Die Pleite der einstigen Alno AG war vor drei Jahren, aber die Aufarbeitung der Geschehnisse dauert an, denn Gutachter haben ermittelt, dass das damalige Vorstandsteam die Insolvenz viel zu spät angemeldet hat. Nun zieht der 2017 eingesetzte Insolvenzverwalter Professor Martin Hörmann vor Gericht und klagt gegen frühere Vorstände des Küchenbauers, informiert die Deutsche Presseagentur.
„Schon 2013 zahlungsunfähig“
„Die Prüfung der zahlreichen Haftungsansprüche gegen ehemalige Vorstände, Mitglieder des Aufsichtsrats und Geschäftsführer von Tochterunternehmen ist bereits weitgehend abgeschlossen“, sagte ein Sprecher Hörmanns. „Und in einem Fall hat der Insolvenzverwalter nunmehr am 30. Juni gegen drei ehemalige Mitglieder des Vorstands Klage erhoben.“ Um wen es sich handelt und wie hoch die geltend gemachten Ansprüche sind, sagte er nicht. Das Landgericht Hechingen bestätigte den Eingang der Klage, nannte aber ebenfalls keine Details.
Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Vorstände und Geschäftsführer
Ein von Hörmann in Auftrag gegebenes Wirtschaftsprüfer-Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Alno AG schon im Jahr 2013 zahlungsunfähig war. Der Insolvenzverwalter hatte deshalb schon lange angekündigt, auf dieser Grundlage Schadenersatzansprüche gegenüber ehemaligen Vorständen und Geschäftsführern geltend zu machen. Bekanntlich übernahm der Schweizer Max Müller im Jahr 2011 den Vorstandsposten, ein Jahr, nachdem er Stellvertreter des damaligen Vorstandschefs Jörg Deisel geworden war.
Zahlungen der Alno AG an andere Gesellschaften werden geprüft
„Außerdem prüfen der Insolvenzverwalter und sein Team laufend Anfechtungsansprüche, die im Zweifel auch gerichtlich geltend gemacht werden oder wurden, sofern es zu keiner außergerichtlichen Einigung kam“, erklärte der Sprecher des Insolvenzverwalters. Dabei geht es um Zahlungen der Alno AG an andere Gesellschaften.
Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen ein Dutzend Beschuldigte
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in dem Fall wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Betruges gegen insgesamt zwölf Beschuldigte, darunter ehemalige Alno-Vorstände. Die Ermittlungen dauerten nach wie vor an, sagte eine Sprecherin. Die Insolvenz der Alno AG läuft getrennt von der längst wieder angefahrenen Küchenproduktion in Pfullendorf unter dem neuem Investor Riverrock und dem neuen Namen „Neue Alno GmbH“.

Ehemaliger Investor Tahoe fordert 60 Millionen Euro Schadenersatz
Des Weiteren wird das Insolvenzverfahren begleitet vom Streit des einstigen Alno-Großaktionärs Tahoe und dem früheren Management um den langjährigen Vorstandschef Max Müller und Finanzchefin Ipek Demirtas. Tahoe gehört zur Prevent-Gruppe der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor und war 2016 eingestiegen. Nach der Pleite erhob der Investor den Vorwurf, Müller und seine Leute hätten die wahre finanzielle Lage von Alno verschleiert, was Müller zurückgewiesen und seinerseits den Tahoe-Leuten Fehler vorgeworfen hat. Tahoe hat ebenfalls schon eine Klage eingereicht und verlangt 60 Millionen Euro Schadenersatz von Müller und Demirtas. Auch dieses Verfahren läuft noch.
Was wusste der langjährige Küchengerätelieferant zu welchem Zeitpunkt?
Ein teures Nachspiel hatte die Alno-Pleite auch für den früheren Großaktionär Bauknecht. Dem Tochterunternehmen des US-Hausgeräteherstellers Whirlpool wurde vorgeworfen, früh von der desolaten Lage bei dem Küchenhersteller Alno gewusst zu haben. Zudem hatte der Verwalter den Verdacht geäußert, dass Alno über Jahre hinweg Elektrogeräte von Bauknecht erworben habe, die „über den Preisen für vergleichbare Konkurrenzprodukte lagen“, heißt es in einem früheren Bericht des Insolvenzverwalters. Der amerikanische Mutterkonzern Whirlpool war indirekt mit einem Minderheitsanteil an Alno beteiligt.
Insolvenzverwalter einigt sich mit „Whirlpool“
Die „Wirtschaftswoche“ berichtete, dass die Amerikaner 52,75 Millionen Euro an Martin Hörmann zahlten, um den juristischen Streit beizulegen. Der rückwirkend zum 31. Dezember 2019 gültige Vergleich geht aus dem im Januar 2020 veröffentlichten Whirlpool-Geschäftsbereich hervor, wobei der Insolvenzverwalter zunächst Rückforderungen in Höhe von 174,5 Millionen Euro geltend gemacht hatte. Klar ist, dass die 52,75 Millionen Euro in die Insolvenzmasse fließen, aus denen dann die Gläubiger bedient werden.
Insolvenzverwalter nennt keine Details zum Vergleich
Auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte Insolvenzverwalter Hörmann, dass es einen Vergleich mit Whirlpool/Bauknecht gab. „Wir bitten um Nachsicht, dass wir uns wegen der Nichtöffentlichkeit des Insolvenzverfahrens nicht über Details äußern“, bleibt die Frage nach der Summe aber unbeantwortet. Ebenso gibt es keine Antwort auf die mögliche Verteilung der Gelder. Da das Insolvenzverfahren andauere und noch nicht abgeschlossen sei, werde noch geraume Zeit vergehen, bis letztlich feststehe, welche Quote den Gläubigern zusteht.
Insolvenzverschleppung
Als Insolvenzverschleppung, früher Konkursverschleppung, wird die verspätete Stellung eines Insolvenzantrages verstanden. Die Insolvenzordnung begründet eine Antragspflicht für bestimmte juristische Personen bei Vorliegen eines Insolvenz-grundes wie Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Die Insolvenzverschleppung hat eine strafrechtliche und eine haftungsrechtliche (Zivilrecht) Dimension. Dies bedeutet, dass neben der Strafbarkeit das verantwortliche Organ der Gesellschaft ,wie der Geschäftsführer einer GmbH, damit rechnen muss, für Zahlungen der Gesellschaft, die nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgt sind, persönlich in die Haftung genommen zu werden.
Aufgrund der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber aktuell die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, und zwar rückwirkend zum 1. März bis vorerst 30. September. Dies gilt aber nur für Fälle, in denen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht. Während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht von der Covid-19-Pandemie betroffener Unternehmen gewährte neue Kredite sind nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen.