Die Heiligenberger Straße wird von den Einheimischen oft als „tot“ bezeichnet. Das kann jemand gar nicht verstehen, der jeden Tag in dieser Straße seinen Laden aufmacht. „Ich weiß gar nicht, was die Leute wollen“, sagt Shukri Gharib. Seit rund sieben Jahren betreibt der gebürtige Syrer mit deutscher Staatsangehörigkeit seinen „Gharib-Markt“ in einem Gebäude, in dem, bevor es leer stand, ein Antiquariat alte Bücher angeboten hat.
„Hier ist immer was los“, lacht er, wenn gerade mal wieder ein Auto vorbeirast, obwohl hier eine 30-Kilometer-Zone ausgewiesen ist. „Es gibt zwar schon einige Geschäfte, die leer stehen“, erzählt Gharbi, aber er hat so seinen Verdacht, woher das kommt. Manche Häuser seien von der Bausubstanz her nicht mehr zeitgemäß und vielleicht würden auch manchmal die Vorstellungen über Mietpreise nicht zusammenpassen. „Aber tot ist hier gar nichts“, ist der Mann überzeugt, der in seinem Laden neben Gemüse und Obst auch viele Dinge für die orientalische Küche anbietet. Und er hat dafür gesorgt, dass ein Schaufenster neben seinem Laden nun auch wiederbelebt ist. Da hat er eine Änderungsschneiderei eingerichtet.

Schräg gegenüber gibt es den „Welt-Laden“, der ein riesiges Sortiment an russischen und osteuropäischen Spezialitäten anbietet und wo es auch frisches Fleisch und Fisch gibt. Der Friseur hat dichtgemacht. In den Räumen ist jetzt ein Wettbüro. Die Stadt musste es genehmigen, obwohl die Anwohner dagegen waren. In Folge machte ein beliebtes Geschäft mit Kunstgewerbe zu. Geblieben ist der Optiker, der sich nicht nur um die Augen, sondern auch um die Ohren kümmert. Es gibt einen Textildiscounter gegenüber dem Hotel Adler. An dieser Stelle stand einmal eines der Stadttore von Pfullendorf, das „Gebsentor“.

Die Volksbank Pfullendorf hat seit 1975 hier ihren Sitz. „Der Standort liegt verkehrsgünstig und wir haben einen riesigen Parkplatz“, sagt Voba-Chef Werner Groß. Man habe es nie bereut aus der unteren Hauptstraße hierher zu ziehen. Zwischen der Bank und dem Hotel gibt es eine große Brachfläche. Da soll eine Seniorenwohnanlage mit Pflegeheim entstehen. Das Stadtbild wird sich dadurch sehr verändern. Und durch die Bewohner kommt dann auch wieder mehr Leben in die Heiligenberger Straße, die früher einmal eine der Haupteinkaufsrouten war. Doch das ist längst vorbei. Klar ist auch: Man kann alten Zeiten zwar nachtrauern, aber zurückholen kann man sie nicht.

In der Heiligenberger Straße gibt es übrigens mehrere hundert Arbeitsplätze. Wo die sind? Bei Alno natürlich. Das Küchenmöbelwerk hat die Hausnummer 47. Erst ab der Volksbank beginnt nämlich die Konrad-Heilig-Straße und die Heiligenberger geht in Richtung Innenstadt. Wenn man den Begriff Multi-Kulti anwenden will, dann passt er hier bestens. Ein China-Restaurant (der Eingang ist allerdings in der Alten Postgasse), eine Immobilienverwaltungsfirma, deren Chef aus Aleppo in Syrien stammt und armenische Wurzeln hat, ein russischer Laden, ein deutsches Restaurant, eine badische Bank und Menschen aus allen Herren Ländern, die hier wohnen. Hört sich gut an, oder?

„Wenn nur die Bordsteine nicht wären“, sagt Barbara Koock. Die 56-Jährige wohnt gerne hier. Aber mit dem Elektrorollstuhl „mal kurz“ in die nahe gelegene Innenstadt fahren, das ist nicht so einfach. „Menschen mit Behinderung haben es hier schwer“, sagt sie. Teilweise muss sie sich auf der Fahrbahn bewegen zwischen parkenden Autos, Lieferwagen und Autofahrern, die eindeutig zu schnell sind. Auch wer einen Rollator benutzen muss sieht sich in dieser Straße oft vor unüberwindbare Barrieren gestellt. Und es sind hier nicht wenige Senioren hier unterwegs. Denn es gibt eine Arztpraxis, Möglichkeiten für den kleinen Einkauf und gleich um die Ecke eine Seniorenwohnanlage, die schon seit einigen Jahren voll belegt ist.
Blick in die Geschichtsbücher
Der ursprüngliche Name dieser Straße lautet „Gebsengasse“ nach dem Namenspatron „Gebizo“. Hier stand auch das Gebsentor, eines der vier Stadtore. Es wurde 1844 abgebrochen, die Steine wurden verkauft. Aus ihnen wurde die Wirtschaft „Frieden“ in Mottschieß erbaut.
In den 1920er Jahren kam jemand auf die Idee, der Name habe etwas mit den „Kebsen“ zu tun, also Nebenfrauen, die sich Adlige in uralten Zeiten hielten, um für genügend Nachwuchs zu sorgen. So schreibt jedenfalls Josef Groner in seinen „Dreißig Themen zur Geschichte einer ehemals Freien Reichsstadt“. So etwas entsprach nicht dem moralischen Empfinden und deshalb wurde der Name „Heiligenberger Straße“ kreiert.
Im Dritten Reich wollte man sich auf germanische Namen besinnen und so wurde die Straße jetzt zur „Gebsentorgasse“. 1947 wollte man die Hinterlassenschaften der Nazis tilgen und änderte wieder den Namen. Er ist bis heute geblieben.
Neben der Hauptstraße war die Heiligenberger Straße viele Jahrzehnte lang eine richtige Einkaufsmeile in Pfullendorf. Hier gab es eine Drogerie und sogar ein Käsegeschäft. Und natürlich auch eine Bäckerei.

Zahlen, Zahlen, Zahlen...
207 Bewohner sind in der Heiligenberger Straße registriert.
104 davon sind männlich.
103 sind weiblichen Geschlechts.
230 Meter sind es von der Kreuzung Alte Postgasse bis Kreuzung Gartenstraße bei der Volksbank.
800 Meter sind es von der Kreuzung Gartenstraße bis zur Einfahrt Alno.
33 Plätze hat das öffentliche Parkhaus im Kik-Gebäude.
24 davon sind auf Dauer vermietet.
1 ist die Nummer des Bezirks für die Müllentsorgung

Was fehlt in meiner Straße
- Manche Anwohner wünschen sich eine Einbahnstraßenregelung und auch die Möglichkeit, mehr Parkplätze auszuweisen.
- Obwohl hier nur 30 Stundenkilometer erlaubt sind, wird sehr schnell gefahren. Vor allem auch von Motorrädern. Es sollte Abhilfe geschaffen werden.
- Die Bordsteine sind durchweg zu hoch, so dass Menschen mit Rollstühlen oder Rollatoren große Probleme haben. Gibt es eine Absenkung, dann fehlt diese auf der gegenüberliegenden Straßenseite,
- Anwohnerparkausweise für abends und die frühen Morgenstunden wünschen sich manche Menschen, die hier wohnen.
- Auf der Wunschliste steht eindeutig auch eine Bäckerei oder ein Backshop. In der vergangenen Jahren sind allerdings schon mehrere Versuche dieser Art gescheitert.
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