Rappelvoll war die Beuroner Klosterkirche St. Martin, als das Kreisjugendverbandsorchester (KVJO) Sigmaringen zum festlichen Benefizkonzert aufspielte, das für die Kreismusikerjugend zum alljährlichen Höhepunkt zählt. Unter Leitung von Ralf Uhl, der seit September 2022 Dirigent des Orchesters ist, glänzten die Jungmusikerinnen und -musiker mit einer erstaunlichen Bandbreite von Stilrichtungen, was aber gewollt war: „Der erste Gedanke bei der Konzeption eines Konzertprogramms soll sein, dass für jeden etwas dabei ist“, sagte Uhl, dessen körperlicher Einsatz während des Dirigierens die Musik auch optisch erlebbar machte. Entsprechend waren zwischen den Stücken Schweißtuch und Wasserflasche absolut notwendige Utensilien für den schwer arbeitenden Dirigenten. Vielleicht lag es an seinem bedingungslosen Einsatz, an seiner unübersehbaren Leidenschaft für die Musik, dass die Jugend wie beseelt spielte?

So sorgte schon der Konzertauftakt mit „The Rose“ (Amanda McBroom), für Gänsehautmomente. Der Popsong von 1979, der die Liebe unter verschiedenen Aspekten beschreibt, öffnete durch das einfühlsame Spiel der jungen Leute sofort die Herzen des Publikums, das sich spürbar zurückhalten musste, nicht doch nach dem ersten Stück zu applaudieren. Denn Applaus sollte nach Vorgaben des Programms erst nach Ende des Konzerts gespendet werden.

Eine Überraschung

Nach diesem ersten „Warmspielen“, was nicht nur für die Herzen galt, sondern auch für die Finger und die Instrumente, folgte das Hauptwerk des Abends, „A Glipmse on Bruckners 5th“ von Anton Bruckner, auf dessen 200. Geburtstag die Musikwelt im kommenden Jahr zurückblicken kann. Ralf Uhl präsentierte aus diesem Anlass eine Überraschung: „Da es wenig Arrangements von Bruckners Sinfonien gibt, habe ich diese selbst verfasst und werde sie im kommenden Jahr zum Bruckner-Jubiläum freigeben“. Das Publikum durfte damit bei diesem Festkonzert in der Klosterkirche eine Uraufführung erleben, was ganz sicher auch eine zentrale Herausforderung dieses Abends für das Orchester gewesen sein dürfte.

Der Klangwucht und Komplexität des Brucknerschen Werks folgte mit „A groovy kind of Love“, ein 1965 geschriebener Popsong, der gut 20 Jahre später durch Phil Collins ein Welthit wurde, eine akustische Entspannung, bevor mit dem „Messias“ (Georg Friedrich Händel) dem kirchlichen Rahmen Rechnung getragen wurde. Dieses zweite Hauptwerk des Konzerts war wie geschaffen für die Beuroner Abteikirche aus dem 18. Jahrhundert, denn Händels Oratorium gilt als einer der wichtigsten geistlichen Werke, dessen würdigster Aufführungsort eigentlich nur ein Gotteshaus sein konnte. Was Händel selbst und seine Zeitgenossen aber anders gesehen haben sollen, denn der Komponist war auch Opernunternehmer und Verfasser von Musikdramen. Wie dem auch sei, die Musikerjugend des Landkreises wusste den Klassiker virtuos umzusetzen und seine Klangfülle der Erhabenheit der Abteikirche anzupassen. Vielleicht war es aber auch umgekehrt: Das Kirchenschiff nahm die Musik in ihr Gewölbe auf, um sie mit Spiritualität und ihrer eigenen Akustik gerundet, zurückzugeben an die Instrumentalisten und das Publikum.

Das Orchester und sein Dirigent liebten es wohl, mit den Zuhörern zu spielen und sie auf Zeit- und Kulturreise zu schicken. Mit „Stand allone“ des japanischen Komponisten Joe Hisaishi und „Home allone“, dem Soundtrack des Films „Kevin allein zuhaus“ von John Williams, setzten die Musiker starke Kontraste zum bisherigen Programm, zeigten aber trotz ihrer noch sehr jungen Musikerkarriere, dass sie schon in vielen Musikgenres gewiss nicht allein zuhause sind.Das bewiesen sie auch mit den Stücken „Variations on Scarborough fair“ (Calvin Custer) einer Originalkomposition aus den 90er-Jahren, dem klanggewaltigen und mitreißenden afrikanischen „Vater unser“ „Baba Yetu“, dass der Jugend ganz offensichtlich viel Spielspaß bereitete, bis hin zum vertrauten, Adventszeitgefühl hervorrufenden „Cinderella-Dance“.

Mit stehendem Applaus brach sich am Ende die aufgestaute Begeisterung bahn, die natürlich durch eine Zugabe belohnt, nämlich das strahlende „Halleluja“ aus Händels „Messias“, dass das Orchester ganz bewusst an den Schluss des Konzerts gesetzt hatte.