Das aktuelle Narrenblatt hängt in einen Zeitungshalter eingeklemmt an der Lampe über dem Esstisch, es fehlt weder an der Stegstreckerfahne vor dem Fenster noch am Plakat mit dem Narrenfahrplan 2020 an der Wand. Aufgereiht auf einem Tisch wachen kleine Puppen in den Häsern der Zunft über das Geschehen.

Im Wohnzimmer steht eine Garderobe mit den Häsern der Familie

Dass bei Familie Rossknecht die Fasnet hochgehalten wird, ist nicht zu übersehen. Im Wohnzimmer sind an einer Standgarderobe vorübergehend die Narrengewänder der Familie drapiert: Ehefrau Sylvie und Tochter Virginia sind bei den Nidlern, Sohn Maxim gehört den Schnellern an und Walter Rossknecht ist Narrenpolizist – besser gesagt: Narrenbolizei. Die Uniform wird Rossknecht nur noch in diesem Jahr anziehen, um als Einzelfigur den Umzug der Stegstrecker anzuführen. „Je näher der Schmotzige kommt, umso mehr wird mir bewusst, dass ich das letzte Mal als Narrenbolizei unterwegs bin.“ Er gibt zu, dass er sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von seinem Amt verabschiedet.

Rückzug bereits 2016 angekündigt

Seinen Rückzug hat er bereits 2016 angekündigt. An wen er die Schelle weiterreichen wird, steht noch nicht fest. Die Büttelschelle und der Säbel sind die Insignien der Narrenbolizei. „Den Klang der Pfullendorfer Schelle hört man aus hunderten heraus“, behauptet Rossknecht. Zum Glück, kann man sagen.

Zwei Mal kam ihm die Schelle abhanden

Denn einmal ist es passiert, dass ihm die Schelle nach dem Narrensprung in Pfullendorf in einem Lokal gestohlen wurde. Der dreiste Dieb habe jedoch den Fehler begangen, bimmelnd durch die Stadt zu laufen. Eine Gruppe Hänsele identifizierte das typische Pfullendorfer Läuten und stellte die Schelle sicher. Ein anderes Mal erlaubte sich der Kronen-Wirt nach dem Umzug in Großschönach, die Schelle des Pfullendorfer Narrenpolizisten zu mopsen und in seinem Getränkekühlschrank zu verstecken. „Mit Karl Hiestand habe ich stundenlang danach gesucht“, erinnert sich Rossknecht.

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Als Bub lernte er das Schnellen mit einer Karbatsche aus Kälberstricken

Seit Generationen sind die Rossknechts der Fasnacht eng verbunden. Schon sein Opa und der Onkel waren Narrenmütter. Die Ernennungsurkunde seines Großvaters Fritz zum Ehrennarr der Narhalla hat noch heute einen Platz an der Wand in der Stube. Im zarten Alter von acht, neun Jahren lernte Walter Rossknecht mit einer aus Kälberstricken zusammengeknoteten Karbatsche das Schnellen – eine Kunst, die übrigens jeder Pfullendorfer beherrschen sollte, wie der 54-Jährige findet. „Nur mein Vater hatte für die Fasnet nicht so viel übrig, weil er als Bub darunter gelitten hat, dass die Fasnet die Familie jedes Mal den größten Ochsen gekostet hat.“

Seit 1895 gehört der Narrenbolizei als Einzelfigur zur Pfullendorfer Fasnet.
Seit 1895 gehört der Narrenbolizei als Einzelfigur zur Pfullendorfer Fasnet. | Bild: Kirsten Johanson

Mit 16 Jahren trat Rossknecht in die Schnellergilde ein

Im Alter von 16 Jahren trat Rossknecht in die Schnellergilde ein. „Das war damals noch eine kleine Gruppe von 16 Leuten mit Urgesteinen wie Otto Grathwohl, besser bekannt als Schuler-Bappe, Otto Löffler, Erwin Schmieder, Otto Restle, de Kramer Sepp und Walter Benz.“ Gern erinnert er sich an die Kasernenstürme in Begleitung der Bürgerwehr, an die legendären Hausbälle im „Kreuz“ und an die vielen Zunftbälle, die er als Conférencier begleitet hat.

Rossknecht war Zunftball-Conférencier und „Reisemarshall“

Denn das Moderieren des Programms in gereimter Form gehörte von 1996 bis 2019 zu den Aufgaben der Narrenbolizei. Außerdem hat Rossknecht als „Reisemarshall“ die Busfahrten zu den Auswärtstreffen organisiert und das Busbändel-System eingeführt. „Mir gefallen vor allem die Narrentreffen in den kleinen Ortschaften im Schwarzwald“, erzählt er. Ein unvergessliches und herausragendes Erlebnis sei 2016 die Schifffahrt von Überlingen nach Lindau zum dortigen Narrentreffen gewesen.

1995 war ein Bolizei-loses Jahr

Zu seinem Amt als närrischer Ordnungshüter kam Rossknecht am 11.11.1995. Bis 1994 war Charly Fehrenbach die Narrenbolizei. Er wurde nach dem Tod von Elmer Vogler 1994 kommissarisch zum Zunftmeister ernannt und 1995 zum Zunftmeister gewählt. Somit gab es in dem Jahr keine Bolizei.

Schirmmütze und Schelle gehören zur Uniform des Narrenpolizisten. Was der Puppe allerdings fehlt, ist der markante Kaiser-Wilhelm-Bart ...
Schirmmütze und Schelle gehören zur Uniform des Narrenpolizisten. Was der Puppe allerdings fehlt, ist der markante Kaiser-Wilhelm-Bart eines Walter Rossknecht. | Bild: Kirsten Johanson

Rossknecht fragte nach – und hatte das Amt

Das Fehlen der Traditionsfigur kam Rossknecht seltsam vor. In einer Beiratssitzung habe er unter dem Tagesordnungspunkt „Wünsche und Anträge“ das Thema angesprochen. „Es war nicht mein Ziel, Narrenbolizei zu werden, aber Helga Hiestand meinte, ich mit meinem schönen Bart könnte das Amt ja übernehmen. Und ich dachte: Warum nicht?“ Das Tragen einer Uniform – als Freiwilliger bei der Feuerwehr und als Soldat bei der Bundeswehr – war er ja schon gewohnt.

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2018 mit Grippe im Bett statt beim Umzug

Aus den anfangs angedachten drei bis fünf Jahren wurde schließlich ein Vierteljahrhundert. Am Rosenmäntig nicht beim Umzug dabei zu sein, sei für ihn die Höchststrafe. „2018 hatte ich Grippe. Aus der Ferne den Narrenmarsch zu hören und dann mit Fieber im Bett zu liegen, das tat weh!“

Jetzt freut er sich darauf, am Schmotzige das Narrenvolk mit Schnellen zu wecken

Nun kehrt Rossknecht also zurück in den Schoß der Schneller. Er freut sich jetzt schon darauf, wenn er am Schmotzigen Dunschdig in aller Frühe auf dem Marktplatz das Narrenvolk mit lautem Karbatschenknall wecken kann.