In ganz Baden-Württemberg gibt es unter den heutigen Umweltbedingungen Lebensraum für 100 Luchse. Diese Zahl nannte am Dienstagabend Micha Herdtfelder. Der promovierte Wildtierbiologe von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg leitet das landesweite Überwachungsprogramm, das sogenannte „Monitoring“ für Luchse und Wölfe. Der Freiburger referierte bei einem Informationsabend des Landratsamtes Sigmaringen, zu dem rund 60 Zuhörer in die Kreisverwaltung gekommen waren, zusammen mit dem Luchsbeauftragten des Kreises Armin Hafner. Der Jagdfachmann aus Sauldorf hat durch das gezielte Aufstellen von Wildkameras nicht nur die Existenz des gegenwärtigen Donautal-Luchses Lias nachgewiesen, sondern vor einigen Tagen auch die Anwesenheit eines Wolfes im Donautal dokumentiert. Die Experten sehen in der Anwesenheit der beiden Tiere keinerlei Probleme. Sie betonten allerdings übereinstimmend die Notwendigkeit einer offenen Information der Öffentlichkeit und besonders die Zusammenarbeit mit den Haltern von Weidetieren.

Wie wichtig diese Zusammenarbeit ist, machte 2018 die Situation an einem Damwildgehege in der Nähe von Schloss Werenwag auf der Gemarkung Schwenningen deutlich. Dem Luchs war es mehrfach gelungen, den 2,50 Meter hohen Zaun zu überwinden und innerhalb der Umzäunung Damwild zu reißen. Mit Hilfe und unter Kostenübernahme durch das Land konnte der Zaun im Rahmen eines Pilotprojekts inzwischen „luchssicher“ optimiert werden. Hafner: „Zusätzliche Stromdrähte verhindern nun das Eindringen des Luchses.“
Ohne die Wildtierkameras und die Wärmebildkamera von Armin Hafner wäre der Luchs in den vergangenen Monaten nahezu unsichtbar geblieben. Von Privatpersonen lagen 2018 nur zwei Beobachtungen vor. Die Aufnahmen von Armin Hafner dokumentieren, dass die Beutegreiferkatze auch tagsüber im Wald unterwegs ist. Die Mitarbeiter des Wildtiermonotorings sind aber nicht nur daran interessiert, wie oft der Luchs an einer bestimmten Wildtierkamera vorbei läuft. Sie wollen ein gesamtes Bewegungsprofil erstellen. Deswegen ist Luchs Lias seit Anfang Februar mit einem GPS-Senderhalsband ausgestattet. Dazu musste das Tier zunächst gefangen werden. Hafner: „Wir nutzten eine Durchlauffalle, die so konstruiert ist, dass beim Berühren eines quer gespannten Drahts die Klappen vorne und hinten zugehen.“ So einfach fängt Mensch einen schlauen Luchs aber nicht. Die Wildtierkamera zeigte deutlich, dass Lias den Trick durchschaute und unter dem Draht zum Köder kroch. Erst als er wiederkam und noch mehr von dem für ihn leckeren Fleisch holen wollte, schnappte die Falle zu. Mit einem Blasrohr erhielt Lias das Betäubungsmittel. Während er schlief, bekam er nicht nur das Halsband. Der Luchs wurde untersucht, vermessen und entpuppte sich als kerngesundes Jungtier von 25 Kilo Lebendgewicht.
Inzwischen liegen schon erste Ergebnisse der Bewegungsüberwachung des Jung-Luchses vor. Pro Nacht legt der lauffreudige Jäger durchschnittlich 15 bis 30 Kilometer zurück. 2019 konnten ihm bisher 17 Wildtierrisse nachgewiesen werden. Hafner: „Das waren zwei Gämsen und 15 Rehe.“ Micha Herdtfelder setzte dazu die durchschnittliche Jagdbilanz eines Luchses in Relation: „Pro Jahr braucht ein Luchs zum Überleben etwa 50 Rehe.“
Lias ist nicht der erste Luchs, der über längere Zeit im Donautal Station macht. Woher wissen die Fachleute, dass es es sich jeweils um verschiedene Luchse handelt? Die Wildbiologen haben gelernt, die Punktemuster auf dem Fell zu lesen. Hafner: „Die sind so individuell wie die Fingerabdrücke beim Menschen.“ Schwieriger ist die Identifikation der Einzelexemplare bei den Wölfen. Sie können nur per DNA-Test eindeutig wiedererkannt werden. Für fährtenkundige Jäger ist eine Luchsspur leicht zu erkennen und ebenso leicht von einer Hundespur zu unterscheiden. Hafner: „Hunde können im Gegensatz zu Katzen, also auch zu Luchsen, ihre Krallen nicht einziehen. Diese Krallen sind dann in den Spuren zu sehen.“ Weil Wölfe und Hunde zur selben Tierfamilie gehören, ist es selbst Fachleuten unmöglich, die Trittsiegel großer Hunde von den Spuren eines Wolfes zu unterscheiden.
Waldtiere haben ihre eigenen Wildwechel. Sie benutzen ebenso gerne die menschlichen Fuß- und Forstwege. Armin Hafner baut seine Kameras bevorzugt im Wildwechselbereich auf.
Monitoring ist vorgeschrieben
Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg leitet das Monitoring von Luchs und Wolf in ganz Baden-Württemberg und ist damit auch für die Tierbeobachtung im Donautal zuständig.

Wozu braucht es Wildtiermonitoring?
Das Wildtiermonitoring gehört zu den grundlegenden wissenschaftlichen Methoden, um überhaupt über die Lebensgewohnheiten und den Aktionsradius neu zugezogener Tierarten Bescheid zu wissen. Daraus kann die Politik dann Rückschlüsse für das Wildtiermanagement ziehen. Das Monitoring ist bei seltenen Wildarten, beispielsweise auch beim Biber, vorgeschrieben.
Wie wird ein Luchs seinen GPS-Sender wieder los?
Wir haben das Halsband so eingestellt, dass es nach genau 365 Tagen von selbst abfällt. Bei Lias haben wir es aber auf zwei Jahre eingestellt, um eine größere Datenbasis zu bekommen, und außerdem kann er eine größere Batterie tragen. Wir möchten natürlich nicht, dass das Tier bis zu seinem Lebensende mit diesem Halsband herumläuft.
Woher kommen unsere Luchse?
Sie stammen von Tieren ab, die im Schweizer Jura erfolgreich ausgewildert worden sind. Das Donautal übt auf die Tiere wegen der Ähnlichkeit zum Schweizer Jura und seinen aus sicht eines Luchses guten Lebensbedingungen Anziehungskraft auf. Dazu zählen steile Waldbereiche als Rückzugsmöglichkeit.
Fragen: Hermann-Peter Steinmüller