6. Januar, Punkt 12 Uhr auf der Überlinger Hofstatt vor der Dampfkapelle und auf dem Münsterplatz: Lautes Knallen hallt durch die Gassen der Stadt. Die närrische Zeit beginnt am Dreikönigstag lautstark mit dem Schnellen der Karbatschen. Andere haben Saubloter, Narrenwurst, Streckschere oder einen Holzsäbel. Doch was macht die Karbatsche zum wichtigsten Narrenwerkzeug der Überlinger Hänsele?
Darum ist die Karbatsche vor allem im Bodenseekreis weit verbreitet
Die Herkunft des Wortes „Karbatsche“ ist nicht eindeutig geklärt. Auf russisch und polnisch bezeichnet „Karbatsche“ eine aus Lederriemen geflochtene, schwere Peitsche. In Ungarn hieß die Lederpeitsche, die die Hirten zum Treiben ihrer Tiere schwangen, „Korbacs“, gesprochen „Korbatsch“. Die meisten glauben daher, dass die Narrenpeitsche um das Jahr 1700 aus Ungarn über Österreich nach Deutschland kam. Das würde auch erklären, warum sie besonders im Bodenseekreis weit verbreitet ist.
„Die Karbatsche zu schnellen lernt man nur ein Mal. Dann vergisst man das nicht wieder“, sagt die Narrenmutter aus Überlingen, Wolfgang Lechler. Besonders wichtig sei die Technik, weniger die Kraft. „Um das perfekt zu lernen, können Kinder gerne mal zwei bis drei Jahre benötigen.“
Daraus besteht die Karbatsche
Die Narrenpeitsche wird aus Hanf hergestellt. Das Band am Ende, das den Knall erzeugt, besteht aus Perlon. Eine Karbatsche halte das ganze Leben lang, wenn sie gut geflochten sei, sagt Wolfgang Lechler. Die Peitsche müsse immer geschmeidig laufen. „Und sie sollte nicht richtig nass werden, sonst wird sie steif.“ Bei einem Preis von 120 bis 140 Euro für eine große Karbatsche sollte das natürlich nicht passieren.

Die Karbatschen für Erwachsene sind zwischen 3,60 und 4,40 Meter lang. Je nach Größe, Gewicht und Statur eines Menschen müssen auch die Länge und das Gewicht der Karbatsche angepasst werden: „Das muss man probieren. Man spürt dann schon, was sich gut anfühlt. Die Länge und die aufgewendete Kraft müssen zusammenpassen. Da kann es auch um wenige Zentimeter gehen“, sagt Wolfgang Lechler.
Eine Verbindung wie in „Avatar“
„Dass dieses Verhältnis stimmt, ist das Wichtigste. Nur so bildet der Narr eine Einheit mit seiner Karbatsche. Ich erinnere mich da an den Film ‚Avatar‘ von James Cameron. Da verknüpfen sich die Bewohner des Planeten Pandora mit einem Nervenstrang an ihrem Hinterkopf mit den Tieren. So ähnlich ist das auch mit der Karbatsche“, sagt er schmunzelnd.
So schnellt man die Karbatsche
Die Narrenmutter erläutert: „Man fängt an, die Narrenpeitsche vor sich in einem Achter zu schwingen. Im zweiten Schritt steigt man im 45 Grad Winkel hoch und schwingt die Karbatsche leicht von oben nach unten. Man muss immer darauf achten, dass die fließende Bewegung aus dem ganzen Körper kommt. Idealerweise agiert man mit relativ wenig Kraftaufwand.“

Wichtig sei vor allem die Koordination zwischen den Beinen, dem Oberkörper und dem Arm mit der Peitsche. Nur dann könne der Knall, der durch Überschallgeschwindigkeit erzeugt wird, entstehen.
Im dritten Schritt schwingt man die Karbatsche über seinem Kopf und versucht, sie oben zu halten. Elementar sei hierbei, dass der Schwungarm immer mit dem jeweiligen gegenüberliegenden Fuß eine Linie durch den ganzen Körper bildet, erklärt die Narrenmutter.
Die Ferse dieses Fußes dürfe und solle sich abheben, ansonsten sollte man jedoch einen festen Stand haben.

Wenn die Karbatsche nicht unter Kontrolle gehalten oder falsch geschwungen werde, könne das mitunter schlimme Verletzungen nach sich ziehen.
Gerade bei hohen Geschwindigkeiten mit einer großen und schweren Karbatsche könne das für den Narr und umstehende Personen durchaus schlecht ausgehen. Wenn jemand in die Karbatsche eines Profis läuft, kann das sogar den Verlust des Augenlichts bedeuten, sagt Lechler.
Welchen Abstand man einhalten muss
„Deswegen sollten die Narren mit der Karbatsche auch stabil stehen, damit sich der Durchmesser nicht ändert. Das kann sonst ganz schön gefährlich werden. Bei meiner Karbatsche mit 3,80 Metern Länge darf sich auf keinen Fall jemand in einem fünf Meter großen Radius um mich herum aufhalten.“ Problem seien dabei oft die Unwissenden, die zu nah heran gehen würden. Für einen Überlinger sei hingegen klar, wie viel Abstand er halten muss.
Die Karbatschen-WM
In Pfullendorf findet dieses Jahr die Karbatschen-Weltmeisterschaft statt. Dort messen sich die Schneller in verschiedenen Kategorien.
In der Kategorie Kunst geht es besonders spektakulär zu: Hier werden die Karbatschen unter anderem mit beiden Händen geschwungen, mehrere Schneller erzeugen zusammen einen Rhythmus oder werfen sich ihre Peitschen gegenseitig zu.