Große Unternehmen wie Volkswagen, Adidas, Mercedes Benz und Ford haben ihren Betrieb nach dem Angriff durch russische Truppen in den beiden Ländern eingestellt. In Baden-Württemberg haben Hunderte Unternehmen Geschäftsbeziehungen nach Russland oder die Ukraine. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine seien abgesehen von der humanitären Katastrophe auch für den Standort Baden-Württemberg gravierend, sagte CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut vergangene Woche in Stuttgart. Besonders betroffen seien die exportorientierten Branchen Maschinen- und Anlagenbau sowie die Automobilindustrie.

Zahl der Geschäftsbeziehungen in der Region unbekannt

Rund 1000 Unternehmen aus Baden Württemberg haben Geschäftsbeziehungen mit Russland, 540 mit der Ukraine. Weitere 280 Unternehmen hätten Geschäftsbeziehungen mit Belarus, teilte die Wirtschaftsministerin mit. Auch jeder dritte Handwerksbetrieb zwischen Ostalb und Bodensee spürt bereits wirtschaftliche Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Das hat eine Umfrage der Handwerkskammer Ulm ergeben. Die Betriebe berichten unter anderem von Lieferengpässen, Materialknappheit sowie explodierenden Energie- und Rohstoffkosten. Betroffen sind auch etliche Unternehmen im Landkreis Sigmaringen. „Konkrete regionale Zahlen stehen uns nicht zur Verfügung“, erklärt auf Nachfrage Anje Gering, Hauptgeschäftsführerin der IHK Bodensee-Oberschwaben. Zwei große bekannte Firmen im Kreis haben Werke und Gesellschaften in der Ukraine.

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Geberit schließt Keramikwerk und Vertriebsgesellschaft

Der Sanitärtechnikkonzern Geberit hat alle Aktivitäten in der Ukraine eingestellt, informiert das Unternehmen. Geberit verfügt über ein Keramikwerk in Slavuta etwa 300 Kilometer westlich von Kiew mit rund 550 Mitarbeitern sowie über eine Vertriebsgesellschaft in ukrainischen Hauptstadt Kiew mit rund 40 Mitarbeitern. Die Angestellten in der Ukraine seien größtenteils zu Hause, einige in der Armee oder im freiwilligen Zivildienst und wenige ins Ausland geflohen, hatte das Unternehmen auf seiner Bilanzmedienkonferenz berichtet.

Vertrieb in Russland arbeitet weiter

Geberit erwirtschaftet in Russland und der Ukraine zusammen rund zwei Prozent des Konzernumsatzes von zuletzt knapp 3,5 Milliarden Franken (3,3 Millionen Euro). In Russland betreibt das Unternehmen eine Vertriebsgesellschaft mit rund 70 Mitarbeitern. Der Hauptsitz der Vertriebsgesellschaft liegt in Moskau. In Russland ist der Verkauf von Produkten noch möglich. Die Geberit-Produkte würden zur Deckung des menschlichen Grundbedarfs an Wasser und sanitären Einrichtungen eingesetzt, heißt es.

Auch das Sanitärunternehmen Geberit hat in der Ukraine ein Keramikwerk und eine Vertriebsgesellschaft. Beide haben den Betrieb ...
Auch das Sanitärunternehmen Geberit hat in der Ukraine ein Keramikwerk und eine Vertriebsgesellschaft. Beide haben den Betrieb eingestellt. Das Bild zeigt den Pfullendorfer Standort im Industriegebiet Theuerbach. | Bild: Achim Mende

Claas bangt um 40 Mitarbeiter in der Ukraine

Betroffen ist auch Claas aus Bad Saulgau, Spezialist für Maschinen zur Futterernte. In der Ukraine hat Claas eine Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Kiew, in der rund 40 Mitarbeiter beschäftigt sind. Neben dem Werk im russischen Krasnodar, wo jährlich mehr als 1000 Mähdrescher gebaut und darüber hinaus Axion- und Xerion-Großtraktoren für den russischen Markt endmontiert werden, hat das Unternehmen Claas eine russische Vertriebsgesellschaft in Moskau.

Lage rund um Kiew hat sich dramatisch zugespitzt

„Wir sind im ständigen Kontakt mit den Verantwortlichen unserer Vertriebsgesellschaft. Diese halten ihrerseits über den gesamten Tag hinweg regelmäßig Kontakt mit den Mitarbeitenden im Land“, sagt Wolfram Eberhardt, Leiter der Claas-Unternehmenskommunikation, auf Nachfrage dieser Zeitung. „Nach dem sich die Lage gerade rund um Kiew zuletzt weiter dramatisch zugespitzt hat, konnten wir inzwischen einige Mitarbeitende und Angehörige, die das wünschten, mit einer eigens initiierten Aktion in einen etwas sicheren Teil des Landes evakuieren“, erklärt er. Die an die Ukraine angrenzenden Vertriebsgesellschaften wie z.B. in Polen seien in der Lage jederzeit flexibel zu helfen. Konzernintern wurde eine große Spendenaktion ins Leben gerufen.

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Folgen des Krieges im Kreis Sigmaringen nicht absehbar

Der Angriff Russlands auf die Ukraine sorgt für Bestürzung in der Region der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK). Die verhängten Sanktionen der EU als deutliches Signal an Russland sind aus Sicht der Wirtschaft unvermeidlich. Die regionale Wirtschaft hat angesichts des Krieges Verständnis für die drastischen Einschränkungen des Handels und des Zahlungsverkehrs mit Russland. „Wir gehen davon aus, dass das Russland-Geschäft bei vielen Unternehmen zunächst mehr oder weniger stillsteht. Die konkreten Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft lassen sich aktuell noch nicht abschätzen“, so Christina Palm, Bereichsleiterin Recht und Steuern International. „Alle Betriebe werden früher oder später von den steigenden Energiepreisen betroffen sein“, erklärt Anje Gering. Konkrete Zahlen, auf die Auswirkungen in der Region Bodensee-Oberschwaben lägen noch nicht vor. Klar ist, etliche Mittelständler im Kreis Sigmaringen sind auch Zulieferer für namenhafte Konzerne.