Trotz aller Bemühungen von Verbandsseite sind die gewerblich-technischen Berufe im Handwerksbereich fest in Männerhand. Dieses Fazit zog Karl Griener nach der Gesellenlossprechungsfeier in der Inzigkofener Römer-Halle. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft bilanziert: "Unter den 80 Jung-Gesellen waren nur sieben Frauen." Drei Gesellenbrief-Empfängerinnen kommen aus dem Bürofach. Die anderen vier haben sich als Kfz-Mechatronikerin, als Feinwerkmechanikerin, als Raumausstatterin und als Bäckerin qualifiziert.

Maggie-Jane Deckart erreicht Notendurchschnitt von 1,7

Dass die Frauen im Handwerk ihren männlichen Kollegen durchaus ebenbürtig und manchmal überlegen sind, zeigt Maggie-Jane Deckart. Die frischgebackene Kfz-Mechatroniker-Gesellin gehört zu den neun Nachwuchskräften, die für ihren Notendurchschnitt bei der Gesellenprüfung mit einem Preis ausgezeichnet werden konnten. Und nicht nur das: Mit dem besten Notendurchschnitt von 1,7 stellte die junge Frau sämtliche Ergebnisse der 79 anderen Empfänger des Gesellenbriefes in den Schatten. Karl Griener kommentierte dazu im SÜDKURIER-Gespräch: "Der Gesamtnotendurchschnitt bei den Kfz-Mechatronikern lag bei 2,8. Das entsprach dem Landesdurchschnitt."

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Erkennbare Begeisterung für Beruf

Maggie-Jane Deckart war es auch, die im Namen der Prüflinge ein kurzes Wort an die Versammlung richtete. Schon als Jugendliche habe sie zusammen mit ihrem Bruder an Autos herumgeschraubt und sei deshalb zu ihrem Beruf gekommen. Die erkennbare Begeisterung, mit der Deckart ihre Berufsentscheidung begründete, machte den Zuhörern klar, dass sie damit eine Lebensentscheidung getroffen hat. Sie erntete Beifall und eine freundliche Lachsalve, als sie den bisherigen Lehrherren wünschte, weiterhin so problemlose Stifte auszubilden, wie ihr Jahrgang es gewesen sei.

Zahlreiche Vertreter des Handwerks und Familienangehörige verfolgten die Gesellenlossprechungsfeier.
Zahlreiche Vertreter des Handwerks und Familienangehörige verfolgten die Gesellenlossprechungsfeier. | Bild: Steinmüller, Hermann-Peter

Gesellenbrief als Ausgangsbasis für beruflichen Erfolg

Genau an diesem Aspekt setzten die beiden Redner des Festaktes an. Kreishandwerksmeister Sigmund Bauknecht und der Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, Harald Hermann, betonten übereinstimmend, dass mit dem Gesellenbrief kein Abschluss erreicht werde, sondern die solide Ausgangsbasis für den späteren beruflichen Erfolg. Der Sprecher der organisierten Handwerksbetriebe im Bereich der Kreishandwerkerschaft Sigmaringen nutzte die Feierstunde zu einem deutlichen Bekenntnis zum dualen Ausbildungssystem in Deutschland. Das damit verbundene Leistungsniveau sorge für die geringste Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der EU.

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Appell: Jugendliche sollen sich mit Beruf identifizieren

Bauknecht würdigte die in den kommenden Jahren vorgesehenen Investitionen des Kreises von 85 Millionen Euro zum Ausbau des Berufsschulwesens in Sigmaringen und Bad Saulgau. Er forderte das Ausland dazu auf, dem Beispiel in Sachen Berufsausbildung zu folgen und sich an das bundesdeutsche Ausbildungsniveau anzupassen. Aus der Perspektive des Kreishandwerksmeisters darf sich das berufliche Leistungsniveau gerade in den handwerklichen Sparten auf keinen Fall verschlechtern. Er appellierte an die jungen Nachwuchskräfte, sich mit ihrem Beruf zu identifizieren. Werte wie Fleiß oder Teamfähigkeit sind aus seiner Sicht unbedingte Voraussetzungen für den beruflichen Erfolg, gerade auch im mittelständischen Handwerk.

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Bereitschaft zum lebenslangen Lernen heutzutage wichtig

Eine zunehmend wichtige Rolle spielt auch im Handwerk die Digitalisierung. Bauknecht nannte als Beispiele den Dachdecker, der die Beschaffenheit einer Eindeckung mit einer Drohne in Augenschein nehme. Die fortschreitende Modernisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt erfordert auch aus Sicht des Handwerkskammer-Präsidenten die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen. Harald Hermann: "Ohne die Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung wird es bald nicht mehr möglich sein, alle Kundenwünsche zu erfüllen." Diesen Anforderungen stünden innerhalb des Handwerks gute und zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten gegenüber.

Digitalisierung als Herausforderung

Als eine Chance für den Start in die Selbstständigkeit nannte der Präsident der Handwerkskammer die Zahl von 18 000 Betriebsinhabern, die allein in Baden-Württemberg gegenwärtig auf der Suche nach Nachfolgern seien – oftmals erfolglos.

Die Digitalisierung und das Stichwort "Industrie 4.0" machten auch vor dem Handwerk nicht Halt. Wie schon der Kreishandwerksmeister stellte auch Hermann klar, dass es keinen Bereich in der Wirtschaft und im Handwerk gebe, der nicht vor diese Herausforderung gestellt werde. Zum Selbstverständnis des Handwerks meinte der Handwerkskammer-Chef: "Auch ein Zahntechniker, der mit Scanner und 3-D-Drucker arbeitet, ist nach wie vor ein Handwerker."