne auf dem Gelände eines Open-Air-Festivals verträgt sich nicht sehr gut mit einem Wolkenbruch, wie er am Abend doch noch über dem Hohentwiel niederging. Bis dahin waren Techniker und Aufbauhelfer noch zuversichtlich gewesen, dass Regengebiete immer um Singens Hausberg herumziehen würden.

So sieht die Baustelle für den Bühnenaufbau vor dem Hohentwiel-Festival aus Video: Freißmann, Stephan

So brach am frühen Abend Hektik aus auf dem Festivalgelände unterhalb der eigentlichen Festung. Thomas Obeth, Inhaber und Gründer des Geisinger Veranstaltungstechnik-Unternehmens Topro, fährt selbst mit dem Gabelstapler zusätzliche Betongewichte auf die Bühne, um sie gegen Wind zu sichern. Der fegt seitlich über den Berg hinweg und treibt die Regenfäden streckenweise waagerecht unter allen Schutzdächern hindurch – einer der weniger angenehmen Momente für die Bühnenbauer.

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Heikel ist der Moment, weil erst kurz zuvor das Dach der Bühne in die Höhe gefahren wurde: „Das ist der sensibelste Moment, weil die Verspannung noch nicht eingezogen ist, die die Bühne sichert“, sagt Obeth, der früher technischer Leiter der Singener Stadthalle war und sich vor der Corona-Pandemie selbstständig machte. Doch in diesem Fall sei es noch gegangen, weil die Seitenplanen der Bühne noch nicht eingezogen waren – der Wind konnte ungehindert hindurchwehen und fand wenig Angriffsfläche. Für die meisten Helfer und vor allem die Rigger, die ins Dach klettern, um dort zu arbeiten, hieß es aber: runter auf den sicheren Boden. Die Querverspannung wird so gut wie möglich eingezogen und schon kurz nach Beginn des Regenschauers sinkt der Blutdruck bei den Beteiligten wieder.

Veranstaltungen, Sicherheit und Serie

Denis Kaupp mit einigen der eingesetzten Funkgeräte in der Technikzentrale des Festivals.
Denis Kaupp mit einigen der eingesetzten Funkgeräte in der Technikzentrale des Festivals. | Bild: Freißmann, Stephan

Ein wenig stressig ist der Aufbau fürs Hohentwiel-Festival in diesem Jahr aber trotzdem. Denn zur Mitte der Woche schlug das Wetter um, von brüllender Hitze zu immer wieder regnerischen Episoden – beides nicht gerade ein Zuckerschlecken für die Mitarbeiter. Und durch Klimakleber, die am Dienstag, 11. Juli, in Konstanz eine wichtige Kreuzung blockierten, sei man ohnehin schon einen halben Tag im Verzug, sagt Thomas Obeth.

Eine spezielle Bodenabdeckung schützt während des Festivals den Grund auf der Karlsbastion: Fritz Ranz klamüsert die Einzelteile zusammen.
Eine spezielle Bodenabdeckung schützt während des Festivals den Grund auf der Karlsbastion: Fritz Ranz klamüsert die Einzelteile zusammen. | Bild: Freißmann, Stephan

Denn Teile der Hohentwiel-Bühne seien zuvor auf Klein Venedig bei den Sommerkonzerten in Konstanz im Einsatz gewesen. Sie wurden dann im Hegau gebraucht. Xhavit Hyseni, Co-Geschäftsführer des Konzertveranstalters Kokon, kommentiert trocken: „Man kann planen, wie man will, aber Klimakleber kannste nicht planen.“

Helm und Sicherheitsschuhe sind Pflicht auf der Baustelle (von links): Kokon-Co-Geschäftsführer Xhavit Hyseni, der Singener ...
Helm und Sicherheitsschuhe sind Pflicht auf der Baustelle (von links): Kokon-Co-Geschäftsführer Xhavit Hyseni, der Singener SÜDKURIER-Redaktionsleiter Stephan Freißmann und Thomas Obeth, Gründer und Inhaber des Veranstaltungstechnik-Unternehmens Topro. | Bild: Giovanni Proietto

Bei dieser Lage bleiben die Profis im Bühnenbau lieber unter sich – die Handgriffe müssen sitzen, das Rigging, an dem unter anderem die Bühnenbeleuchtung hängt, muss richtig ans Grid gehängt werden. Das Grid wiederum trägt das Zeltdach der Bühne. Da darf begreiflicherweise nichts wackeln oder ruckeln. Bis Ende der Woche haben die Techniker den Rückstand übrigens wieder aufgeholt, sagt Thomas Obeth später: „Durch gutes Teamwork steht die Bühne und alles kann planmäßig starten.“

Auf diesem Sofa könnte schon Campino von den Toten Hosen gesessen haben: Xhavit Hyseni von Kokon in einer der Künstlergarderoben.
Auf diesem Sofa könnte schon Campino von den Toten Hosen gesessen haben: Xhavit Hyseni von Kokon in einer der Künstlergarderoben. | Bild: Giovanni Proietto

Selbst Hand anlegen am FOH-Turm

Der geplante Arbeitseinsatz des SÜDKURIER-Redakteurs während des Aufbaus fällt kürzer aus als geplant – und findet nicht an der eigentlichen Bühne statt, sondern am FOH-Turm. FOH, das steht für die englische Abkürzung „front of house“ und bedeutet grob gesagt Publikumsbeschallung. An dieser Stelle werden also während der Konzerte diejenigen sitzen, die für die Technik auf der Bühne zuständig sind.

Bühnenaufbau fürs Hohentwiel-Festival: Das Bühnendach fährt in die Höhe Video: Freißmann, Stephan

Der eigentliche Turm wird aus Gerüststangen montiert und steht bei meinem Besuch bereits. Doch damit die empfindliche Technik vor dem Wetter geschützt ist, braucht es noch verschiedene Dachplanen, die mithilfe von Profilleisten montiert werden. Zuerst also die Leisten montieren, was unter anderem mit Schraubrosetten passiert. Die schraubt man wie einen Ring um die Gerüststange, dann bieten sie mehrere Stellen, an denen man andere Bauteile befestigen kann. Ratschen und Schraubenschlüssel sind für so eine Aufgabe unverzichtbar, mit denen auch ich Hand anlegen darf.

Stephan Freißmann, Leiter der Singener SÜDKURIER-Redaktion, legt selbst Hand an beim Aufbau fürs Hohentwiel-Festival – mit der ...
Stephan Freißmann, Leiter der Singener SÜDKURIER-Redaktion, legt selbst Hand an beim Aufbau fürs Hohentwiel-Festival – mit der Ratsche am FOH-Turm, in dem während der Konzerte die Veranstaltungstechniker Platz nehmen werden. | Bild: Thomas Obeth

Die Dachplanen für den FOH-Turm haben an den Seiten eine Wulst, die genau in die Rillen der Profilleisten passen. Doch die Planen sind ziemlich knapp geschnitten, sie passen gerade so zwischen die Leisten. Sie einzuziehen braucht eine besondere Technik, um genug Kraft übertragen zu können.

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Michael Kunz und sein Kollege Sebastian „Blacky“ Frebel haken Seile in den Ösen am Rand der Dachplanen ein – Stage Hand Nicole Beckert und ich ziehen von unten per Seil, während die beiden Veranstaltungstechniker von oben nachhelfen, um die Planen Stück für Stück an ihren Platz zu ruckeln. Rasch wird klar: Diese Arbeit geht nur mit gründlicher Teamarbeit.

Die Tontechniker simulieren die Beschallung des Geländes am Computer (von links): Simon Dühning, Jan Amann und Timo Schorn.
Die Tontechniker simulieren die Beschallung des Geländes am Computer (von links): Simon Dühning, Jan Amann und Timo Schorn. | Bild: Freißmann, Stephan

Gewuselt wird auch an anderer Stelle. Zum Beispiel rund um die Künstlergarderoben und -aufenthaltsbereiche, die ebenfalls aus Zelten gebaut sind. Auch die Tontechniker Simon Dühning, Jan Amann und Timo Schorn sind schon zur Stelle, bevor die Bühne fertig ist. Mit ihren Laptops simulieren sie die Beschallung der Fläche, noch ehe ein einziger Lautsprecher installiert ist.

Arbeiten am Rigging unter dem Bühnendach: Daniel Jenter montiert einen Strahler, bevor das Bühnendach in die Höhe gehoben wird.
Arbeiten am Rigging unter dem Bühnendach: Daniel Jenter montiert einen Strahler, bevor das Bühnendach in die Höhe gehoben wird. | Bild: Freißmann, Stephan

Das Computerprogramm sage dann auch, wie man die einzelnen Boxen in der Soundbanane montieren muss, erklärt Timo Schorn – wobei der offizielle Name für das bananenförmige Gebilde eigentlich line array sei. Laut Computer hätten sie schon eine gleichmäßige Beschallung von 93 Prozent der Fläche erreicht, sagt Amann. Doch die Herausforderung auf dem Hohentwiel sei, dass das Terrain so ungleichmäßig ist, sagt Dühning.

Es darf auch bei Regen nicht rutschig werden, deswegen fegen die beiden Helfer Emilio Mancino aus Singen und Aliya Mbianda aus Hilzingen ...
Es darf auch bei Regen nicht rutschig werden, deswegen fegen die beiden Helfer Emilio Mancino aus Singen und Aliya Mbianda aus Hilzingen regelmäßig das Laub weg. | Bild: Freißmann, Stephan

In diesem Punkt sind sich die Tontechniker mit Bühnenbauern und Veranstaltern einig. Mehr Technik als bei anderen Open-Air-Konzerten brauche man auch auf dem Hohentwiel nicht, sagt Kokon-Co-Chef Xhavit Hyseni. Aber man könne weniger genormte Teile einbauen, weil der Grund so uneben ist. Und Veranstaltungstechniker Thomas Obeth hat Zahlen parat: „Die Bühne steht zwischen null Metern und 1,8 Metern über dem Grund.“ Daher sei fast alles maßgefertigt – damit die Festivalbesucher schöne Stunden erleben können.

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