„Kie-witt, Kie-witt“ – Der Ruf des Kiebitzes erklingt in Baden-Württemberg immer seltener. Doch im Landkreis Sigmaringen setzen Naturschutzbund (Nabu) und das Land alles daran, dass der bedrohte Wiesenvogel zurückkehrt. Auf dem Acker von Landwirt Alexander Gabele auf dem Hardthof in Sauldorf brüten derzeit mehrere Paare. Die sieben Hektar große Fläche wird durch einen Elektrozaun geschützt. Der Acker wurde im Frühjahr umbrochen, dann sich selbst überlassen und ist nun eine Grasfläche, in der sich mindestens 13 Kiebitzküken mitsamt Elternvögeln aufhalten.
Kiebitze sind standorttreu
Im Frühjahr landete eine ganze Schar der vom Aussterben bedrohten Vogelart auf dem Acker. Denn Kiebitze sind standorttreu, das heißt, sie kehren immer zum ersten Brutgebiet zurück. Ein Beleg, dass in Sauldorf schon seit Jahren Kiebitze brüteten, allein, niemand hat es bemerkt, wie Landwirt Alexander Gabele Umweltministerin Thekla Walker berichtete. Sie war von Stuttgart zum Auftakt des Projekts „KiebitzLand – Hier wächst die Artenvielfalt“ nach Sauldorf gekommen.

In Baden-Württemberg sollen zwölf mindestens fünf Hektar große Kiebitz-Kerngebiete entstehen, in denen die Tiere Zuflucht finden und ihre Jungen großziehen können. Geplant sind zudem 60 Kiebitz-Inseln zwischen 0,5 und drei Hektar, die den Vögeln helfen sollen, sich im Land auszubreiten.
Zäune schützen Kiebitz-Reviere
Im Bereich der Kerngebiete und Inseln schützen Zäune und Nestkörbe die brütenden Kiebitze und ihre Gelege. Über fünf Jahre wird das Projekt im Rahmen der Artenschutzoffensive vom Land mit vier Millionen Euro gefördert.
So erhält der Landwirt einen prozentualen Nutzungsausgleich für entgangene Erträge, denn er kann die Fläche im Prinzip nicht beziehungsweise nicht optimal bewirtschaften. Auf etwa 1500 Euro je Hektar schätzt Alexander Gabele den möglichen Umsatz der Fläche, die von der Ablach und dem Seewaldbach begrenzt wird. Die Abweidung der extensivierten Ackerfläche übernehmen nach Ende der Kiebitz-Brutsaison mehrere Galloway-Rinder.
„Solche Projekte funktionieren nur mit den Landwirten“, betonte Ministerin Walker mehrfach und lobte Alexander Gabele für seine Kooperation.
Kiebitz-Bestand hat sich dramatisch verringert
Seit 1992 hat sich der Kiebitz-Bestand in Baden-Württemberg um 92 Prozent verringert, und deshalb sei gemeinsames, rasches und konsequentes Handeln notwendig. Oder wie Nabu-Projektleiter Dr. Lars Stoltze formulierte: „Sonst ist der Kiebitz auf der „Roten Liste 0“, sprich ausgestorben.“ Aktuell ist der Vogel auf der „Roten Liste 1“, sprich vom Aussterben bedroht. Ein Team aus ehrenamtlichen Gebietsbetreuerinnen und -betreuern sucht und betreut übrigens während der fünfjährigen Projektlaufzeit die geeigneten Flächen auf Acker- und Grünland.
Wo Wasser ist, ist auch der Kiebitz
Nabu-Projektleiter Dr. Lars Stoltze hofft, dass „KiebitzLand“ beispielgebend für eine artenreiche Agrarlandschaft wird. „Unter den Schutzschirm, den wir für den Kiebitz aufstellen, flüchten sich viele weitere Tier- und Pflanzenarten der Feldflur, darunter die stark bedrohten Rebhühner, Amphibien und zahlreiche Insekten.“ Nicht zuletzt berührt der Kiebitzschutz ein Zukunftsthema der Landwirtschaft: das Wasser. „Wo Wasser ist, ist auch der Kiebitz. Die Vögel brauchen flache Tümpel und offenen Boden für die Nahrungssuche.“ Vielerorts sind diese Feuchtflächen verschwunden.

In Sauldorf wurde ein solches Areal neu geschaffen, dank der unerwarteten Unterstützung durch den Biber. Das Kiebitzfeld liegt zwischen dem Seewaldbach und der Ablach, wo der Biber fünf Dämme errichtet, den Bach aufgestaut und so eine Wasserfläche geschaffen hat, in dessen Nähe sich der Vogel wohlfühlt. Nabu-Sprecher Jörg Joosty vom Nabu-Verein Mengen-Scheer-Hohentengen-Ostrach berichtete, dass man schon vor drei Jahren mit dem Kiebitz-Schutz in Sauldorf angefangen habe. Das trockene Frühjahr hat nach seinen Angaben übrigens verhindert, dass vom Frühjahrsschwarm mit etwa 45 Vögeln nur ein Dutzend Brutpaare geblieben sind, die auch spät mit der Brut begonnen hätten. Aktuell seien noch drei bis vier Gelege aktiv mit der Chance, weitere Küken zu bekommen.
Schutz vor dem Fuchs
Die Helfer kontrollieren täglich den Elektrozaun, denn der Fuchs könnte versucht haben, einzudringen. Bislang hat der größte Fressfeind der Kiebitze augenscheinlich noch kein Opfer gefunden.

Die Ministerin hatte sichtlich Freude an dem Außentermin, zumal sie schon andere Kiebitz-Projekte besucht hat. Umringt von Vertretern aus Politik und Naturschutz spähte sie durch die Objektive, um den Vogel genau zu betrachten. Auch die kleine Galloway-Herde, die später das Kiebitzland abweiden wird, hatte es Thekla Walker angetan. Mit einem Dank an alle Beteiligten verabschiedete sie sich und weiter ging es mit dem E-Dienstwagen zum nächsten Termin.