Ein 48-jähriger Mitarbeiter klagt gegen seinen Arbeitgeber. Der Firma Geberit am Standort in Pfullendorf wird ein Verstoß gegen die Datenschutzverordnung vorgeworfen. Der Personalleiter einer der Gesellschaften soll ohne das Wissen des Klägers persönliche Daten an den Betriebsratsvorsitzenden weitergeleitet haben. Die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Ulm ist am Dienstag, 6. Mai.
Fast 30 Jahre im Unternehmen
Seit fast 30 Jahren ist der Kläger beim marktführenden Sanitärtechnikhersteller beschäftigt. Vor sieben Jahren wurde er in den Betriebsrat gewählt. „Ich gehe gerade durch die Hölle“, sagt der Mitarbeiter, der sich lange überlegt hat, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und der Presse zu schildern, was ihm in den vergangenen Jahren widerfahren ist. Er ist sich sehr wohl im Klaren darüber, dass die Veröffentlichung des Artikels möglicherweise zu seiner Kündigung führen kann. In seiner Funktion als Betriebsratsmitglied hat er aber mindestens bis zur nächsten Betriebsratswahl Anspruch auf einen gesetzlichen Kündigungsschutz.
Unzeitgemäße Betriebsvereinbarung
Der Kläger sagt im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass er im Betriebsrat versucht habe, die seiner Ansicht nach unzeitgemäße Betriebsvereinbarung zu optimieren und bestimmte Klauseln zu ändern, um die Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter zu verringern. Unter anderem forderte er einen angemessenen Zuschlag für zusätzliche Schichten an Wochenenden und bessere Möglichkeiten, das Stundenkonto auch an Werktagen abzubauen. Doch er scheiterte offenbar mit seinen Vorschlägen, fühlte sich danach sogar psychisch unter Druck gesetzt, weshalb er sich schriftlich an die Konzernleitung gewandt hatte, die sich wiederum hinter den Betriebsratsvorsitzenden gestellt haben soll.
Stufenplan zur Wiedereingliederung
Der Mitarbeiter erkrankte im Juni 2023 und musste wenige Monate später in einer psychosomatischen Fachklinik stationär behandelt werden. Ende August 2024, als er seinen Aufenthalt in der Klinik beendet hatte, unterschrieb er einen Stufenplan zur Wiedereingliederung an seinem Arbeitsplatz bei der Firma Geberit. Mit seiner Unterschrift willigte der Kläger ein, dass der Stufenplan an die Deutsche Rentenversicherung, seine Krankenkasse und seinen Arbeitgeber weitergeleitet werden darf. Aus dem Stufenplan war demnach ersichtlich, dass der Kläger in einer psychosomatischen Klinik behandelt wurde.
Das ist der Vorwurf
Nun zum Vorwurf, den die Anwaltskanzlei des Klägers schriftlich formuliert hat: Der vollständige Stufenplan soll – so die Anwaltskanzlei – mit sämtlichen Informationen an den Betriebsratsvorsitzenden weitergeleitet worden sein. Der Betriebsratsvorsitzende wiederum soll das Formular an den gesamten Betriebsrat weitergeleitet haben. Dazu äußert sich die Anwaltskanzlei wie folgt: Zur Information des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz wäre die schlichte Aussage, dass und in welchem Umfang der Kläger wieder eingegliedert wird, vollkommen ausreichend gewesen.
Sensible Daten
Und weiter heißt es in dem Schreiben der Anwaltskanzlei, das dem SÜDKURIER vorliegt: Gerade eine Personalabteilung wie auch der Betriebsrat seien äußerst sensible Stellen in einem Unternehmen, weshalb ein entsprechend umsichtiger Umgang mit den Daten von Mitarbeitern zu erwarten sei. Nachdem im Stufenplan auch die Fachrichtung der Klinik ersichtlich sei, ließen sich Rückschlüsse auf die Erkrankung des Klägers durch Personen ziehen, die hierzu definitiv nicht berechtigt seien. „Ich wurde in der Firma von mehreren Arbeitskollegen auf meine Krankheit angesprochen“, so der Mitarbeiter, der sowohl der Personalabteilung als auch dem Betriebsrat unterstellt, „dass sie mich bloßstellen wollten“.
Die Anwaltskanzlei führt in ihrer Begründung des Rechtsstreits aus, dass die Kenntnis eines möglichen Krankheitsbildes beim Kläger dazu geeignet sei, ihn am Arbeitsplatz bei den Kollegen zu benachteiligen. Auch in seinem Amt könnte sich für eine mögliche Wiederwahl in den Betriebsrat das Wissen um seine Erkrankung als äußerst negativ erweisen. Durch das Verhalten seines Arbeitgebers sei dem Mandant ein erheblicher immaterieller Schaden entstanden.
Schützenswerte Informationen
Denn der Vorwurf, dass entsprechende Informationen offenbar weitergeleitet werden sollen, sei für den Heilungsprozess mehr als kontraproduktiv. Für die Anwaltskanzlei steht fest, dass das eigene Krankheitsbild etwas sei, das zu den höchstpersönlichen und intimsten Informationen eines Menschen gehöre und schützenswert sei.
Das sagt Geberit
Die Firma Geberit wird sich daher wegen des Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung verantworten müssen. Und wie äußert sich die Firma Geberit zu den Vorwürfen? Die PR-Abteilung der Firma Geberit lässt die ihr vom SÜDKURIER gestellten Fragen mit der Bitte um eine Stellungnahme unbeantwortet. „Ich bitte um Verständnis, dass wir zu einem laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgeben“, schreibt Unternehmenssprecher Roman Sidler in einer E-Mail.
Gütetermin ohne Einigung
Da bei einem Gütetermin Ende Februar keine Einigung erzielt werden konnte, landet der Fall nun am 6. Mai vor dem Arbeitsgericht in Ulm. Die Anwaltskanzlei des Klägers hat inzwischen den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit schriftlich in Kenntnis gesetzt.