Pfullendorf – Er war Mentor zahlreicher Vereine, ein ungewöhnlich großzügiger Spender und Sponsor, ein weitsichtiger Unternehmer, das Abbild eines Bildungsbürgers und als Stadtrat maßgeblich am Aufschwung der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt. Wer das Glück hatte, sich mit diesem wachen und wissenden Geist unterhalten zu dürfen, war ob seines schieren Wissens, der analytischen Kombinationsgabe und der Liebe zu seiner Stadt und den Menschen oftmals erstaunt und überwältigt. Er hatte den Puls immer an der Zeit, verfolgte das lokale Geschehen mit wachsamem Blick und ließ die Weltenläufte nie aus den Augen. Er verstand es Zusammenhänge herzustellen, Entwicklungslinien aufzuzeigen und war mit einem staunenswerten Gedächtnis ausgestattet. Der erhobene Zeigefinger war nicht seine Methode, wenn er auf Missstände hinweisen wollte. Dieser Charaktermensch überzeugte mit Fakten, Wissen und der Darstellung von Vergangenheit und Gegenwart, um daraus die Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Er war mit der Gabe des Denkens, des Nachdenkens und des Überdenkens ausgestattet. Sein pragmatischer Intellekt versetzte ihn in die Lage, komplexe Zusammenhänge zu entwirren und entzerren und dann in verständlicher Weise darzulegen. Der Verstorbene hat schier ein ganzes Jahrhundert erlebt und durchlebt und in Pfullendorf viele Jahrzehnte die Geschicke von Stadt und Menschen geprägt.

Die Ansiedlung von Industriebetrieben wie Alno und Geberit sowie die Ausweisung als Bundeswehrstandort sind maßgeblich seiner Weitsicht und Verhandlungsgeschick zu verdanken. "Industrie und Kaserne" war nach dem Zweiten Weltkrieg für den Kommunalpolitiker der richtige Weg in die Zukunft für die damals noch landwirtwirtschaftlich geprägte Stadt mit ihren 3500 Einwohnern. So startete er einen Briefwechsel mit dem damaligen Beauftragten von Bundeskanzler Konrad Adenauer, um diesen zu überzeugen, in Pfullendorf eine Kaserne zu bauen, obwohl die "Grundstimmung bei der Bevölkerung gegen dieses Projekt war", wie er sich bei einem SÜDKURIER-Gespräch erinnerte. Mit Bestimmheit brachte er seine Fraktion und den Gemeinderat auf seine Seite und mit Bürgermeister Leopold Frank überzeugte er dann einen interministeriellen Ausschuss in Stuttgart. Pfullendorf wurde Garnisonsstadt und beherbergte zu seinen Glanzzeiten 2000 Soldaten. Herausragend war sein kommunalpolitisches Wirken. Im Jahr 1952 wurde er zum CDU-Stadtratsvorsitzenden gewählt und zwei Jahre später in den Gemeinderat, dem er bis 1987 angehörte, wobei er bis zu seinem Ausscheiden auch das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters inne hatte. Auch in der Kreispolitik mischte der Unternehmer, der seit 1953 das elterliche Ziegelwerk leitete, kräftig mit und saß von 1959 bis 1973 im Kreistag. Der Verstorbene war auch ein Pionier des Genossenschaftswesens und wurde schon mit 29 Jahren in den Aufsichtsrat der Volksbank Pfullendorf gewählt, dem er 39 Jahre angehörte, darunter viele Jahrzehnte als Vorsitzender. Beim Neujahrsempfang der Stadt Pfullendorf im Januar 2002 wurde Dr. Walter Ott gemeinsam mit Hermann Löffler offiziell zum Ehrenbürger der Stadt ernannt und erhielt die Urkunde aus den Händen des damaligen Bürgermeisters Heiko Schmid.

"Sie waren ein Machertyp bei der industriellen und infrastrukturellen Entwicklung der Stadt", würdigte Bürgermeister Thomas Kugler die Verdienste von Dr. Ott bei dessen 90. Geburtstag vor zwei Jahren. In bemerkenswerter geistiger Frische blickte der Jubilar damals auf sein erfülltes Leben zurück, zu dem auch ein enormes soziales Engagement gehörte. Er hat viele Vereine, wie den CDU-Stadtverband mitgegründet, war Ehrenmitglied bei Vereinen, sozialen Einrichtungen und hatte stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen. Ob bei der Sanierung der Orgel in der Wallfahrtskirche Maria Schray, die Unterstützung des SC Pfullendorf oder für die 2006 gegründete Bürgerstiftung: Das Ehepaar Inge und Walter Ott war generöser Förderer von Vereinen und Projekten.

In den vergangenen Jahren wurden seine Auftritte in der Öffentlichkeit seltener, aber von seinem Arbeitszimmer aus, dessen Wände viele Ehrenurkunden zieren, verfolgte er das Geschehen in seiner Heimatstadt, der Region und der Welt. "Die Stadt hat sich gut entwickelt", lautete sein positives Resüme, wenn er auf Pfullendorf blickte.

Zunehmend skeptischer wurde sein Urteil bezüglich der Zukunft des Landes, Europas und der Welt, denn die politischen wie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen würden sich zunehmend verschlechtern. Letztlich blieb der hochgebildete Mann aber optimistisch, dass die nachfolgenden Generationen für die drängenden Probleme auch Lösungen finden, getreu seinem Motto: "Etwas wagen, aber das Risiko sehen!"

Dr. Walter Ott

Für seine Verdienste erhielt Dr. Ott im Jahr 1984 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Die Stadt Pfullendorf verlieh ihm 1992 den goldenen Ehrenteller und ernannte ihn im Jahr 2002 zum Ehrenbürger der Stadt. In vielen Vereinen wie dem SC Pfullendorf war er Ehrenmitglied und der CDU-Stadtverband ernannte sein Gründungsmitglied zum Ehrenvorsitzenden.

Die Beerdigung findet am kommenden Mittwoch, 14 Uhr, auf dem Friedhof Pfullendorf statt. Im Anschluss ist das Requiem in der Stadtkirche St. Jakobus.