21 Jahre lang ist Armin Reitze bereits Bürgermeister in der Gemeinde Leibertingen, nun nimmt er zum 1. Mai 2021 vorzeitig Abschied von seinem Amt. Das sind ziemlich genau zwei Jahre bevor seine dritte Amtszeit im Jahr 2023 hätte enden sollen. „Die Luft ist raus!“, so kommentierte Reitze in der Sitzung des Gemeinderats in dieser Woche die offizielle Bekanntgabe seines Rücktritts.
Bedingungen stimmen für ihn nicht mehr
„Für mich stimmen einfach die Bedingungen nicht mehr!“ Die Aufgaben würden immer komplexer und belastender, die Ansprüche der Bürger immer höher und im Rathaus gäbe es dafür zu wenig Personal, erklärt Reitze gegenüber dem SÜDKURIER. „Oft zählt gar nicht mehr, was hinten raus kommt, sondern ob tatsächlich der formale Weg korrekt eingehalten wird und das Vorhaben vorschriftsgemäß dokumentiert wird.“, meint Reitze.

Die zunehmende Komplexität führt zu Stress, der auch an Bürgermeister Reitze nicht spurlos vorüber geht. So begründet er seinen Rücktritt auch damit, besser auf seine Gesundheit achten zu wollen. Sein Entschluss auszuscheiden, fiel während einer Reha-Maßnahme im vergangenen Sommer. Diese trat er auch deshalb an, weil er nicht mehr so schnell regeneriert wie früher.
Viel erreicht für Leibertingen
Reitze, der aus Friedingen an der Donau stammt, blickt aber zufrieden auf seine Zeit als Bürgermeister zurück. Die Bürger wollte er zusammenbringen. Deshalb setzte er sich für den Erhalt der Ortskerne in den Leibertinger Ortsteilen ein.

Viele Fördermittel hat der studierte Diplom-Verwaltungswirt für seine Vorhaben eingeworben. Der Leibertinger Ortsteil Kreenheinstetten ist unter anderem eine Modellgemeinde des Melap-Plus-Förderprogramms (Modellprojekt zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung des innerörtlichen Potenzials) der Baden-Württembergischen Landesregierung. Mit den Mitteln aus dem Programm wurde unter anderem die Erneuerung des Dorfplatzes in Kreenheinstetten unter Bürgerbeteiligung geplant. Auch das Bürgerhaus in Kreenheinstetten wurde in Reitzes Amtszeit neu gebaut, andere Bürgerhäuser in den weiteren Ortsteilen wurden renoviert oder erweitert. Die Leibertinger Schulturnhalle wurde für Veranstaltungen umgebaut und für die Nutzung durch Vereine.

Stolz auf die Bioenergiedörfer
Stolz ist Reitze auch, dass Leibertingen und Kreenheinstetten mit ihren Photovoltaikanlagen und dem Nahwärmenetz Bioenergiedörfer geworden sind. Dafür gab es sogar Auszeichnungen: unter anderem den European Energy Award, den das Baden-Württembergische Umweltministerium für vorbildliche Leistungen in der kommunalen Energie- und Klimaschutzpolitik verleiht. Dafür dass Thalheim wohl auch bald ein Nahwärmenetz erhält, dafür hat Reitze bereits die Weichen gestellt.
Abwasser wichtiges Thema
Wichtig war dem Bürgemeister auch das Thema Abwasserentsorgung für die Gemeinde Leibertingen. Bald werden alle Ortsteile an das Abwassernetz der Nachbargemeinde Meßkirch angeschlossen sein. Die gute Zusammenarbeit zwischen den beiden Gemeinden Meßkirch und Leibertingen war Armin Reitze in seiner Amtszeit immer ein großes Anliegen.
In Reitzes Zeit als Rathauschef wurde auch das Freibad in Thalheim zum Naturbad umgebaut. Besonders erwähnenswert findet Reitze, das Engagement und die Eigenleistung der Bürger für das Projekt damals.

Drei Kindergärten nicht selbstverständlich
Nicht selbstverständlich findet Armin Reitze auch, dass in einer Gemeinde wie Leibertingen insgesamt drei Kindergärten zur Verfügung stehen. Dort gibt es inzwischen auch eine Krippenbetreuung. Und in Leibertingen hat man in Reitzes Amtszeit nur die Verwaltung der Kindergärten zusammengeführt und nicht die Standorte, so dass Personal effizienter eingesetzt werden kann und die kurzen Wege zu den Betreuungseinrichtungen geblieben sind.
Noch keine Zukunftspläne
Für die Zukunft nach seiner Tätigkeit als Bürgermeister hat der 55-Jährige noch keine konkreten Pläne. Der Vater eines 16-jährigen Sohnes und einer 15-jährigen Tochter erhält eine Pension aus seiner Tätigkeit als Bürgermeister. Das sieht die Versorgung der kommunalen Beamten in Baden-Württemberg so vor, wenn man als Bürgermeister für mindestens zwei Amtszeiten gewählt wurde. Reitzes Frau ist auch noch berufstätig, so dass sich die Familie finanziell keine Sorgen machen muss. Zur Ruhe setzen möchte sich Reitze aber noch nicht, sondern auf die Suche nach neuen Aufgaben machen.

Ob Reitze sich noch mal gesellschaftlich engagieren wird, ist fraglich. Seine Analyse zum derzeitigen Zustand der Gesellschaft klingt eher pessimistisch. Der fast immer parteilose Kommunalpolitiker, der nur einmal für die Freien Wähler im Sigmaringer Kreistag saß, empfindet, dass vieles im Argen liegt. Inzwischen fühlt er sich den Grünen nahe. Ob hier wohl doch noch eine politische Zukunft Reitzes liegt?