Immer wieder verunglücken Führerschein-Neulinge und Jugendliche auf Fahrten zur Disco und Konzerten oder auf dem Weg von dort zurück. Laut ADAC, nimmt der Anteil der Unfälle Jugendlicher nachts am Wochenende extrem zu: Zwischen Mitternacht und fünf Uhr sei der Anteil, der mit dem Auto verunglückten 18- bis 24-Jährigen im Vergleich zur Allgemeinheit doppelt so hoch.
Im Polizeibericht einer Neujahrsnacht, auf den Markus Sauter vom Polizeipräsidium Konstanz in diesem Zusammenhang verweist, heißt es so exemplarisch: "Bei einem schweren Autounfall kamen drei junge Menschen auf einer Bundesstraße ums Leben, zwei weitere schwebten zunächst in Lebensgefahr. Die drei Opfer, ein 19-Jähriger und zwei Frauen im Alter von 19 und 21 Jahren, waren gemeinsam mit einem weiteren jungen Mann auf der Bundesstraße unterwegs. Nach Polizeiangaben waren sie vermutlich nicht angeschnallt."
Lioba Waldenspuhl aus Meßkirch ist ein anderer, schrecklicher Unfall noch gut in Erinnerung, der sich vor rund 20 Jahren auf der Rückfahrt von einem Konzert im Donautal ereignete. Der Wagen fuhr gegen einen Fels. Sie kenne eine Person, die dabei war und noch immer unter den Folgen leidet. Sie selbst ist heute Mutter von fünf Kindern und hat ihre Konsequenz gezogen: Die jüngste Tochter Natalie, die Einzige, die noch zu Hause wohnt, bringt sie regelmäßig zu Discobesuchen oder holt sie von dort ab. Dabei wechseln sich die Eltern mehrerer Mädchen mit den Fahrtdiensten untereinander ab. "Wenn ich weiß, dass sonst jemand meine Tochter fährt, der gerade den Führerschein gemacht hat, dann fahre ich lieber selber.
Das ist mir sonst zu gefährlich", stellt Waldenspuhl fest. In der Konsequenz bedeutet das, dass sie und die anderen Mütter auch immer wieder nach Mitternacht losfahren, um ihre Töchter abzuholen.
Die Hauptunfallursachen sind bei jungen Fahrern, laut Polizei, überhöhte Geschwindigkeit, riskante Fahrmanöver wie etwa beim Überholen, die Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit durch Alkohol oder Drogen, Vorfahrtsmissachtungen oder eine mangelnde Konzentration wegen der Ablenkung durch das Smartphone oder Mitfahrer. "Ein Shuttlebus", stellt daher Natalie Waldenspuhl fest, "wäre echt cool und sinnvoll." Aber sie weiß, dass das in ländlichen Regionen Wunschdenken bleiben wird. Dem schließt sich Lisa Hoffmann aus Meßkirch-Rohrdorf an. "Auf dem Land ist man auf das Auto angewiesen."
Seitens der Kreisverkehrsbetriebe Sigmaringen wird bestätigt, dass es kreisweit keinen Rufbus oder ein ähnliches Angebot bis in die Morgenstunden gibt. Anders im Bodenseekreis. Die Pressestelle des Landratsamts verweist auf den Kreistags-Beschluss 2015, eine Nachtbuslinie auf den Strecken Friedrichshafen-Überlingen und Friedrichshafen-Kressbronn einzurichten. Ob das Konzept noch auf weitere Umlandgemeinden ausgeweitet werden kann, werde geprüft. Zudem bleibe abzuwarten, wie die Nachtbuslinien dauerhaft angenommen werden. In beiden Kreisen gibt es auch mehrere Projekte im Bereich Sucht und Prävention. Im Bodenseekreis etwa die mobile Saftbar "Alles ohne Alkohol" (Aloa).
Christian Wolf aus Leibertingen kennt all diese Probleme. Er arbeitet seit Jahren als DJ im süddeutschen Raum sowie in der Schweiz und in Österreich. "Da habe ich schon viel gesehen", sagt er. Beim Thema Alkohol und Autofahren differenziert er die Discobesucher in drei Altersgruppen: Die 18- bis 25-Jährigen seien seiner Erfahrung nach sehr verantwortungsvoll bei diesem Thema, wogegen die 25- bis 35-Jährigen eher zu der Einstellung tendierten: "Ich weiß, was ich vertrage und kann noch fahren."
Öfters würden dann auch Jüngere bei diesen alkoholisierten Fahrern mit einsteigen, weil sie eben noch blauäugig seien. Bei den Discobesuchern über 35 Jahren habe er die Erfahrung gemacht, dass der, der fährt, nichts trinkt. Probleme bei der jüngsten Altersgruppe sieht Wolf zudem im zu schnellen Fahren. Es komme oft darauf an, wer den stärkeren Motor unter der Haube hat. Teils würden die Autos auch mit zu vielen Mitfahrern überladen, ist seine Beobachtung. Gefährlich werden könne es, wenn der Fahrer sagt, wir gehen jetzt und nicht alle mitkommen. Denn oft komme es vor, dass der, der fährt und nichts getrunken hat, auch das Recht hat, die Abfahrtszeit zu bestimmen. Die, die dann zurückbleiben, hätten oft getrunken und dann bestehe die Gefahr, dass sie später bei jemanden ins Auto einsteigen, der auch Alkohol intus hat.
Die Serie
Überwachungskameras, Warnwesten und Viren-Scanner – vieles macht das Leben sicherer. Aber was hilft wirklich? Und was tun, wenn doch ein Unglück passiert? Wissenswertes und Nützliches rund ums Thema Sicherheit finden Sie sechs Wochen lang immer donnerstags und samstags in dieser SÜDKURIER-Serie. Am Samstag, 19. November, folgt der Abschluss im Wochenendmagazin.
Lebensretter Sicherheitsgurt
Was sind die häufigesten Ursachen von Disco-Unfällen und wie schlüsselt die Polizei diese Unfälle statistisch gesehen in den beiden Landkreisen Sigmaringen und Bodenseekreis auf? Markus Sauter vom Polizeipräsidium Konstanz gibt Auskunft dazu:
- Statistik: In einer Auswertung der Disco-Unfälle in den Jahren seit 2008 schlüsseln die Beamten die Ereignisse nach den Unfallursachen auf. Dabei kommen sie zu folgenden Ergebnissen: Illegale Drogen waren bei vier Diso-Unfällen im Landkreis Sigmaringen (Sig) der Auslöser und bei drei Unfällen im Bodenseekreis (Bk). Im selben Zeitraum waren folgende Auslöser für die folgende Zahl an Unfällen ursächlich: Alkohol bei 20 (Bk) und 15 (Sig); Geschwindigkeit: 15 (Bk), 16 (Sig); Übermüdung: einen (Bk), drei (Sig). In diesem Zeitraum gab es im Bodenseekreis vier Tote, acht Schwerverletzte und 16 Leichtverletzte durch Unfälle zu
- Geschwindigkeit: Zu schnell oder nicht angepasst gefahren sei die häufigste Ursache für schwere Verkehrsunfälle, bei denen Menschen verletzt werden und sterben. Im Landkreis Sigmaringen war das beispielsweise in diesem Jahr in zwei von fünf Unfällen der Fall, im Bodenseekreis war die Geschwindigkeit im Vorjahr bei zwei von drei Unfällen der Auslöser. Markus Sauter rät, nicht schneller zu fahren, als erlaubt und beherrschbar ist.
- Sicherheitsgurte: Das Anlegen eines Sicherheitsguts sei Lebensretter Nummer eins im Straßenverkehr. In den vergangenen Jahren habe landesweit etwa jeder vierte tödlich Verunglückte, den Gurt nicht angelegt. Dabei entspreche ein Aufprall bei nur 50 km/h einem Sturz aus zehn Metern Höhe. Bei dieser Aufprallgeschwindigkeit wirke auf den Körper das 30-fache seines Eigengewichts – bei 70 Kilogramm seien das 2,1 Tonnen. Die Beweggründe für das Nichtanlegen des Gurts seien unterschiedlich – gedankenlos, bequem oder gar berechnend nach dem Motto: "Für die kurze Strecke lohnt es sich nicht." Die Antworten bei Polizeikontrollen zeugten von teils mangelndem Bewusstsein über die Schutzwirkung des Gurts für sich und andere. Bei jungen Fahrern spielten zudem Unerfahrenheit, eine hohe Risikobereitschaft oder übertriebene Coolness mit hinein. (mos)