Wie Senioren beim Sicherheitstraining in Sigmaringen ihr Wissen auffrischen

Mit 40 km/h fährt Achim Grathwohl (69) aus Pfullendorf mit seinem Golf Cabrio zügig über den Platz, als auf einmal ein Ball auf die Fahrbahn rollt. Kein spielendes Kind, sondern Kurt Hinz von der Kreisverkehrswacht hat den Ball aus dem Gebüsch geworfen. Der pensionierte Polizist tut dies nicht aus Boshaftigkeit. Es handelt sich um eine praktische Übung beim Fahrsicherheitstraining für Senioren. Grathwohl legt eine Vollbremsung hin. Genau richtig. Auch Helga Gerbracht (73) meistert die so genannte Gefahrbremsung mit Bravour. „Ich habe im Hettinger Amtsblatt vom Kurs erfahren und meinen Mann und mich gleich angemeldet“, erzählt sie.

Kurt Hinz wirft aus dem Gebüsch am Fahrbahnrand einen Ball auf die Straße, die Kursteilnehmer sollen eine Vollbremsung machen.
Kurt Hinz wirft aus dem Gebüsch am Fahrbahnrand einen Ball auf die Straße, die Kursteilnehmer sollen eine Vollbremsung machen. | Bild: Johanson, Kirsten
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Beherzt bremsen

Zu erfahren, wie sich eine Vollbremsung anfühlt, der Technik zu vertrauen und sein Reaktionsvermögen zu testen – das sind Aspekte dieser Übung. „Oft scheuen sich gerade Fahrerinnen, das Bremspedal beherzt durchzutreten. Doch genau das muss sein. Die neuen Autos haben ABS, die Räder blockieren nicht und das Auto bricht nicht aus“, erklärt Uwe Busch, einer der ehrenamtlichen Helfer von der Kreisverkehrswacht.

An diesem Dienstag nehmen sieben Männer und fünf Frauen am Kurs teil. Sie alle wollen sicher und noch möglichst lange mobil bleiben. Am Vormittag stehen Inhalte wie Neuerungen im Straßenverkehr auf dem Programm, Seh-, Hör- und Reaktionstests. Die Alkoholbrille simuliert den Trägern wie sich 0,8 Promille beispielsweise auf die Koordination auswirken. Ein Püppchen vom Boden aufzuheben geht einem plötzlich nicht mehr so leicht von der Hand.

Klaus Kubenz (rechts) von der Kreisverkehrswacht erklärt, wie das Rückwärtsfahren mit Seitenspiegeln am besten funktioniert.
Klaus Kubenz (rechts) von der Kreisverkehrswacht erklärt, wie das Rückwärtsfahren mit Seitenspiegeln am besten funktioniert. | Bild: Johanson, Kirsten

Verbandskasten checken

Der Nachmittag beginnt damit, dass alle aus ihrem Auto den Verbandskasten unter die Lupe nehmen, denn dessen Inhalt ist auch nicht unbegrenzt haltbar. Dann heißt es: Warndreieck suchen und aufbauen. Weil die Beweglichkeit bei Senioren oftmals eingeschränkt und der Schulterblick nicht so ohne weiteres möglich ist, besteht eine Übung darin, rückwärts um Slalomstangen zu fahren und dabei die Seitenspiegel zu benutzen. „Kräftig einschlagen wenn die Stange auf Höhe des Hinterrads ist“, instruiert Klaus Kubenz.

„Mein Tipp: Im Alltag öfter mal rückwärts in Carport oder Garage einparken, das übt.“Heinz Schrey, Kreisverkehrswacht
„Mein Tipp: Im Alltag öfter mal rückwärts in Carport oder Garage einparken, das übt.“Heinz Schrey, Kreisverkehrswacht | Bild: Johanson, Kirsten

Das Fahrtraining für Senioren gibt es seit 2005. „Damals war ich noch bei der Polizei im Bereich Prävention tätig und die Verkehrserziehung gehörte zu meinen Aufgaben, für Kindergartenkinder und Grundschüler, aber auch für junge Fahrer und Senioren. Doch Vorträge bei Kaffee und Kuchen hielt ich für nicht ausreichend“, erzählt Heinz Schrey, Geschäftsführer der Kreisverkehrswacht. Und somit wurde ein Tagesseminar konzipiert, bei dem es vormittags um die Theorie, nachmittags um das Praktische geht. Das Motto lautet: „Sicher fit unterwegs“. Die Teilnahme ist kostenlos, Veranstalter ist der Arbeitskreis Verkehrssicherheit des Landratsamtes Sigmaringen, das Referat Prävention des Polizeipräsidiums Ravensburg, die Kreisverkehrswacht Sigmaringen und der Kreisverband Sigmaringen des Deutschen Roten Kreuzes.

Update in Sachen Notfall und Notruf

„Ich wohne in Jungnau und bin aufs Auto angewiesen“, erzählt Gert Rottmann. Er ist Jahrgang 1940 und nimmt schon zum wiederholten Male am Fahrtraining teil. Achim Grathwohl sagt, er habe im Theorieteil so manche Verkehrsregel auffrischen können. „Es wurde auch noch mal deutlich gemacht, worauf es beim Absetzen eines Notrufs ankommt.“ Ernst Dürr (67) aus Pfullendorf beschreibt den Kurs als interessant und informativ, vor allem lobt er die Informationen zum Verhalten an einem Unfallort.

„Der Vortrag, wie Medikamente und Krankheiten das Fahren beeinträchtigen können, hat mir besonders gut gefallen.“Gert ...
„Der Vortrag, wie Medikamente und Krankheiten das Fahren beeinträchtigen können, hat mir besonders gut gefallen.“Gert Rottmann, 83 | Bild: Johanson, Kirsten
„Was der Vertreter vom Deutschen Roten Kreuz zum Verhalten am Unfallort berichtet hat, war sehr informativ.“Ernst Dürr, 67
„Was der Vertreter vom Deutschen Roten Kreuz zum Verhalten am Unfallort berichtet hat, war sehr informativ.“Ernst Dürr, 67 | Bild: Johanson, Kirsten

Kurse stark nachgefragt

Das Fahrsicherheitstraining wird sehr gut angenommen. Es richtet sich an Senioren ab 65 Jahren, es gab aber auch schon einen 95-jährigen, der mitmachte. „Wir haben in diesem Jahr aufgrund der hohen Nachfrage noch einen achten Kurs im Oktober angehängt. Auf der Warteliste für 2024 stehen schon 20 Leute“, sagt Gottfried Ruckh, Polizist im Referat Prävention am Standort Sigmaringen. „Es geht um Selbstüberprüfung und überhaupt nicht darum, dass wir herausfiltern wollen, wer seinen Führerschein abgeben sollte.“

Ablenkung im Straßenverkehr vermeiden

Senioren fahren eher defensiv. Sie sind gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere Menschen, heißt es in einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom Mai 2023. Waren ältere Menschen im Jahr 2021 als Autofahrer in einen Unfall verwickelt, so trugen sie in 68 Prozent der Fälle die Hauptschuld. Vergleicht man bei jüngeren und älteren Fahrern die Unfallursachen, so wurde Senioren häufiger vorgeworfen, die Vorfahrt missachtet zu haben. Hinzu kamen Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren. Deutlich seltener wurde ihnen zu schnelles Fahren oder Alkohol am Steuer angelastet.

Wer nur eine Sekunde abgelenkt ist, legt bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h 14 Meter „blind“ zurück, heißt es in der Broschüre „mobil & aktiv“ der Deutschen Verkehrswacht. Um es gar nicht erst zu kritischen Situationen kommen zu lassen, sollte man folgendes beachten:

  • das Navi vor der Fahrt programmieren, zum Ändern der Route anhalten
  • das Smartphone auf lautlos stellen. Auch das Telefonieren über die Freisprechanlage kann ablenken
  • das Radio leise stellen oder auslassen
  • bei Müdigkeit oder Leistungstief eine Pause einlegen und eventuell ein Nickerchen von 10 bis 20 Minuten einlegen, nicht länger
  • längere Fahrten planen und Fahrten in der Nacht vermeiden, alle zwei Stunden eine Pause machen und etwas dehnen, bewegen