Bad Dürrheim – Tiermotive sind in der Fastnacht weitverbreitet. In Bad Dürrheimer Stadtteil Unterbaldingen auf der Ostbaar gibt es aber eine ganz besondere Gruppe. Die Tigerschweine. Was steckt dahinter, was treibt die Gruppe an und wie läuft ihre Fasnet? Und, tatsächlich: Tigerschweine gab es wirklich schon früher.
Seit November letzten Jahres haben die Tigerschweine mit Thilo Mayer einen neuen Zunftmeister. Der Unterbaldinger gibt einen kleinen geschichtlichen Einblick über die Gruppe.
Dass das Baldinger Tigerschwein als Fasnetfigur ausgewählt wurde, ist kein Zufall. Das Tigerschwein wurde Anfang des 19. Jahrhunderts auf der Ostbaar gezüchtet und unterscheidet sich von der klassischen Sau, was die Größe und die Borsten betrifft.
Lange konnten sich die Bewohner auf der Ostbaar nicht entscheiden, ob das Tier mehr einem Schwein oder einem Tiger ähnelt. Das Tier wurde nicht nur für sein außergewöhnliches Aussehen bewundert. Im Gegensatz zum Hausschwein war das Tigerschwein sehr fleischhaltig und beliebt bei Fleischliebhabern. Die Rasse ist ausgestorben, allerdings lebt sie nun als quicklebendige Fasnetfigur weiter.
Renate Schacherer hat vor 32 Jahren die Tigerschwein-Gruppe ins Leben gerufen. Lange wurde nach einem passenden Namen und einer Fasnetfigur Ausschau gehalten. Aus Offenburg wurden zahlreichen Masken nach Unterbaldingen geliefert, um sich ein paar Ideen zu holen. Für den neugeborenen Verein war klar, dass keine Hexen dabei sein dürfen, da die Szenerie schon damals mit den grusligen Langnasen überfüllt war. An einem geselligen Abend kam man auf den Namen Tigerschwein – und so ließ man sich die ersten Schemen schnitzen.
Das Häs besteht aus grau-beigen Sackleinen und ist mit Motiven versehen. Auf dem Häs sind tanzende Schweine abgebildet, Würste und Speck und die Futterpflanze der Sau. Auf der Vorderseite sind auf den Beinkleidern die Ortswappen zu sehen. Die Rückenpartie zieren die historischen Gebäude der Ortschaften Oberbaldingen und Unterbaldingen. Jede Holzmaske wird von Hand geschnitzt von einem Maskenschnitzer aus Hüfingen. An der Scheme sind echte Wildschweinborsten und Klauen angebracht.
Die Wildschweinborsten an Thilo Mayers Häs sind stolze 26 Jahre alt und noch in einem guten Zustand. Seine Wildschweinborsten und Klauen unterscheiden sich stark von dem seiner Mitglieder. Das Fell stammt von einem ungarischen Wildschwein, das nur einmal angeschossen wurde. Wildschweine in Deutschland würden mit einer Schrotflinte gejagt, was dazu führe, dass das Leder schneller auseinandergehe. Daher muss das Leder, das sich auf der Innenseite befindet, zugenäht werden.
Thilo Mayer ist seit 26 Jahren ein aktives Mitglied bei den Tigerschweinen. Sein Vater Karl Mayer ist eines der Gründungsmitglieder. Bevor Mayer Zunftmeister wurde, war er für den Fastnachtswagen zuständig und als Jugendwart tätig. Dass er so aktiv bei der Narrenzunft wirkt, ist kein Zufall. Thilo Mayer wurde an einem Fastnachtssonntag geboren und sieht dies als seine Bestimmung an. Mit 18 Jahren schloss er sich dem Verein an und brachte auch seine Ehefrau Anna und die Kinder Lukas und Julia mit.
Wie in allen Vereinen machte die Pandemie den Tigerschweinen einen Strich durch die Rechnung. Neue Mitglieder zu finden, wurde zu einer Herausforderung. Dennoch ist der Zunftmeister froh , dass sich der Verein davon erholen konnte. Im vergangenen Jahr kamen zwei neue Anwärter dazu. In diesem Jahr konnten drei Neuankömmlinge getauft werden.
Nach fast drei Jahrzehnten bei den Baldiger Tigerschweinen musste Mayer feststellen, dass sich das Vereinsleben verändert hatte. Seiner Meinung nach hat man sich früher mehr ins Geschehen eingebracht. Mittlerweile sieht es ganz anders aus. Viele sind mit der Arbeit und mit dem Privatleben genug ausgelastet, wofür das Thilo Mayer auch Verständnis hat. Dennoch hat er sich das zur Aufgabe gemacht, wieder für mehr Schwung bei den Tigerschweinen zu sorgen.
Die nächsten Wochen haben Tigerschweine alle Klauen voll zu tun. Die Ostbaarhalle für den Zunftball muss aufgehübscht werden sowie der Verkauf des Narrenblättle steht in den Startlöchern. Mit Sohn Lukas ging es für Thilo Mayer vorab schon nach Freiburg ins Regierungspräsidium. Jedes Jahr werde Vereine eingeladen, dortz ihr Häs zu präsentieren. Für Thilo Mayer war das eine große Ehre, die er gerne wahrgenommen hat.