Das neue Umsatzsteuerrecht war Thema in der letzten Sitzung des Leibertinger Gemeinderats vor der Sommerpause. Das Umsatzsteuerrecht beruht auf einer EU-Richtlinie: Alle staatlichen Ebenen – wie Kommunen, Landkreise oder das Land, aber beispielsweise auch Schulen oder Hochschulen – sind ab 2023 umsatzsteuerpflichtig, wenn sie Einnahmen aus Waren oder Dienstleistungen erzielen. Eine Ausnahme von der Regelung gilt, wenn kein Wettbewerb mit privaten Dienstleistern vorliegt oder es sich um Pflichtaufgaben handelt, wie etwa die kommunale Abwasser- oder Abfallentsorgung.
Für den Gemeindetag „Bürokratie pur“
Das Thema geisterte im Frühjahr auch unter der Überschrift „Umsatzsteuer auf Mamas Kuchen“ durch die Medien. Dabei ging es um die Frage, ob beim Kuchenverkauf für einen guten Zweck auf Schulfesten oder ähnlichen Veranstaltungen Umsatzsteuer abgeführt werden muss? Der Gemeindetag Baden-Württemberg beteiligte sich damals an der Diskussion und bezeichnete die neue Regelung als „Bürokratie pur“ und forderte die Verantwortlichen auf, die „Rechtssetzung“ zu überdenken. „In den Rathäusern wird man sich über Monate mit der Überprüfung der eigenen Abläufe und deren umsatzsteuerlicher Relevanz befassen müssen“, hieß es in einer Pressemitteilung des Verbands. Auch in der Gemeinde Leibertingen beschäftigt sich die Verwaltung aktuell mit der Frage, für welche Leistungen sie in Zukunft Umsatzsteuer abführen muss. Deshalb hatte die Verwaltung in der vergangenen Woche Daniel Bahr in den Gemeinderat eingeladen. Der für Leibertingen verantwortliche Kämmerer sollte die Gemeinderäte informieren, was durch die ab 1. Januar 2023 geltenden Änderungen im Umsatzsteuergesetz auf Leibertingen zukommt.
Jede Leistung muss geprüft werden

Bisher durfte eine Gemeinde im Rahmen einer angebotenen Dienstleitung bis zu 35 000 Euro umsetzen, ohne dass sie dafür Umsatzsteuer abführen musste, wodurch vielfach die Frage nach einer möglichen Umsatzsteuerpflicht erst gar nicht aufkam. Außer im Bereich der Wasserversorgung und eventuell bei Photovoltaik-Anlagen habe man im Gemeindebereich nicht viel mit Umsatzsteuer zu tun gehabt, sagte Bahr. In Vorbereitung auf die Umstellung 2023 wird aktuell jede Leistung der Gemeinde Leibertingen auf den Prüfstand gestellt, ob sie umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht. Finanzexperte Bahr geht davon aus, dass die neue Regelung – auch wenn Ausnahmen existieren – recht streng gehandhabt wird.
Kuchenbackende Eltern als Personenzusammenschluss
Wenn etwa im Rathaus in der Gemeinde Leibertingen Werbeartikel oder touristische Wanderkarten verkauft werden, dann ist das in jedem Fall umsatzsteuerpflichtig. Immer wenn auch nur theoretisch ein Wettbewerb denkbar sei, dann komme die Umsatzsteuer drauf, erläuterte der Kämmerer. Auch auf das Beispiel Kuchenverkauf in der Schule ging Bahr ein. „Wenn der Verkauf von Kuchen oder Selbstgebasteltem auf die Schule oder den Kindergarten als Veranstalter zurückzuführen ist, dann ist der Schulträger – in diesem Fall die Gemeinde – der Unternehmer und muss Umsatzsteuer verlangen.“ Um wahrscheinlich einem Shitstorm entrüsteter Eltern zuvorzukommen, hat sich die Finanzverwaltung in Baden-Württemberg inzwischen aber eindeutig positioniert, wie Bahr berichtete: Die Schüler oder Kindergartenkinder müssten als Personenzusammenschluss auftreten, dann gelte praktisch die Kleinunternehmerregel, die bis zu einem Umsatz bis 22 000 Euro keine Umsatzsteuerpflicht vorsehe. Um die Umsatzsteuerpflicht zu umgehen, könne man auch den Kuchen gegen Spenden anbieten, erklärte Bahr.
Feuerwehren müssen Bratwürste versteuern
Bahr fand noch weitere Beispiele für den kuriosen Auswuchs der Neuregelung: Die Kameradschaftskassen der Leibertinger Feuerwehren – als sogenanntes Sondervermögen der Gemeinde sowie schon ein Opfer der Bürokratie – werden in Zukunft ab dem ersten Euro umsatzsteuerpflichtig sein. Wenn eine Abteilung in Zukunft ein Fest ausrichtet, dann wird sie die Einnahmen aus dem Bratwurstverkauf versteuern müssen. Auch denkbare Hilfskonstruktionen, wie die Gründung eines Fördervereins, würden laut Bahr wohl nicht von der Umsatzsteuerpflicht befreien.
Leistungen des „ausgeliehenen“ Kämmerers Umsatzsteuerpflichtig?
Noch nicht geklärt ist außerdem die Frage, ob die Gemeinde für Bahrs Leistung als Leibertingens Kämmerer in Zukunft Steuern bezahlen muss. Daniel Bahr wird im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit mit der Stadt Meßkirch praktisch an die Gemeinde Leibertingen ausgeliehen. Im Moment sieht es laut Bahr danach aus, als ob dafür keine Umsatzsteuer fällig wird, aber es gebe auch andere Stimmen, die davon ausgehen, dass die Leistung eines Kämmerers auch vollständig privatwirtschaftlich erbracht werden könne. Die Leistung würde sich für Leibertingen entsprechend dem aktuellen Steuersatz um 19 Prozent verteuern und die Gemeinde darf in diesem Fall nicht – so wie private Unternehmen – die bezahlte Vorsteuer von der abzuführenden Umsatzsteuer abziehen.