Der Widerstand gegen die ab 1. Juli vorübergehende Verlagerung der Geburtshilfestation von der SRH-Klinik Bad Saulgau an das Klinikum Sigmaringen wird immer größer. Mehr als 8000 Menschen haben eine vom Krankenhausförderverein initiierte Online-Petition unterschrieben und mit tausenden Kommentaren, Stellungnahmen und Erfahrungsberichten ihre Sorgen und Ängste um die Station und den gesamten Krankenhausstandort unterstrichen.

Vorübergehende Schließung hatte keine wirtschaftlichen Gründe

In einem Pressegespräch erläuterten die SRH-Geschäftsführer Werner Stalla und Dr. Jan-Ove Faust mit Landrätin Stefanie Bürkle gestern die Entscheidung, die einzig dem Mangel an Hebammen geschuldet sei und nicht wirtschaftliche Gründe hatte, wie das Trio mehrfach versicherte. Die Schließung der Geburtsstation in der Kurstadt, in der 2020 670 Kinder das Licht der Welt erblickten, wird erst dann aufgehoben, wenn ausreichend Personal hat, um eine 24-Stunden-Betreuung zu gewährleisten.

900 000 Euro für Leihhebammen

Entsprechend der Geburtenzahl benötigt Saulgau derzeit exakt 5,61 Vollzeitkräfte, was man in den vergangenen zwei Jahren dank der Verpflichtung von insgesamt 18 Leihhebammen, die sogar aus Italien kamen, gerade noch schaffte. Nach Angaben von Bürkle gab man für Leihkräfte 2019 53 000 Euro, 2020 600 000 Euro und bis Mai 2021 weitere 256 000 Euro aus. In Bad Saulgau fehlen ab 1. Juli eine 50-prozentige Teilzeitkraft und eine Hebamme macht sich selbstständig, was dann einen Drei-Schicht-Betrieb unmöglich macht.

Versorgung der Schwangeren im Krankenhaus Sigmaringen ist gesichert

In der Geburtenstation Sigmaringen werden aktuell 6,2 Vollzeitkräfte benötigt und, wenn wie erwartet, etwa ein Drittel der Bad Saulgauer Wöchnerinnen das Klinikum in der Kreisstadt nutzen, weitere 1,8 Vollzeitkräfte. Derzeit gebe es Gespräche mit den ab 1. Juli verbliebenen Hebammen in Bad Saulgau. Gespräche wegen einem Wechsel, erklärte Geschäftsführer Faust. Von den SRH-Gesellschaftern hat er den Auftrag, Personal für die Wiedereröffnung in Bad Saulgau zu suchen, wobei es auch in Sigmaringen schwieriger wird, die aus medizinischer und haftungsrechtlicher Sicht nötige Belegschaft vorzuhalten. Dieser Mangel betrifft nach Angaben von Kreischefin Bürkle nicht nur Hebammen, sondern auch Gynäkologie und Anästhesie.

Belegsystem wurde von Beschäftigten abgelehnt

Der Hebammenmangel ist ein bundesweites Problem, widersprach der seit zehn Monaten amtierende SRH-Geschäftsführer Faust massiven Vorwürfen, wonach häufig schlechte Arbeitsbedingungen zum Weggang von Hebammen aus Bad Saulgau geführt hätten. Bis „zur letzten Minute“ habe man versucht, zusätzliches Personal, auch innerhalb des SRH-Konzerns zu gewinnen, versicherte SRH-Geschäftsführer Werner Stalla, dass die Verlagerung nicht mutwillig oder gar politisch motiviert war: „Wir hatten kein Personal.“

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Sein Kollege Faust bestätigte, dass es im Juli 2020 ein Gespräch mit Hebammen gab, um die Einführung eines Belegsystems zu prüfen, was SRH nicht abgelehnt habe. „Aber, man brauch genügend Hebammen, die mitmachen“, berichtete Faust von seinen positiven Erfahrungen in der Oberschwabenklinik Ravensburg mit dem Belegsystem, wo er zuvor beschäftigt war. Und bei den angestellten Kräften habe es keine Bereitschaft gegeben, sich zu beteiligen.

Medizinisches Konzept für SRH-Kliniken wird Ende Juni fertig

Bei der Verlagerung der Geburtenabteilung handele es sich um eine operative und keine strukturelle Entscheidung, ergänzte Landrätin Bürkle, dass deshalb kein vorheriger Beschluss des Kreistages nötig war. Und auch ein kommunaler Geschäftsführer hätte keine andere Entscheidung treffen können, brach sie eine Lanze für Jan-Ove Faust. Eine solche Grundsatzdebatte steht dem Gremium sowie dem Spitalfonds Pfullendorfs aber bevor, denn spätestens Ende Juni will Geschäftsführer Jan-Ove Faust sein medizinisches Konzept für die SRH-Kliniken GmbH vorlegen. Dies wird dann in den Gremien besprochen und Expertenmeinungen eingeholt und Landrätin Bürkle versicherte, dass auch die Bevölkerung in die Diskussion einbezogen wird. Beantwortet werden soll die Frage, wie die stationäre Versorgung im Landkreis Sigmaringen künftig gewährleistet werden kann. Dabei vermied Geschäftsführer Stalla auf Nachfrage des SÜDKURIER jegliche Aussage, was eine Standortgarantie für die Krankenhäuser Sigmaringen, Bad Saulgau und Pfullendorf betrifft.

Am 2. Juni wurden Gremien informiert

Landrätin Bürkle hofft, dass man wieder ausreichend Personal für die Wiedereröffnung der Geburtenstation findet. Am 2. Juni habe sie Geschäftsführer Faust die Verlagerungsentscheidung informiert, worauf sie Bad Saulgaus Bürgermeisterin Doris Schröter und die Aufsichtsratsmitglieder kontaktierte. Der SRH-Chef ergänzte, dass man das Personal am 3. Juni bei einer kurzfristig anberaumten Mitarbeiterversammlung informierte.