Der Kreistag Sigmaringen fordert die Führung der SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmBH mit großer Mehrheit auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die „schnellstmögliche“ Wiedereröffnung der Geburtenstation in Bad Saulgau zu ermöglichen. In seiner außerordentlichen Sitzung in der Sandbühlhalle in Bingen wurde teilweise emotional diskutiert. Am Ende stimmten die Kreisräte dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu, die schnellstmöglichste Wiederöffnung zu ermöglichen. Doris Schröter, Bürgermeisterin von Bad Saulgau und Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, hatte zuvor emotional gekämpft und drei weitere Anträge eingebracht.
Kritik an Klinik-Geschäftsleitung
Sie stellte in ihrem Statement die Zusammenarbeit mit den SRH-Kliniken in Frage, denn sie befürchte, die temporäre Schließung der Geburtenstation in Bad Saulgau leite die Schließung auf Raten für die kleineren Krankenhäuser in Pfullendorf und Bad Saulgau ein. Dass die Entscheidung zur Schließung zu dem Zeitpunkt notwendig war, kritisierte die Bürgermeisterin nicht. Aber sie fragte, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Der Personalengpass bei den Hebammen sei nicht über Nacht aufgetreten. Andere Kliniken hätten es geschafft, ausreichend Hebammen zu finden. „An allen drei Klinikstandorten herrscht große Unsicherheit unter der Belegschaft“, so Schröter.

Doris Schröter verlangt unabhängiges Gutachten
„Wo ein Kind zur Welt kommt, hat einen hohen Stellenwert“, sagte Schröter. Noch nie habe ein Thema im Landkreis so viele Menschen in so kurzer Zeit mobilisiert und bewegt, sagte sie vor Dutzenden von Zuhörern. Die SRH-Kliniken würden es nicht schaffen, Personal dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Allerdings fanden drei Anträge von Doris Schröter keine Mehrheit. Danach hätte der Klinikbetreiber SRH bei der nächsten Kreistagssitzung detailliert über die Maßnahmen zur Rekrutierung von Hebammen berichten sollen. Außerdem hatte Schröter gefordert, dass die Hebammen in der Sitzung nichtöffentlich angehört werden. Und sie hatte ein unabhängiges Gutachten über die medizinische Zukunft der drei Krankenhäuser gefordert. Doch alle Anträge wurden mehrheitlich abgelehnt.
Thomas Zimmerer: „Pfullendorf und Bad Saulgau bluten aus“
Kreisrätin Susanne Scham (Grüne) sagte, dass sie großes Vertrauen in die SRH gehabt habe. Inzwischen gebe es viele Fehlentscheidungen an den beiden kleinen Standorten. „Ich habe das Gefühl, es wird viel Geld in der Verwaltung verbraten“, so Scham. Deutliche Worte fand auch Thomas Zimmerer von der CDU. „Wir haben ein medizinisches Konzept, das wird nicht gelebt“, sagte Zimmerer. Man habe beobachten können, wie in Pfullendorf sukzessive die Gefäßchirurgie nach Sigmaringen verlagert wurde und das Krankenhaus jetzt ausblute. In Bad Saulgau seien es die onkologische Nachversorgung und die Notfallchirurgie gewesen, die verlagert wurden, so Zimmerer. Jetzt die Geburtenstation.“Da ist doch klar, dass das Haus ausblutet und auch Pfullendorf. Das trage ich nicht mit“, sagt Zimmerer. Matthias Seitz, Fraktionssprecher der SPD im Kreistag, forderte im Namen seiner Fraktion ebenfalls die baldige Wiedereröffnung, aber auch eine Versachlichung. „Eine Geburtenstation schließt man nicht einfach“, erläutert er. „Das Vertrauen in unser Plankrankenhaus ist nicht mehr so hoch“, so Seitz.
Schließung der Geburtenstation ist dem Fachkräftemangel geschuldet
Landrätin Stefanie Bürkle sah in den Anträgen von Doris Schröter blinden „Aktionismus, der das mit der medizinischen Konzeption eingeleitete strukturierte Vorgehen konterkariert“. Eingangs hatte die Landrätin gesagt, dass die temporäre Verlagerung der Geburtenstation die Bürger erschüttert habe. Das sei nachvollziehbar. Die Situation verursache Unsicherheit, aber es sei keine strategische Entscheidung. Im Anschluss hatte der Geschäftsführer der SRH-Kliniken Sigmaringen, Dr. Jan-Ove Faust, erläutert, weshalb die Geburtenstation in Bad Saulgau zum 1. Juli nach Sigmaringen verlegt werden musste. Dass diese Verlegung nur temporär sein soll, betonten Faust und Bürkle immer wieder. Ein klares Bekenntnis zu allen drei Klinikstandorten kam ihnen nicht über die Lippen.
Sicherheit der werdenden Mütter hat Priorität
„Es war eine akute operative Entscheidung, die wir aus Sicherheitsgründen treffen mussten“, betonte Faust. Ein Drei-Schicht-Betrieb sei wegen der fehlenden Hebammen unmöglich. Die Sicherheit der Mütter habe Priorität. Die Bemühungen, Personal zu finden, waren bislang vergeblich, so der Geschäftsführer. Er hoffe, dass der personelle Engpass bis Oktober behoben sein wird. Maßgeblich sei dafür die Gewinnung von mindestens zwei Hebammen.
Viele Zuhörer in der Sandbühlhalle
Es war eine außerordentliche Sitzung, die wohl erste Sondersitzung in der Geschichte des Kreistags in Sigmaringen. Die Sandbühlhalle war gut mit Zuschauern gefüllt. Viele von ihnen hatten Plakate dabei. Immer wieder gab es für Beiträge Applaus, die sich für eine schnelle Wiedereröffnung der Geburtenstation eingesetzt hatten und für den Erhalt aller drei Standorte. Vor der Sitzung übergab die Vorsitzende des Krankenhaus-Fördervereins, Larissa Lott-Kessler, 9863 Unterschriften von Bürgern, die sich gegen die Schließung wenden und die Wiedereröffnung der Geburtenstation fordern. Außerdem kündigte Lott-Kessler eine Demonstration in Bad Saulgau an.