Mehrere Gäste der Tagespflege im Caritaszentrum St. Martin beteiligten sich an zwei gestalterischen Projekten zum Thema „Erinnern“ unter der Leitung der Künstlerin Carola Riester. Die Idee zu dieser Aktion stammt von Mirjam Klein, Leiterin der Sozialstation St. Heimerad. Sie ist durch eine Kunstaktion von Carola Riester bei der Firma Bix sowie durch einen Film, den die Künstlerin und die Theaterpädagogin Lilo Braun zusammen mit den Mitarbeitern der Oberschwäbischen Werkstätten für Behinderte drehten, dazu angeregt worden.
Neue Räume brauchen neue Bilder
„Als wir in das Caritaszentrum umzogen, dachte ich mir: Wir haben schöne neue Räume, da braucht es auch neue Bilder“, erzählt Mirjam Klein von ihren Überlegungen. Die verschiedenen Kunst-Aktionen von Carola Riester haben sie auf die Idee gebracht, die Räume mit Bildern von den Gästen der Tagespflege zu dekorieren. Daraus haben sich zwei schöne Mal-Projekte entwickelt. Bilder zum Thema „Erinnern“ sollen zukünftig die Büroräume und Bilder zum Thema „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ den Ruheraum der Tagespflege verschönern.
Grundidee war eine Collage
Pro Tag besuchen etwa acht bis neun Gäste die Tagespflege. Fünfmal pro Woche war Carola Riester vor Ort und arbeitete nacheinander mit zwei Dreiergruppen. „Die Grundidee ist eine Collage“, erzählte sie. Das bedeutet, dass die Teilnehmenden einzelne Elemente malen, welche Carola Riester am Computer in ihrem Atelier zu einem Ganzen zusammensetzt. Als Anregung kopierte sie expressionistische Arbeiten von Gabriele Münter, die zu der Künstlervereinigung „Blauer Reiter“ gehörte, und verschiedene Tierbilder. Die expressionistischen Bilder mit ihren kräftigen, leuchtenden Farben seien bei den teilnehmenden Gästen der Tagespflege überraschend gut angekommen.
Zu Beginn stellte sich der Künstlerin die entscheidende Frage: „Wie gelingt es, die Gäste einzuladen.“ Oftmals sei sie bei der Motivation zur Mitarbeit auf Ängste gestoßen. Viele hätten Hemmungen gehabt, etwas auf das Papier zu bringen, aufgrund der Befürchtung, nicht „schön“ zu malen. „Doch von Mal zu Mal sind alle freier geworden“, freut sich Carola Riester. Es sei stets ein ganz intensiver Prozess, in dem sich die Teilnehmenden mit ihren Erinnerungen auseinandersetzen. Beim Malen leben Eindrücke aus der Kindheit auf, an die Schulzeit und den Lebensweg. „In diesem Gebäude treffen so viele Lebenserinnerungen zusammen“, erzählt Carola Riester voller Respekt.
Annemarie Schmid eine begeisterte Malerin
Ebenso unterschiedlich wie die Lebensgeschichten seien die Ausdrucksformen, in denen sie wiedergegeben werden. Es gibt begeisterte Malerinnen wie Annemarie Schmid, die fast immer mit dabei war, wenn Carola Riester eine Mal-Gruppe zusammenstellte. „Mir hat das Malen schon immer Spaß gemacht“, erzählt die Seniorin. In der Schule sei man damals leider nicht gefördert worden, wenn man etwas gut oder gern gemacht habe. „Jetzt ist Frau Schmid die Person, die alles malt, was im Gesamtbild noch gebraucht wird“, ergänzt Carola Riester mit viel Sympathie für ihre Gruppe.
„Fachmann“ für das freie Malen geworden
Johannes Thiel war anfangs nicht begeistert davon, sich an dem Mal-Projekt zu beteiligen. Er habe keine Gedanken gehabt, was er aufs Papier bringen könne. „Am Anfang hat es keinen Spaß gemacht“, erzählt er aufrichtig, doch fügt er an: „Sie hat mich dazu gebracht, dass es Spaß macht“ und verweist auf Carola Riester, die fröhlich lachend erklärt: „Herr Thiel ist mein Fachmann für das freie Malen.“ Sie zeigt auf den stimmungsvollen Himmel der Collage, an dem die Gelb-, Blau- und Weißtöne ineinandergreifen. „Das hat Herr Thiel gemalt“, erklärt sie. Aus den einzelnen Bildern ist ein buntes herbstliches Dorf entstanden.
Eigene Werke stets mit Abstand betrachten
„Früher haben wir auch gar nicht so schöne Farben gehabt“, erzählt Annemarie Schmid. Doch kritisch gegenüber ihrem malerischen Produkt bleibt sie. Erst als Carola Riester empfahl, mit etwas räumlichem Abstand die eigenen Bilder zu betrachten, kam Zufriedenheit auf. „Das geht jedem Künstler so“, erzählt sie. Man müsse seine Arbeiten zwischendurch stets mit etwas Abstand betrachten, um den Blick zu weiten und die Perspektive zu wechseln. Das intensiviere die Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit. Carola Riester ist glücklich darüber, dass sich sogar eine hochdemente Frau mit einem schlichten, aber reizenden Obstbaum am Gesamtbild beteiligen konnte.
Zwei Probedrucke schmücken bereits den Ruheraum. „Wir haben die Bilder etwas nach oben gehängt, sodass der Blick aus den Sesseln heraus beim entspannten Sitzen direkt darauf fallen kann“, erklärt Carola Riester. Entstanden ist eine charmante herbstliche Dorfszene mit Häusern, Blumen, Bäumen, Autos, Menschen, mit einem belebten Himmel, Äckern und Feldern. Für die Teilnehmenden ist die Collage eine angenehme Erinnerung an das Projekt und für die anderen Bewohner, die in diesem Raum Ruhe finden, ein schöner Blickfang, der Erinnerungen an die Vergangenheit weckt.
Film „Was wahr war“
Zusammen mit der Theaterpädagogin Lilo Braun dreht Carola Riester einen Film über Kunden der Sozialstation St. Heimerad, die zu Hause betreut werden. Im Mittelpunkt stehen Erzählungen aus der Vergangenheit. „Für uns ist das ein schönes Projekt, da wir bewusster erleben dürfen, mit welchen Menschen wir in Kontakt sind“, berichtet Mirjam Klein, Leiterin der Sozialstation.
Die Projektleiterinnen sind begeistert davon, von welchen Erlebnissen die Seniorinnen und Senioren berichten. Daraus stellen sie einen Film zusammen, der im Januar uraufgeführt wird. Er gehört zu den Veranstaltungen im Rahmen des kreisweiten Kulturschwerpunkts „Erinnern“. (imi)