Anlässlich des Jahrestags des Beginns des Krieges gegen die Ukraine hatten die Kirchen von Meßkirch am Montagabend zu einem ökumenischen Gebet für den Frieden in die Liebfrauenkirche eingeladen. Die Erfahrungen von Krieg, Flucht und Existenznot sollten in Klage und Bitte vor Gott gebracht werden. Trotz des abweisenden Wetters kamen zahlreiche Besucher und Besucherinnen in die geheizte Kirche. Der altkatholische Pfarrer Andreas Sturm, die evangelische Pfarrerin Anja Kunkel, der mennonitische Pastor Martin Schnegg und der römisch-katholische Gemeindereferent Thomas Haueisen gestalteten zusammen mit zahlreichen Helfern und Mitarbeitern diesen gemeinsamen Gottesdienst.
Natalia Gies, die Organistin der evangelischen Heilandskirche, begleitete am Keyboard die liturgischen Teile und die Gemeindelieder. Ihre aus der Ukraine geflohenen Verwandten Oleksandra Litvin (Klavier) und Larysa Rekhta (Violine) trugen mit ihren Soli (ukrainische Volksweisen) zum Erfolg des Abends bei. Gies, die aus Lettland stammt, sprach auch die russischen, Litvin und Rekhta rezitierten die ukrainischen Texte.
Bitten um einen neuen Geist für Frieden und Versöhnung
Natalia Gies eröffnete den Gottesdienst mit einem Präludium von Johann Baptist Peyer, Thomas Haueisen begrüßte die Anwesenden und sprach das Votum. Gebete auf Deutsch und auf Russisch zum Thema: „Wo bist du, Gott?“ leiteten über zum Gemeindelied „Aus der Tiefe rufe ich zu dir“. Ein inständiges Gebet sprach das brutale Geschäft des Krieges, steigende Aggressionen und Bedrohungen, die Angst vor Vernichtung und Leid an, gefolgt von den Bitten um einen neuen Geist für Frieden und Versöhnung, um Einsicht und Bekehrung der Herzen, kurz: um das Wunder des Friedens in der Welt. Nach Worten aus Psalm 121 „Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ sang die Gemeinde die Friedensbitte „Dona nobis pacem“. Viele Besucher und Besucherinnen nutzten den Meditationsteil, um eine Kerze anzuzünden.
Das nicht mehr Vorstellbare wird Wirklichkeit
Die Lesung aus dem Neuen Testament war die Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium. In der Predigt blickte Pfarrer Andreas Sturm am ersten Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine auf das vergangene Jahr zurück: Was sich niemand vorstellen konnte, sei Wirklichkeit geworden. Als Heranwachsender habe er gedacht, die Welt werde immer friedlicher. Der Mauerfall habe ihn in solchen Gedanken bestärkt. Jetzt sehe er ein, wie naiv er gewesen sei, aber nicht nur er. Heute wird ein Sondervermögen für die Bundeswehr angehäuft, die Ukraine bekomme immer mehr Waffen und es drohe eine Spirale der Eskalation. Er erinnerte an den Satz aus der Bergpredigt: „Selig sind die Sanftmütigen“, und mahnte, wir sollten verbal abrüsten: Wer gegen Waffenlieferungen sei, müsse nicht unbedingt ein Helfer Putins sein. Die Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, Angegriffenen und Bedrohten zu helfen, und dem Wunsch nach Frieden gehöre wohl zur menschlichen Existenz. Zum Glauben gehöre aber immer auch der Glaube an das Wunder – warum nicht auch der Glaube an das Wunder eines echten Friedens.
Beter und Beterinnen aus allen Kirchengemeinden

Beter und Beterinnen aus allen Kirchengemeinden trugen die Fürbitten vor, immer wieder unterbrochen und bekräftigt durch ein „Kyrie eleison“. Es wurde gebetet für die Menschen in der Ukraine, die so furchtbar mit Krieg überzogen wurden, für alle, die kämpfen müssen, für alle in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, in den Versorgungsbetrieben, in den Behörden, für die Toten und Verwundeten auf beiden Seiten, für die vielen zivilen Todesopfer und für alle, die um sie trauern, für die politisch Verantwortlichen in der Ukraine, dass sie für die Bevölkerung im Land da sind und zugleich offen sind für alles, was Wege zur Beendigung der Kriegshandlungen, zu Frieden und Freiheit eröffnen kann, für die vielen Menschen auf der Flucht, auch für diejenigen, die zu uns gekommen sind, und für diejenigen, die ihnen helfen. Im Schlussgebet bat Pfarrer Sturm: „Nimm uns hinein in den Strom des Lebens und der Güte, damit von uns Frieden statt Streit und Anteilnahme statt Gleichgültigkeit ausgeht“. Pastor Schnegg dankte allen Mitwirkenden und auch den Musikerinnen, die mit viel Beifall bedacht wurden, er und Thomas Haueisen sprachen den Segen. Die Gemeinde hörte noch das Nachspiel an, danach entwickelten sich lebhafte Gespräche.