Seit dem endgültigen Abzug der Post von ihrem Standort in der Bahnhofstraße fragen sich viele Pfullendorf, was aus dem riesigen Grundstück mit seinen 2257 Quadratmetern wird? Einige Anwohner wissen seit einem knappen Monat Genaueres, obwohl sie nicht unmittelbare Nachbarn sind und deshalb vom städtischen Baurechtsamt im Rahmen der sogenannten Anwohneranhörung auch nicht informiert wurden. Auf dem Areal soll ein großes Wohnprojekt umgesetzt werden. Als Bauherr fungiert die in Kressbronn ansässige BiNova Immobilien GmbH & Co. KG.
Nachbarn: „Dimension des Projekts ist das Problem“
Vorgesehen sind mehrere Gebäudeteile mit bis zu 26 Wohnungen sowie eine Tiefgarage. Gegen die Dimensionierung des Bauprojekts regt sich Widerstand, und nach Bekanntwerden der Pläne wurden Widersprüche eingelegt, wie der Pfullendorfer Hans Günter Martin im SÜDKURIER-Gespräch erläutert. In einem vierseitigen Schreiben an Bürgermeister Thomas Kugler, den auch alle Gemeinderäte erhalten haben, erklären die Eigentümergemeinschaften der auf der anderen Straßenseite liegenden Mühlweg 4/1 und 4/2, zu denen auch Martin gehört, ihre Vorbehalte: „Wir sind nicht gegen den Bau. Es soll ja Wohnraum geschaffen werden. Aber die Größenordnung ist das Problem.“
Brief an Verwaltung und Gemeinderäte
Nach Angaben der Mühlwegbewohner sind auf den Plänen der Projektentwickler für das Postareal ihre seit November 2017 bezogenen zwei Wohngebäude gar nicht enthalten beziehungsweise als Grünfläche dargestellt. „Gründe für das Auslassen dieser Bebauung wären spekulativ“, heißt es in dem Brief an die Kommunalverantwortlichen. Ergänzt wird aber, dass die beiden Gebäude der Eigentümergemeinschaften nur drei Stockwerke haben, auf dem Postareal aber zwischen vier und fünf Stockwerke geplant seien. Weitere Probleme sehen die Unterzeichner des Briefes in der ohnehin angespannten Parkplatzsituation in der schmalen Straße, wo beispielsweise beim Abholtermin bis zu 20 Mülleimer am Straßenrand stehen.
„Historische Chance“ für städtebauliche Entwicklung
Für dieses Vorhaben werde eines der prägenden Innenstadtgebäude abgerissen, geben die Unterzeichner des Briefes zu bedenken. Sie schlagen vor, dass das nicht denkmalgeschützte Gebäude sinnvoll in eine innerstädtische Planung integriert werden sollte. „Der Stadtverwaltung bietet sich mit dieser Bauplanung eine historische Chance, das Stadtgebiet mit einer städteplanerischen Bebauung der Nachfolgegeneration zu erhalten beziehungsweise zu entwickeln“, bitten die Briefeschreiber Verwaltung und Gemeinderäte, sich für eine andere Bebauung einzusetzen.
Bauverwaltung: Zwei Baukörper mit 26 Wohneinheiten geplant
Die Leiterin der städtischen Bauverwaltung, Nadine Rade, bestätigt, dass in dem Gebäudekomplex 26 Wohneinheiten entstehen sollen, wobei zwei Baukörper geplant seien. Unter den Gebäuden sei eine Tiefgarage mit 36 Stellplätzen vorgesehen, dazu noch sieben Stellplätze im Freien. „Das Genehmigungsverfahren läuft im Moment noch, es kann nicht gesagt werden, wann eine Genehmigung erteilt werden kann, da aktuell die Planungsunterlagen für eine abschließende Entscheidung auch noch nicht vollständig sind“, ergänzt die Bauamtsleiterin.
„Rein baurechtliches Verfahren“
Auf die Frage, warum dieses Projekt, das inmitten der Innenstadt eine wesentliche Veränderung bringt, nie öffentlich vorgestellt beziehungsweise im Gemeinderat debattiert wurde, verweist die Stadtverwaltung auf Anfrage des SÜDKURIER auf das geltende Baurecht. „Es handelt sich um ein rein baurechtliches Verfahren, das ausschließlich von der Baurechtsbehörde zu entscheiden ist“, antwortet Hauptamtsleiter Simon Klaiber. Im Baurecht sei auch nicht vorgesehen, ein Vorhaben, nur weil es etwas größer ausfalle, öffentlich zur Disposition zu stellen.
Angrenzer werden im Verfahren gehört
Natürlich werde im Genehmigungsverfahren die Zufahrtssituation geprüft und die Straßenverkehrsbehörde dazu angehört, antwortet die Stadtverwaltung auf den Hinweis der Nachbarn, dass der „Mühlweg„ doch eine sehr schmale Straße sei. Man müsse klar festhalten, dass es sich beim „Mühlweg„ um eine normale Wohn- und Erschließungsstraße handele, die für die Aufnahme der hier zu erwartenden Verkehrsmengen auch ausgelegt sei.
Auf die SÜDKURIER-Frage, dass das derzeit ruhende Bauvorhaben „Linzgaublick“ an der Adolf-Kolping-Straße, das eine ähnliche Größenordnung hat, im Jahr 2017 bei einer Sitzung des Technischen Ausschusses öffentlich gemacht wurde, weist der Hauptamtsleiter darauf hin, dass das Projekt deshalb vorgestellt war, weil ein städtisches Grundstück, nämlich der Stadtgraben, davon tangiert wurde.
Baurecht sieht keine Beteiligung der Öffentlichkeit vor
Generell sehe das Baurecht beziehungsweise die Landesbauordnung eine Beteiligung der Öffentlichkeit in baurechtlichen Verfahren schlicht nicht vor, antwortet er auf die Frage, dass das Vorhaben auf dem Post-Areal das Stadtbild teilweise erheblich beeinflusse. „Wer definiert denn, ob ein Vorhaben das Stadtbild erheblich beeinflusst?“, stellt Klaiber als Frage in den Raum. Die Bevölkerung werde bei Baugesuchen nie eingeschalten, weil es hierbei keinen öffentlichen Entscheidungsprozess gebe: „Der Entscheidungsprozess ist ausschließlich baurechtlicher Natur, anders als bei Fragen der Bauleitplanung.“
„Stadt ist mit den Anliegern im Austausch“
Die Baurechtsbehörde der Stadt wende Baurecht an. Die betroffenen Angrenzer würden dabei stets angehört und hätten dann Gelegenheit, ihre Einwendungen vorzubringen. „Uns ist bekannt, dass die Anlieger bei dem geplanten Projekt auf dem Post-Areal gewisse Bedenken haben, daher steht die Stadt auch schon mit den Anliegern im Austausch und Kontakt“, ergänzt der Hauptamtsleiter.