Karlheinz Fahlbusch

Wenn Thomas Nuding die Zeitung aufschlägt oder im Fernsehen die Nachrichten verfolgt, dann bekommt er oft einen „dicken Hals“. Nicht wegen des US-Präsidenten Donald Trump, sondern wegen des italienischen Innenministers Matteo Salvini. „Für mich ist das ein Faschist, der Menschen in Not verachtet und sie im Meer ertrinken lassen will“, sagt der Meßkircher. Nuding war selbst bereits mehrfach als Skipper auf einem Seenotrettungsschiff im Einsatz. Er blickte in die Augen jener Menschen, die ihre Heimat verlassen und in Europa eine Zukunft suchen. Eine Zukunft, die leider oft auf dem Grund des Mittelmeeres endet.

Vier Mal für Nicht-Regierungs-Organisationen im Einsatz

Der Skipper aus dem Badischen war vier Mal für die Nicht-Regierungs-Organisation Sea Eye und zwei Mal für Mission Lifeline Dresden im Einsatz. Bei den sogenannten „Non Government Organisations“ (NGO) handelt es sich um private Helfer, die im Mittelmeer im Einsatz sind. See Eye und Mission Lifeline sind eingetragene Vereine.

Er legt nicht die Hände in den Schoß, sondern denkt über neue Konzepte nach. „Ich kann die Leute doch nicht ersaufen ...
Er legt nicht die Hände in den Schoß, sondern denkt über neue Konzepte nach. „Ich kann die Leute doch nicht ersaufen lassen“, sagt Thomas Nuding. | Bild: Fahlbusch, Karlheinz

Thomas Nuding lässt an Carola Rackete denken. Die Kapitänin wurde bekannt, als sie im Juni mit dem Schiff Sea-Watch 3 53 aus Libyen kommende Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot rettete. Wochenlang warteten Rackete und ihre Crew auf eine Genehmigung, in Lampedusa anlaufen zu dürfen. Ende Juni lief sie trotz des Verbots in den Hafen ein und wurde verhaftet. Inzwischen ist Rackete wieder frei.

Kapitänin Carola Rackete an Bord der Sea Watch 3. Ende Juni lief sie trotz Verbots in den Hafen von Lampedusa ein und wurde verhaftet. ...
Kapitänin Carola Rackete an Bord der Sea Watch 3. Ende Juni lief sie trotz Verbots in den Hafen von Lampedusa ein und wurde verhaftet. Inzwischen ist Rackete wieder frei. | Bild: Till M. Egen/dpa

Carola Rackete? „Ich schätze sie sehr“

Kennt Thomas Nuding Carola Rackete? „Nur von Erzählungen“, sagt er. „Aber ich schätze sie sehr und würde sie jederzeit gerne auf eine Fahrt mitnehmen.“ Denn klar sei, dass es ohne die Schiffe der Seenotretter nicht gehe. „Wir können nur zum Teil begreifen, was Menschen bewegt, die Risiken einer Flucht auf sich nehmen“, macht Nuding deutlich. In libyschen Lagern müssen Flüchtlinge Zwangsarbeit leisten und Frauen werden zur Prostitution gezwungen. Da sei die Überfahrt mit einem Schlauchboot nach Europa oft die einzige Chance, dem Elend zu entkommen.

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„Salvini will die Leute lieber ersaufen lassen“

„Wenn du da nicht helfen willst, dann bist du kein Mensch“, sagt der Meßkircher. In seinem Blick mischen sich Nachdenklichkeit und Wut. Die Europäer verstecken sich seiner Meinung nach in einer Scheindiskussion hinter Salvini. Es gebe Länder, die bis Oktober einen Lösungsansatz haben wollen. So auch Deutschland. „Aber Italien mauert“, kritisiert der Kapitän. „Salvini will die Leute lieber ersaufen lassen.“

Menschen winken vom Schiff der Seenotretter von Lifeline. Einige der großen Schiffe wurden inzwischen an die Kette gelegt, damit sind ...
Menschen winken vom Schiff der Seenotretter von Lifeline. Einige der großen Schiffe wurden inzwischen an die Kette gelegt, damit sind den Organisationen die Hände gebunden. Deshalb setzt Mission Lifelinie nun auf Segelyachten. | Bild: privat

Lösungen sind nicht einfach, das weiß auch der Skipper. Aber „geht nicht“, das gibt es für den Mann nicht, der in Meßkirch auch im Gemeinderat sitzt ist und sich über viele Dinge auch seine eigenen Gedanken macht. Er kennt Abgeordnete im Europaparlament und im Bundestag und Menschen, die im Schiffsmotorenbau arbeiten. Das ist wichtig für eine Idee, die dem Kapitän im Kopf herumgeht.

Idee: Altes Kreuzfahrtschiff zu einer humanitären Auffangstation ausbauen

„Wenn die EU-Staaten nicht mit Italien klarkommen, dann könnten sie ein altes Kreuzfahrtschiff kaufen und zu einer humanitären Auffangstation ausbauen, wo auch Helikopter landen können“, erklärt er. „Anker nichts als Ankerzentren“, macht er deutlich. „Medizinisches Personal könnte die Menschen versorgen und es wäre möglich, sie vom Schiff direkt in aufnahmewillige Staaten auszufliegen.“ Die Investition schätzt er auf 100 bis 200 Millionen Euro für den Kauf und 100 Millionen Euro für den Umbau. „Natürlich kostet auch der Betrieb Geld, aber das wäre alles verbindlicher als irgendwelche Zwischenlösungen“, ist Nuding überzeugt. Das Schiff müsste in internationalen Gewässern etwa 70 Seemeilen südlich von Malta kreuzen und die Rettungsschiffe wären in der Lage, die Menschen dort abzugeben. So könne man die Dublin-Regelung umgehen und gleichzeitig Italien entlasten.

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Einsatz für Mission Lifeline – diesmal mit Segelyacht

Demnächst wird Thomas Nuding wieder für die Rettungsorganisation Mission Lifeline, für die er mittlerweile fährt, in Einsatz gehen. Es wird aber kein Einsatz wie bisher sein. Denn Nuding hat zusammen mit dem Vorstand von Mission Lifeline ein Konzept entwickelt, das statt Schiffen Segelyachten zur Seenotrettung benutzt. Mission Lifeline verfügt bereits über zwei solcher Yachten, die bis zu 15 Meter lang sind. Wenn das Wetter ruhig ist und man schnell in Küstennähe fährt, dann können die acht Personen Stammbesatzung einer Yacht bis zu 25 Flüchtlinge aufnehmen.

Retten mit Segelyachten besser, als gar nichts zu tun

„25 Leute, das bedeutet aber auch drei Liter Wasser pro Kopf und Tag“, erklärt Nuding. Damit sei klar, dass man nicht viele Tage auf dem Meer kreuzen könne. 400 und 600 Liter fassen die Wassertanks auf den Yachten. Da ist der Vorrat schon sehr begrenzt. Eine der Yachten hat eine Salzwasseraufbereitungsanlage, die 15 Liter pro Stunde schafft. Die Besatzungen sind also darauf angewiesen, ihre Passagiere möglichst bald irgendwo absetzen zu können. Nuding findet: Wenn die großen Schiffe der NGOs von Italien beschlagnahmt werden, ist das Retten mit Segelyachten besser, als gar nichts zu tun.

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