Auch sechs Jahre nach dem Fund eines toten Babys in einem Waldstück beim Stettener Ortsteil Frohnstetten gibt es immer noch keine Spur zu dessen Mutter, die ihn entbunden hatte. Bei der Obduktion des Leichnams des Säuglings war festgestellt worden, dass der Junge noch lebte, als er im Wald zurückgelassen wurde.
Die Polizei verfolgt diesen aufsehenerregenden Fall aus dem September 2018 weiter. „Der Fall ist nicht in Vergessenheit geraten. Bei unseren Kolleginnen und Kollegen des Kriminalkommissariats Sigmaringen sind immer wieder vereinzelte Hinweise aus der Bevölkerung zu dem Fall eingegangen, die bislang nach entsprechender Überprüfung jedoch keine neue Spur ergeben haben.
Zudem wurden auch Erkenntnisse aus anderen Verfahren in die Ermittlungen einbezogen und abgeglichen. Bislang leider ohne Erfolg“, teilte Christian Sugg, Sprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg, diese Woche auf Anfrage des SÜDKURIER mit.
Es war am 3. September 2018, als ein Landwirt in Frohnstetten in seinem Wald bei einem Arbeitseinsatz ein großes Badetuch sowie eine rote Papiertüte mit dem Aufdruck „Wäsche zum Wohlfühlen“ und eben das leblose Neugeborene entdeckte. Die Tüte war mit dem Schriftzug „Conta“ bedruckt – der Name eines Textilherstellers aus dem im Nachbarlandkreis gelegenen Albstadt. Ein Foto der Tüte hatte die Polizei veröffentlicht, um Zeugen zu finden, die die Tüte bei einer Frau zuhause gesehen haben könnten. Doch auch das führte nicht zu einem entscheidenden Treffer.
Der vom zuständigen Standesamt später „Joris“ genannte Junge war kurz zuvor von der Kindesmutter lebend geboren worden – ob dies in dem Waldstück geschah blieb offen. Nach den Erkenntnissen der Ermittler hatte der Säugling etwa 24 Stunden in dem Wald gelegen. Ende September 2018 war der Junge in aller Stille auf dem Friedhof in Stetten a.k.M. beigesetzt worden.
Im Jahr 2021 hatte es neue Erkenntnisse zu diesem Fall gegeben. In der Universität Amsterdam war eine sogenannte Isotopenanalyse gemacht worden. Dabei handelt es sich um eine neue Untersuchungsmethode, die anhand von Gewebeproben des Neugeborenen Aufschlüsse über die mögliche Aufenthaltsregion der Kindsmutter liefert.
Datenanalyse aus Amsterdam
Isotopen sind unterschiedlich schwere Atomarten eines Elements, die jeder Mensch von Geburt an durch Essen, Sauerstoff und Wasser aufnimmt. Diese individuelle Isotopensignatur sagt etwas darüber aus, in welchem Klima ein Mensch gelebt hat. Demnach dürfte die Frau sich in den letzten Schwangerschaftsmonaten überwiegend in wärmeren, meeresnahen Klimaregionen, wie Frankreich, Belgien, Griechenland oder Spanien, aufgehalten haben, bevor sie nach Süddeutschland kam. Die Daten aus Amsterdam legen nahe, dass die gesuchte Kindesmutter sich einerseits während der Schwangerschaft nicht permanent in einer Region aufhielt und mutmaßlich auch nicht ihr ganzes Leben in Deutschland verbrachte. In jüngeren Jahren könnte sie auch in Osteuropa oder in Skandinavien gelebt haben. Nachdem die Daten aus den Niederlanden vorlagen, hatte die Staatsanwaltschaft eine Belohnung in Höhe von 4000 Euro für Hinweise zu der Tat ausgesetzt. Doch auch danach gab es bis heute keine Spur zur Kindesmutter oder zum Vater.
Thema bei „Aktenzeichen XY“
Im Jahr 2019 war der Fall aus Frohnstetten auch Thema in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“. Wie ein zum Säugling in Auftrag gegebenes toxikologisches Gutachten ergeben hatte, dürfte die Mutter während der Schwangerschaft Betäubungsmittel und Medikamente konsumiert und sich vermutlich in der Drogenszene bewegt haben. Bei der Autopsie des Neugeborenen waren neben Spuren von Heroin, Kokain und Schmerzmitteln auch Neuroleptika mit dem Wirkstoff Clozapin entdeckt worden. Dieses Medikament werde nur bei schweren Depressionen oder Psychosen verschrieben, sagte eine Gerichtsmedizinerin bei „Aktenzeichen XY“. Nach Ausstrahlung der Fernsehsendung waren 40 Anrufe eingegangen, die meisten mit Vorschlägen zu neuen Ermittlungsansätzen. Ein konkreter Hinweis über die Identität der Mutter oder des Vaters war aber auch dieses Mal nicht dabei.