Die Lebensbedingungen der Störche in Meßkirch und den Ortsteilen waren in diesem Jahr sehr unterschiedlich. Wegen des schlechten und vor allem sehr kalten Wetters im Mai überlebten nicht alle Jungstörche. Zuletzt gab es ein solch‘ großes Jungstorch-Sterben im Jahr 2013, so Ute Reinhard. Sie kümmert sich als langjährige Expertin um die Störche in der Region. Mit Blick in die Zukunft geht sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER davon aus, dass die Zahl der im Raum Meßkirch brütenden Störche stabil bleiben wird. Viele Jungstörche haben sich nach ihren Beobachtungen bereits zu Beginn des Monats aufgemacht, um in Richtung Süden zu fliegen. Sie sind in der Regel in Gruppen unterwegs. Ihr Ziel könnte Afrika sein, möglicherweise beziehen sie ihr Winterquartier aber auch in Spanien – hier würden Müllkippen als Futterquelle locken, so Reinhard. Ein Drittel der Altvögel würde dagegen in der Region überwintern. Bis minus 25 Grad würden Störche aushalten.
Unter den Folgen des schlechten Wetters vor allem von 30. Mai bis 2. Juni litt auch das Storchenpaar auf dem Meßkircher Rathaus. Es schlüpften zwar mindestens zwei Jungvögel, doch beide überlebten nicht, so die Storchenexpertin. Auch die drei Jungstörche auf dem Kaminnest des Hotels „Löwen“ kamen nicht durch. Dem schlechten Wetter seien die Jungstörche schutzlos ausgeliefert gewesen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt zu groß, sodass sie nicht mehr unter dem Gefieder der Altstörche Schutz finden konnten, und gleichzeitig war ihr eigenes Gefieder noch nicht genügend gewachsen, schildert Ute Reinhard. Das Gefieder des Nachwuchses ist erst ab der sechsten Lebenswoche ausreichend ausgebildet. Das Schicksal der Stadtstörche erlitten auch die vier Jungstörche in Rohrdorf. Dagegen kamen in Heudorf zwei junge Störche durch. Und in Igelswies konnten am 11. Juni drei Jungvögel beringt werden.

Besser sah es dagegen im Nest in der Schnerkinger Straße (Mastnest bei Dreher) aus. „Das hier schon alteingesessene Paar begann sehr früh, nämlich schon Mitte März, mit der Brut. Der zur Zeit der Schlechtwetterperiode Ende Mai noch dreiköpfige Nachwuchs – ein Junges war schon im Alter von fünf bis zehn Tagen bei der Kälte um den 25. April gestorben – war deshalb schon gut genug befiedert, um das üble Wetter schadlos zu überstehen,“ wie Ute Reinhard in ihrem Überblick über die Meßkircher Storchenschar schreibt. Auch dieses Paar hatte Nachbarn bekommen. Im Nachbarnest auf dem Kamin des Nachbarhauses sah die Lage schlechter aus: Die drei Jungen kamen beim Dauerregen zur Monatswende Mai/Juni um.
Im Nest in der Messostraße schlüpften drei Jungvögel. „Einer lebte noch am 4. Juni, als die Feuerwehr zur Beringung das Nest anfuhr. Woran dieser letzte der Jungvögel jedoch fünf Tage später plötzlich verstarb, bleibt ein Rätsel. Eine tierärztliche Untersuchung lieferte kein Ergebnis, äußere Verletzungen, die auf einen Kampf hinweisen könnten, waren nicht erkennbar,“ schreibt Ute Reinhard. Auch im Nest in der Museumstraße bei Haubers Parkplatz überlebten die beiden Jungvögel den Dauerregen Mai/Juni nicht.
Besser ging es den Jungstörchen auf dem Schlossdach-Nest. Trotz aller Widrigkeiten konnte das Storchenpaar hier zwei Jungvögel groß ziehen. Im angrenzenden Hofgarten gab es im Vergleich zum vergangenen Jahr große Veränderungen, denn die letztjährigen Linden-Brutnester waren infolge von Stürmen, mit Ausnahme des zuallererst gebauten Nests, nicht mehr vorhanden. Dafür wurde ein neues in dessen unmittelbarer Nähe, aber in der Höhe deutlich darüber, gebaut, so Ute Reinhard. Erstaunlich sei, dass nicht nur die Jungstörche des Schlosses, sondern auch der Nachwuchs aus den Lindennestern das Wetter wesentlich besser überstanden hat als die Störche der Innenstadt. Insgesamt sechs Jungstörche aus den Linden sowie vom Schlossdach konnten sich wie ihre Altersgenossen auf den Zug nach Süden aufmachen.

Fünf Storchenpaar gab es dieses Jahr in Menningen. Zwei Jungvögel, die im Nest auf dem Strommast am Ortsausgang in Richtung Igelswies geschlüpft waren, wurden am 4.¦Juni mithilfe der Feuerwehr beringt. Daneben gab es einen weiteren Bruterfolg in einem neuen Nest auf einem Strommast in der Gremlichstraße. Hier solle der Mast im Herbst entsprechend gesichert werden, so Reinhard. Während der Storchensaison sollen die Tiere in Ruhe gelassen werden. Trotz des schlechten Wetters und des Umzugs der Störche in Sauldorfs Ortsteil Rats vom Gasthof Löwen auf eine benachbarte Scheune bekamen diese drei der vier Jungvögel durch. Im Ortsteil Bichtlingen brachte das Storchenpaar alle vier Jungstörche durch. Diese wurden am 4. Juni beringt.
Nur jeder zweite Storch wird beringt
- Von den rund 1500 Jungstörchen, die es im Raum Oberschwaben gibt, werden nach den Angaben von Storchenexpertin Ute Reinhard nur noch gut 50 Prozent beringt. Wissenschaftlich sei ein Beringen aller jungen Störche nicht mehr nötig, da es inzwischen so viele gibt. Zum anderen ist es teils auch per Drehleiter nicht möglich, so an die Nester heranzukommen, dass die Tiere beringt werden könnten, ohne diese zu gefährden. Ute Reinhard überwacht rund 200 Nester in der Region.
- GPS-Sender für die Störche: Neben den Ringen, mit denen sich die Lebensstationen der Störche nachvollziehen lassen, werden einzelne Störche von der Vogelwarte in Radolfzell im Rahmen des Icarus-Projekts seit vielen Jahren mit GPS-Sendern ausgestattet. Einer dieser Vögel hat ein Nest in Menningen bezogen. Ihm wurde der Name „Swimmy“ verliehen.
- Wunsch nach weiterer Auffangstation: Ein großer Wunsch von Ute Reinhard ist eine Auffangstation für Störche in der Region. Doch die zuständigen Behörden würden sich bisher stur stellen. Bisher müssen verletzte Vögel in die entfernte Station nach Mössingen gebracht werden. Dies war am Wochenende wieder der Fall, als ein Auto nahe Lampertsweiler einen Storch erwischte. Der Fahrer ließ den Storch einfach liegen, so Storchen-Expertin Reinhard, und meldete den Vorfall auch nicht der Polizei, wie es bei Wildunfällen vorgeschrieben ist.