Rund eine Stunde diskutierte am Dienstagabend der Gemeinderat über ein Thema, über das er formalrechtlich gar nicht abstimmen durfte. Die Freien Wähler hatten mit der SPD gemeinsam bei Bürgermeister Arne Zwick beantragt, über einer Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer A und B um jeweils zehn Punkte und die Gewerbesteuer um 15 Punkte im Gremium abzustimmen. Die Grünen beantragten zeitgleich nur eine Erhöhung der Gewerbesteuer um 15 Prozent. Zwick setzte sogleich das Thema auf die Agenda, wozu er laut Gemeindeordnung auch verpflichtet ist. Dabei wurde aber von ihm und der Verwaltung übersehen, dass über eine Gewerbesteuererhöhung bereits am 15. Dezember des vergangenen Jahres abgestimmt wurde. Damals hatten die Räte eine Erhöhung mehrheitlich abgelehnt.
Thema hätte nicht behandelt werden dürfen
Weil diese Abstimmung aber noch kein halbes Jahr her ist, hätte das Thema am Dienstag überhaupt nicht behandelt werden dürfen. Der Rat hätte damit noch exakt sieben Tage warten müssen, bis zum 15. Juni dieses Jahres. Deshalb wurde das Thema nach einer längeren Diskussion schlussendlich abgesetzt.
Haushaltslage ist angespannt
In der Diskussion sagte Zwick zu dem Thema: „Ganz viele Gemeinden haben ihre Steuern angehoben, weil sie die gleichen Probleme haben wie wir“. Er kündigte an, dass die Kommunalaufsicht der Stadt bereits signalisiert habe, dass der Haushalt 2021 so nicht genehmigt werde. Allerdings sei eine rückwirkende Anhebung der Steuern mit erheblichem Aufwand für die Verwaltung verknüpft, weil die Steuerbescheide bereits verschickt worden seien. Er fände eine Anhebung zum 1. Januar 2022 daher besser.
Freie Wähler wünschen moderate Anpassung
Thomas Nuding von den Freien Wähler sagte, die Freien Wähler und die SPD hätten sich Gedanken zum Zeitpunkt gemacht. Man gehe davon aus, mit einer moderaten Steuererhöhung mit einem blauen Auge davon zu kommen. „Nächstes Jahr stehen extreme Kosten an“, sagte er und verwies unter anderem auf den Feuerwehrbedarfsplan und die Wasserversorgung. Daher sei es besser, die Steuern jetzt moderat anzuheben, statt nächstes Jahr um 25 Prozent.

CDU gegen Steuererhöhungen
Die CDU-Fraktion wehrte sich in der Sitzung vehement gegen eine Steuererhöhung. „Das ist schlichtweg nicht tragbar“, sagte Fraktionssprecher Jürgen Alber und verwies auf die Entscheidung im Dezember. Eine drastische Erhöhung während der Pandemie sei den Betrieben nicht zumutbar. Auch Fraktionskollegin Insa Bix sprach sich klar gegen eine Steuererhöhung aus. „Wir hatten vereinbart, im Herbst darüber zu sprechen, wenn unsere Bürger, Betriebe und Geschäftsleute eine verlässliche Grundlage haben“, so Bix. Die Betriebe hätten mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen, bei einigen ginge es auch um das Überleben, ergänzte sie. Eine Steuererhöhung sei das falsche Signal.
Bürgermeister Arne Zwick: Es gibt keinen passenden Zeitpunkt
„Für eine Steuererhöhung ist nie der richtige Zeitpunkt“, antworte daraufhin Bürgermeister Zwick. Betriebe, die durch Corona massiv betroffen seien, müssten auch weniger beziehungsweise keine Gewerbesteuer bezahlen. Am Ende übernehme die Kommune Aufgaben, die kein Unternehmer freiwillig machen würde: „Schulen, Kindergärten und Hallenbad kosten nämlich nur Geld“.
Steuern landen in der Gemeinde
Thomas Nuding (Freie Wähler) entgegnete, dass er als Unternehmer lieber etwas mehr an die Gemeinde bezahle, statt an das Finanzamt. Denn bei der Gemeinde wisse er, wo das Geld lande. Von der Pandemie seien alle Bürger betroffen. Man lebe in einer Solidargemeinschaft. „Dazu sollten alle Menschen beitragen, auch Firmen“, forderte er. Unterstützt wurde er von Gemeinderat Helmut Weißhaupt (Grüne).

SPD und Grüne appellieren an Solidarität
Weißhaupt verwies darauf, dass der Gemeinderat in den vergangenen Monaten die Gebühren für die Bürger in vielen Bereichen erhöht habe. „Jetzt ist nur gerecht, wenn auch die Betriebe mehr bezahlen“. Martina Mülherr (SPD) sprang der Verwaltung zur Seite, denn die Belastung sei „kein Privileg der Betriebe“. Auch die Kommune müsse die Belastungen der Pandemie finanziell stemmen. „Der Einfamilienhausbesitzer bezahlt für eine Erhöhung der Grundsteuer nur fünf Euro mehr“, erklärte sie. Und Betriebe würden die Steuern von ihrem Gewinn begleichen, den sie sowieso machen würden.

Das sagt die Kreisverwaltung
CDU-Rat Thomas Schlude war es, der Bürgermeister Zwick am Ende auf die Frist verwies. Hauptamtsleiter Matthias Henle prüfte den entsprechenden Paragraphen in der Gemeindeverordnung. Danach wurde der Punkt vertagt. Pressesprecher Tobias Kolbeck vom Landratsamt Sigmaringen teilt auf Nachfrage dieser Zeitung mit, dass der Anspruch auf eine Antragsbehandlung der Fraktionen ausgeschlossen ist, wenn der Gegenstand bereits innerhalb der vergangenen sechs Monate behandelt wurde. Und er ergänzt: „Es sei denn, die der damaligen Entscheidung zugrunde liegende Umstände haben sich wesentlich verändert“. Dann wäre eine Behandlung auch vor Ablauf der Sechs-Monatsfrist denkbar, informiert Kolbeck. In diesem Fall müsste also nachgewiesen werden, dass der Haushalt sich seit Dezember wesentlich verändert hat.