Der große Polizei-Einsatz am 30. November hat in Blumberg für Aufsehen gesorgt. Und er ließ bei vielen Menschen Erinnerungen an den Anfang der 2000er-Jahre wach werden. Auch damals war die Polizei in der Baar-Stadt gegen radikale Muslime im Einsatz.
Damals wurde die Organisation Kalifatstaat von Metin Kaplan, dem sogenannten Kalifen von Köln, verboten. Das führte in Blumberg zum Verbot des dazu gehörigen Vereines Muslim Gemeinde Blumberg. Einige Mitglieder mussten Deutschland verlassen, so etwa der ehemalige Vorsitzende. Die anderen blieben in Blumberg – und fanden neue Räume.
In der Espenstraße
In einigen davon, darunter in dem Gebäude in der Espenstraße 5, fand die Polizei bei ihrem Einsatz in der vergangenen Woche Geld, Propagandamaterial und weitere Beweise, die dafür sprechen könnten, dass von hier aus die verbotene Organisation weiter unterstützt wird. Deren Gründer Metin Kaplan befindet sich in der Türkei, er wurde von Deutschland dorthin ausgewiesen.

Nach der Durchsuchung laufen Ermittlungen gegen sechs Beschuldigte. Wie lange das dauern wird, lasse sich laut Matthias Hörster von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nicht einschätzen: „Die Auswertung von Datenträgern gestaltet sich aber erfahrungsgemäß aufwändig.“ Die Beschuldigten sind weiter auf freiem Fuß.
Aber wie gefährlich sind sie eigentlich?
Der Kalifatstaat ist eine islamistische Vereinigung, die von dem in Istanbul lebenden Metin Kaplan geführt wird. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staates unter Ablehnung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze auf der Grundlage des Korans als Verfassung und der Scharia als allein geltenden Rechts, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
Die Vereinigung sei unanfechtbar verboten, die Mitwirkung an ihr strafbewehrt. „Eine darüber hinausgehende Aussage zu einer Gefährlichkeit der Gruppierung kann von hier nicht erfolgen“, sagt Hörster. Dazu kann sich auch die Polizei nicht äußern: „Die Vereinigung wurde vor Jahren verboten. Zur Gefährlichkeit können wir allerdings nichts sagen“, erklärt Jörg Kluge, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz.
Gewalt als Mittel
Auf Nachfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz gibt es ebenfalls keine Informationen. Die Einrichtung veröffentlicht allerdings einen jährlichen Bericht, in dem verschiedene Organisationen eingeordnet werden. So auch der Kalifatstaat. Als einer der Gründe für sein Verbot ist im Verfassungsschutzbericht 2021 zu lesen: „Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.“ In Deutschland soll es in verschiedenen Gruppen noch rund 700 Anhänger geben.
In Blumberg selbst ist zumindest in dieser Hinsicht nichts zu spüren. Zuletzt ging es dort um das ehemalige Möbelhaus Hinsch. Ehemalige Mitglieder hatten das Gebäude besichtigt. „Das hat damals für Irritationen gesorgt, weil die Interessenten mit Kölner Kennzeichen unterwegs waren“, erklärt Blumbergs Bürgermeister Markus Keller. Eine Bürgerinitiative bildete sich, die sich gegen den Verkauf an die Gruppe aussprach. Schlussendlich habe die Stadt es erworben und vor rund einem halben Jahr an einen Blumberger Unternehmer verkauft: „Wir sehen das als Förderung der lokalen Unternehmen.“
Bei den SÜDKURIER-Recherchen hatten sich etliche Blumberger zu den Vorfällen in der Stadt zwar geäußert – verzichteten aber auf die Nennung ihres Namens. Das aus Angst, irgendwelche Konsequenzen zu erwarten. Der Bürgermeister zeigt sich darüber erstaunt, „aber ich kann es auch verstehen, dass niemand seinen Namen nennen will, wenn da eine Organisation dahintersteht. Die Leute wollen auch kein theoretisches Risiko eingehen“, sagt er. Sorgen um die Sicherheit in Blumberg sieht Keller keine: „Sie leben ihre Radikalität nicht hier vor Ort aus.“