Sauldorf – Tonga? Bis vor wenigen Tagen dürfte für die meisten Menschen in unserer Region die Inselgruppe in der Südsee unbekannt und weit entfernt gewesen sein. Anders ist das im Sauldorfer Ortsteil Rast. Moana Knoll, Ehefrau von Löwenwirt Edmund Knoll, stammt aus Tonga und bangt mit ihren Verwandten vor Ort. Der SÜDKURIER hat mit ihr über die Situation auf dem Inselarchipel gesprochen.

Zehn Tage lang keine Nachrichten von der Familie
Das Erdbeben auf Tonga belastet Moana Knoll auf persönliche Weise. Ihre Mutter, vier ihrer acht Geschwister und ihre Neffen und Nichten leben in der tongaischen Hauptstadt Nuku‘alofa auf der Hauptinsel Tongatapu. Nach dem Vulkanausbruch, dem Tsunami und dem Zusammenbruch der Telekommunikation ist es Moana Knoll erst nach zehn Tagen gelungen, über die notdürftige Satelliten-Verbindung ihre Familie zu erreichen. Ihre Schilderungen beschreiben das ganze Ausmaß der Eruptionen.
Vor dem Vulkanausbruch war Tonga ein exotischer süßer Traum
Wenn sie aus der Zeit vor der Katastrophe erzählt, entstehen in der Phantasie süßliche Bilder: Tonga kann aus reicher Vegetation mit viel exotischem Gemüse und Obst schöpfen und an der Küste von mit Fischen und Meeresfrüchten aufwarten. Von Exotik ist die Insel seit dem Vulkanausbruch jedoch weit entfernt. Der Lava- und Ascheregen und die Flut haben weite Teile des Landes unter sich begraben und auch die meisten Fischerboote sind zerstört. Darunter zerstörte Häuser, Plantagen und Felder. Die Insel gleicht einer Kraterlandschaft. Das hat alle Menschen getroffen.
Lava- und Ascheregen über der Heimat
Moana Knoll schildert die psychischen Belastungen für ihre Familie. Es habe zwar bisher wenige Verletzte oder Tote gegeben, aber sie erzählt, dass der Vulkanausbruch plötzlich kam und mit ihm erst der Lava- und Ascheregen und dann der Tsunami. „Es ist sehr dramatisch“, erzählt Moana, „es muss wie in einem Film vom Weltuntergang gewesen sein: Explosionen, Dunkelheit, Ascheregen, Steinschläge – und jetzt die Angst vor Nachbeben. Ich musste auch heulen, als ich mit meiner Schwester telefoniert habe“. Mittlerweile seien Seelsorgeteams von Haus zu Haus unterwegs, um den Menschen Orientierung in der schwierigen Lage zu verschaffen.
Wasserversorgung ist das größte Problem
Das größte Problem vor Ort ist nach Angaben von Knoll die Wasserversorgung. Tongaer sind in vielen Dingen Selbstversorger. Regen ist meist die einzige Süßwasserquelle. Regenwasser wird abgefangen und zum Gärten gießen, zum Baden und Putzen oder abgekocht auch als Lebensmittel verwendet. Doch derzeit sind die Wasservorräte vergiftet, es gibt nur Konservenessen und rationiertes Wasser der internationalen Helfer. Seit der Katastrophe hat es noch nicht geregnet, obwohl das Nass von oben dringend notwendig wäre, um wenigstens einen Teil der Asche wegzuspülen.

Familie Knoll sammelt Spenden
Wie Moana Knoll helfen kann? „Das ist gar nicht so einfach“, sagt sie, „denn Hilfsgüter machen bei den langen Transportwegen und den hohen Kosten keinen Sinn“. Hilfe vor Ort ist ebenfalls nicht möglich, weil sich das Land wegen Corona im Frühjahr 2020 abgeriegelt hat. Wir haben nur die Möglichkeit, Geld für den Neuaufbau zu organisieren“, erklärt Moana Knoll. Derzeit sammelt sie mit ihrem Mann Edmund in der Familie und bei Freunden Spenden. „Aber auch einige Gäste und Lieferanten haben sich erkundigt und großzügige Geldgeschenke gemacht, wofür wir sehr dankbar sind“.
Wiederaufbau wird Jahre dauern
Der Wiederaufbau wird schwer genug, denn es muss – so Moana Knoll – mit zwei bis drei Ernteausfällen und hoher Arbeitslosigkeit gerechnet werden, da viele in der Landwirtschaft beschäftigt werden und der Tourismus wegen Corona bereits seit knapp zwei Jahren brach liegt. Die Impfquote ist mangels Impfstoff noch zu gering. Auch ist das Leben auf Tonga relativ kostspielig. Die Kaufkraft liegt im Vergleich mit deutschen Preisen bei etwa der Hälfte, das Lohnniveau ist dagegen um ein Vielfaches geringer und Bildungseinrichtungen sind ausnahmslos kostenpflichtig. Der Ausfall bei der Selbstversorgung wiegt deshalb umso schwerer.