Darf man erleichtert sein, wenn ein Angehöriger stirbt? Wie reagiert das soziale Umfeld auf solche Gefühle? Wo kann ich solche Fragen stellen? Im Gartenhaus von Ulrike Utz im Leibertinger Ortsteil Kreenhein­stetten ist es warm und gemütlich. Eine Kerze flackert sanft auf dem Tisch. Heute treffen sich hier die Trauerbegleiterinnen Ulrike Utz und Alexandra Chevalier und sprechen über Allerseelen und den „Trauer Raum“, den sie organisieren – in Form von Wanderungen.

Ulrike Utz, 48 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern, entschied sich 2019 für eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin. Sie besuchte zwei Wochenendseminare, doch dann kam Corona, und das Thema rückte zunächst in den Hintergrund. Aber es ließ sie nicht los. Gemeinsam mit Alexandra Chevalier, Gemeindereferentin der Seelsorgeeinheit Laiz-Leibertingen, unterstützt sie heute ehrenamtlich die Idee eines „Trauer Raums“.

Den Trauernden zuhören

Was tut eine Trauerbegleiterin? „Ich verstehe mich als Wegbegleiterin“, erklärt Ulrike Utz. „Ich kann den Schmerz nicht wegnehmen, aber ich kann an die Seite der Trauernden gehen, sie unterstützen und einfach da sein.“ Alexandra Chevalier ergänzt: „Trauerbegleitung bedeutet, den Trauernden zuzuhören, ihnen Raum zu geben.“ Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Authentizität sind für die beiden Frauen zentral. „Man muss sich nicht verstellen“, betont Utz. „Es geht darum, echt zu sein, auch mal mitzulachen oder mitzuweinen.“ Die Fähigkeit, Stille auszuhalten, sei ebenso wichtig.

Oft wird Ulrike Utz gefragt, was sie als gelernte Finanzwirtin dazu bewogen hat, ehrenamtlich als Trauerbegleiterin zu arbeiten. Sie antwortet, dass es keinen bestimmten Moment gab, der sie dazu gebracht hat. „Es war ein innerer Ruf“, sagt sie mit ruhiger Stimme. Man spürt, dass sie in sich ruht. Diese innere Stabilität ist nötig, um in diesem Ehrenamt eine Hilfe für andere zu sein.

Alexandra Chevalier, gelernte Erzieherin, ist in ihrem Glauben und der Kirche verwurzelt. Deshalb absolvierte sie 2018 ein Aufbaustudium und die Ausbildung zur Gemeindereferentin. Seitdem ist sie als Seelsorgerin tätig. Die 52-Jährige ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Manchmal muss die Familie zurückstehen, wenn sie für Trauernde da ist.

Darf man auch erleichtert sein, wenn ein Angehöriger stirbt? „Ja, das darf man“, betont Ulrike Utz. „Gerade, wenn ein Angehöriger lange krank war, ist es normal, auch Erleichterung zu empfinden.“ Alexandra Chevalier ergänzt: „Es ist wichtig, diese Empfindungen zuzulassen und darüber zu sprechen – Trauer hat viele Facetten und alle Gefühle dürfen sein.“

Oft sind Menschen unsicher im Umgang mit Trauernden. „Manche wechseln die Straßenseite, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen“, erzählt Chevalier. Beide Frauen raten, die Scheu zu überwinden und auf Trauernde zuzugehen. „Man muss keine Lösungen anbieten, oft reicht es, einfach da zu sein“, sagt Utz. Und sie fügt hinzu: „Seien Sie ehrlich, auch wenn Sie unsicher sind. Es ist in Ordnung, wenn man nicht die richtigen Worte findet.“

Der „Trauer Raum“ findet vier- bis fünfmal im Jahr in Form einer Wanderung statt. Er ist ein Angebot für Trauernde jeden Alters und in jeder Lebensphase und für Menschen, die Trauernde begleiten möchten. Unabhängig davon, wie lange der Verlust zurückliegt. „Wir möchten den Menschen einen Raum bieten, in dem sie sich begegnen und austauschen können“, erklärt Utz. Im Schnitt nehmen 15 bis 20 Menschen mit den unterschiedlichsten Beweggründen daran teil. „Da ist etwa eine Frau, die ihren Mann verloren hat. Sie hat inzwischen eine neue Familie gegründet, kommt aber weiterhin zu unseren Wanderungen. Für sie ist es eine Möglichkeit, an ihren verstorbenen Mann zu denken.“ Chevalier fügt hinzu: „Wir hatten auch eine Mutter mit ihren zwei Töchtern bei uns. Gemeinsam betrauern sie den Verlust des Vaters. Es ist berührend zu sehen, wie sie einander unterstützen und gemeinsam diesen Weg gehen.“ Manchmal begleiten auch Angehörige die Trauernden: „Eine Frau kam mit ihrer trauernden Schwester zu uns, deren Mann gestorben war.“

Begleitung ist keine Psychotherapie

Die Arbeit als Trauerbegleiterin ist emotional anspruchsvoll. „Man muss lernen, das Schicksal des anderen bei ihm zu lassen“, sagt Utz. Chevalier stimmt zu: „Gerade, wenn junge Menschen sterben, kommen wir selbst an unsere Grenzen. Die Vielfalt der Trauerprozesse ist eine Herausforderung“, sagt Utz. „Jeder trauert anders, und darauf müssen wir eingehen.“ Chevalier ergänzt: „Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und sich nicht zu überfordern.“ Sie betont: „Trauerbegleitung ist keine Psychotherapie. Wir begleiten die Menschen und hören zu, aber wir bieten keine therapeutischen Interventionen an. Wenn wir merken, dass jemand professionelle Hilfe braucht, verweisen wir an entsprechende Stellen.“

Utz möchte nach ihrer Weiterbildung zur professionellen Trauerbegleiterin, die sie derzeit absolviert, mit dem Team der Seelsorgeeinheit unter anderem auch Einzelgespräche anbieten. Auch Chevalier sieht die Notwendigkeit, das Angebot für Trauernde zu erweitern. Beide Frauen sehen einen dringenden Bedarf an speziellen Angeboten für trauernde Kinder und Jugendliche.

Religiöses Gedenken und weitere Angebote

  • Allerheiligen (1. November) ist ein katholischer Feiertag in Baden-Württemberg, an dem aller Heiligen gedacht wird, an Allerseelen (2. November) wird aller Verstorbenen gedacht. An beiden Tagen besuchen viele Menschen die Gräber ihrer Angehörigen und nehmen an Gottesdiensten teil.
  • Der „Trauer Raum“ ist ein Angebot der Seelsorgeeinheit Laiz-Leibertingen, eine Impuls-Wanderung, die am 2. November von 14 bis 15.30 Uhr stattfindet. Jeder kann ohne Anmeldung dabei sein. Treffpunkt ist der Brigel-Hof in Meßkirch-Langenhart. Gutes Schuhwerk ist erforderlich. Es gibt eine Vorstellungsrunde und während der Wanderung Impulse, Texte oder Wahrnehmungsübungen. Am Ende können die Teilnehmer bei Kaffee und Kuchen im Brigel-Hof einkehren. Der Austausch dort findet im separaten Raum statt. Begleiten werden Alexandra Chevalier, Ulrike Utz, Kerstin Biselli und Bianca Brändle. Kontakt per E-Mail: alexandra.chevalier@kath-laiz-leibertingen.de.
  • Trauercafé im Freiraum in Laiz, immer am zweiten Donnerstag im Monat (außer in den Ferien) von 16.30 Uhr bis 18 Uhr, Hauptstraße 32, Sigmaringen-Laiz. Kontakt: Gemeindereferentin Maritta Lieb, Telefonnummer 07571 7309315 oder E-Mail an m.lieb@kath-sigmaringen.de.
  • KonTiki – Selbsthilfegruppe Lichtblick für verwaiste Eltern. Kontakt: Sandra Schmid, Trauerbegleiterin, seelsorgerische Begleiterin, Tel. 07571 724704, E-Mai schmidbingen@web.de.
  • Malteser – Ambulante Kinder- und Jugendhospizgruppe. Kontakt: Sandra Rupp, Mobil 0170 8828556, E-Mail sandra.rupp@malteser.org.