Inzigkofen – Im Gartenzimmer des ehemaligen Klosters Inzigkofen fand sich ein kleiner Zuhörerkreis ein, um bei einer Lesung zwei Autoren der jüngst erschienenen Anthologie "Familienerinnerungen aus dem Großen Krieg" zu hören. Eingangs schilderte Herausgeber Edwin Weber die Entstehungsgeschichte dieses kleinen Büchleins, das an diesem Abend verkauft und signiert wurde. Interessierte Zuhörerin war auch Gerlinde Kretschmann, Ehefrau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, deren Sohn Johannes mit der Lesung über seinen Urgroßvater Eugen Kienle und seine Urgroßmutter Anatolia den einstündigen Abend eröffnete.
Zu Beginn seiner Geschichte schmunzelten die Zuhörer, als er die Uniform der Laizer Musikkapelle beschreibt, der er als Tenorhornmusikant angehört. Dieser Auftritt am Volkstrauertag vor dem Kriegerdenkmal bei der Kirche ist der Einstieg für die Geschichte seines Urgroßvaters Eugen, der nicht mehr aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte. Sehr anschaulich und bildreich schildert er das Leben seiner Urgroßmutter Anatolia als Bäuerin in Laiz. Sie war es, die sich über Jahrzehnte hinweg, bis zu ihrem Tode im Jahre 1960, wohl schuldig fühlte am Tode ihres Mannes. Dies weil sie ihn beim letzten Fronturlaub nicht mehr in den Krieg ziehen lassen wollte und seine Uniform versteckte. So kam es zur verspäteten Rückkehr in seine Garnison, dann zur Strafversetzung in eine andere Einheit und letztlich zum Tod, berichtete Johannes Kretschmann. Auch ihren Lieblingsbruder Xaver verlor die Urgroßmutter im "Großen Krieg".
Er erhielt ein Ehrengrab an der Laizer Pfarrkirche und bis heute ist dort auch seine Urgroßmutter beigesetzt. Seine Geschichte rief bei den Zuhörern die damalige Zeit vor einhundert Jahren in Erinnerung bis zum Fazit von Johannes Kretschmann, dass kein Enkel oder Urenkel "Bis Heute", so auch der Titel seiner Geschichte, eine Uniform getragen hat.
Ausgehend von einem Nachlass und gefundenen Bildern stieß Edwin Weber auf die Kriegserfahrungen seines Großvaters Matheis, der aus seinem Kleinbauerndasein an die Front in den Vogesen ziehen musste. Nach seiner Rückkehr war er gesundheitlich angeschlagen und wollte ein Leben lang nichts mehr von Krieg und Militär wissen. Die Bilder, die bei der Lesung gezeigt wurden, waren für Weber Anlass, um weiter in der Familiengeschichte zu forschen, die in Dunningen beheimatet war. So erwähnt er das 1927 eingeweihte Kriegerehrenmal und die "Heldenverehrung" des Ortspfarrers. Ebenso aber der anhaltende Familienstreit während des Ersten Weltkriegs, da ein Bruder seiner Großmutter Rosa in Paris lebte und französischer Staatsbürger war. Dies führte zur Enterbung. Am Ende erwähnt Edwin Weber seinen Schüleraustausch in Frankreich, seinen einjährigen Aufenthalt im Nachbarland und auch die kurze Zeit mit einer französischen Freundin. So sind heute die Verbindungen über Rhein und Vogesen hinweg freundschaftlich.