„Wir haben keine andere Wahl und müssen wohl in den sauren Apfel beißen. Wir werden die Erhöhung akzeptieren, aber nur unter Protest!“ Irene und Armin Müller aus Walbertsweiler haben von ihrem Gasversorger, der Erdgas-Südwest, den Brief erhalten, den in den nächsten Wochen viele Verbraucher erwarten und fürchten. Der Gasversorger kündigt in seinem Schreiben an, dass sich der monatliche Bezugspreis für das Ehepaar ab 1. November von derzeit 156 Euro auf 376 Euro erhöht.
Schwierige Situation auf den Energiemärkten ist die Begründung
Eine Steigerung um rund 140 Prozent. Als Begründung verweist das Unternehmen in seinem Brief an den Haushalt in Walbertsweiler auf die schwierige Situation auf den internationalen Energiemärkten sowie die von der Bundesregierung beschlossenen neuen Umlagen: „Diese Faktoren führen leider zu einer Erhöhung ihres Gaspreises.“ Als positive Nachricht ergänzt Erdgas Südwest, dass man die geplante Umsatzsteuersenkung für Gas, die ab 1. Oktober gelten soll, vollumgänglich an die Kunden weitergegeben wird.
Protest in klaren Worten formuliert
Das Ehepaar Müller hat in seiner Antwort an den Versorger seinen Protest mit klaren Worten und massiven Schuldzuweisungen an die Bundesregierung begründet. „Wir verabscheuen diesen entsetzlichen und sinnlosen Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Aber dass wir jetzt in Deutschland einen Wirtschaftskrieg haben, ist genauso schlimm und unbegreiflich.“ Sie bezichtigen alle Abgeordneten, die den Sanktionen gegen Russland und den Waffenlieferungen für die Ukraine zugestimmt habe, dass sie damit ihre Amtseide gebrochen hätten.

Sobald sich die Lage an den Energiemärkten erholt haben, verlangt das Ehepaar aus Walbertsweiler, dass die Gaspreise angepasst und die Kunden an den Milliardengewinnen der Energiewirtschaft beteiligt werden. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER macht Armin Müller klar: „Wir sind keine Staatsfeinde. Unsere Feinde sitzen in der Ampelregierung.“ Auf die Frage bezüglich der Dauer des neuen Vertrages verweist er auf die dreiseitigen, eng beschriebenen „allgemeinen Bestimmungen“, die er erhalten hat. Darin ist ausgeführt, dass nach Ende der vereinbarten Erstlaufzeit sich der Vertrag um zwölf Monate verlängert, falls keiner der Vertragspartner zuvor von seinem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat. Bei Preiserhöhungen seitens Erdgas haben Kunden ein Sonderkündigungsrecht.
Auf Anfrage des SÜDKURIER erläutert Susanne Freitag, Referentin für Unternehmenskommunikation der Erdgas Südwest GmbH, die Situation. Aufgrund der dynamischen Entwicklungen am Energiemarkt und der Gasbeschaffungs- und Gasspeicherumlage müsse auch die Erdgas Südwest GmbH reagieren. Mit der Preisanpassung gebe man ausschließlich höhere Kosten aus der Beschaffung und die neuen staatlichen Umlagen weiter.
Unternehmen bietet Unterstützung an
Das Unternehmen sei sich der Mehrbelastung für die Kunden bewusst und biete einkommensschwächeren Haushalten an, für eine Lösung frühzeitig Kontakt mit der Firma aufzunehmen. „Gerne unterstützen wir dabei, die Heizlast zu optimieren und gegebenenfalls den Abschlag entsprechend anzupassen. Das gleiche gilt für Unternehmen und Gewerbe.“
2300 Kunden im Landkreis sind betroffen
Nach Angaben von Susanne Freitag sind von den 2400 Kunden im Landkreis Sigmaringen 2300 von der Preiserhöhung am 1. November betroffen. Nur Kunden mit laufender Preisgarantie seien ausgenommen. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer entstehen demnach Mehrkosten von jährlich 2100 Euro. Auf die Frage, ob die Erhöhung vorzeitig rückgängig gemacht wird, wenn sich überraschenderweise die Situation auf dem Energiemarkt beruhigen sollte, verweist die Pressesprecherin auf die langfristige Gasbeschaffungsstrategie. Damit werde verhindert, dass Preissteigerungen an der Börse direkt an den Kunden weitergegeben würden.
Gas ist langfristig eingekauft
Das Börsenprodukt „Gas für das Kalenderjahr 2023“ hat sich zum Beispiel zeitweilig um über das Zwanzigfache erhöht. Allerdings können kurzfristige Kurseinbrüche eben auch nicht direkt weitergegeben werden, weil das Gas langfristig eingekauft ist. Wenn das Preisniveau aber langfristig sinke, werde man diese Kostensenkungen an die Kunden weitergeben. Unternehmen sind nach Angaben der Erdgas Südwest gleichfalls von den gestiegenen Gasbeschaffungspreisen und den Umlagen betroffen. Die Beschaffung erfolge hier auf Kundenwunsch häufig kurzfristiger als bei Haushaltskunden, sodass hier – je nach Beschaffungszeitpunkt – deutlich höhere Gaspreise zu zahlen sind.
Die Erdgas Südwest GmbH wurde 2004 gegründet. Gesellschafter sind die OEW Energie-Beteiligungs GmbH und die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, die 21 Prozent, beziehungsweise 79 Prozent der Anteile halten. Nach Unternehmensangaben hat man 50 000 Unternehmen, Städte und Gemeinden sowie Privathaushalte als Kunden.