Lieber Stadtbock, Sie sind jetzt bereits seit 90 Jahren in der Stadt unterwegs. Kann es auch mal vorkommen, dass Sie keinen Bock auf die Fasnet haben?
Dass ich keinen Bock habe, sicher nicht. Ich habe immer Bock und vielleicht mal bei einem Umzug ein paar Startschwierigkeiten. Wenn die Fasnet so früh ist, dann ist es schon schwer. Wenn etwa unterm Christbaum schon das Häs liegt. Außerdem bin ich eine Einzelfigur. Ein Hansel kann auch mal daheim bleiben, der Stadtbock muss abliefern.
Welche Idee steht denn hinter dem Stadtbock, wie ist er entstanden?
Ich trat zum ersten Mal beim Zunftball 1929 im Gasthaus Reichsadler auf. Erster Bockreiter war Karl Zirlewagen, als Treiber Ludwig und Guido Hummel. Ich war zuerst auch im Privatbesitz der Familie Hummel und wurde daher früher auch oft als Stadtbock Hummel bezeichnet. Inspirationen hat man sich dazu sicher auch auswärts mal geholt, wie etwa beim Brieler Rößle in Rottweil – ebenfalls ein Scheinreiter.

Den Bock trifft ja zur Fasnet ein schlimmes Schicksal.
Ich wurde als Winterdämon ins Leben gerufen und bin so ein willkommenes Opfer für die Hexen. Von ihnen werde ich gefangen und auf dem Druidenstein geschlachtet. Mein Blut versorgt die Urhexen mit neuer Kraft, um die Fasnetzeit zu überstehen.
Die Figur hat ja auch eine sexuelle Komponente.
Das war vielleicht in den früheren Zeiten der Fall. Jetzt ist das nicht mehr so.
Aber der Bock geht schon mal ins Publikum?
Das auf jeden Fall. Ich nehme mal jemanden auf die Hörner. Klar versucht man Kinder, die ja dann doch eher mal Angst haben, auf mich zu setzen oder sie mal streicheln zu lassen. Ich bin eigentlich ein lieber Bock.
Wie wird man eigentlich Stadtbock. Sucht man sich das aus oder sagt man: Ich will das machen!
Man muss auf jeden Fall erst mal Interesse bekunden. Außerdem gibt es zwei Voraussetzungen: Den Stadtbock könnte man ja eher erfüllen, als Treiber muss man klepfen können, das ist die oberste Voraussetzung. Als Stadtbock sollte man schon rennen können. Einige machen ja auch als Kinder in der Gruppe mit und erleben dann, was der Stadtbock so alles macht, wie er mit dem Publikum umgeht und umherspringt. Das ist sicher nicht hinderlich. Früher wechselte der Stadtbock viel häufiger. Konnte sein, man war ein Jahr lang und im nächsten Jahr jemand anderes. Die Gruppe vor uns hat es allerdings 15 Jahre gemacht.
Wie lange macht es die aktuelle Gruppe denn schon?
Es ist jetzt die vierte Fasnet. Es muss in der Gruppe einfach passen, man muss sich vertragen. Man ist eher in der Dreiergruppe unterwegs, während Hexel und Hansel in einer großen Gruppe rausgehen. Es ist auch nicht so einfach, mit dem Bock in eine Wirtschaft zu gehen.

Bleibt das Gestell über die Fasnet an?
So lange wie möglich. In die Zunftschenke kommt man immer mal wieder rein. Wenn allerdings alles schon voll ist, muss man ihn nicht unbedingt reintreiben.
Wie kann man sich einen Tag als Stadtbock vorstellen?
Das hängt von der Veranstaltung ab. Bei einem Narrentreffen gibt es meist einen Einzug, bei dem ich mit dabei bin. Dann komme ich erst mal in den Stall und die Treiber und der Reiter haben ihren Spaß. Am Sonntag zum Umzug gilt es dann. Wenn am Vortag übertrieben wurde, dann muss das jetzt gebüßt werden.
Eine gewisse Grund-Fitness ist also schon von Vorteil?
Das wäre besser, aber ich habe noch nie mit dem Gestell einen Waldlauf gemacht. In Bräunlingen geht der Stadtbock am Morgen direkt in den Kindergarten. Wenn es hochkommt, ist das schlussendlich ein Tag, der bis 22 Uhr geht. Also rund zwölf Stunden als Bock.
Was macht an der Fasnet am meisten Spaß?
Man kann bei dieser Gruppe beim Umzug auch mit den Leuten Fasnet machen. Als Hansel hüpfst du starr deine Route durch und winkst ein wenig. Aber wir können ja richtig in die Leute rein. Man kann dann auch mit denen sprechen und ihnen erklären, dass ich eben manchmal etwas störrisch bin. Die Nähe ist um ein Vielfaches größer.

Worauf müssen denn die Treiber achten?
Einer läuft vor mir, einer hinter mir. Dadurch werde ich in meinen Tätigkeiten ein wenig eingeschränkt, sodass ich nur nach links und rechts kann. Darum gibt es auch noch die Säelibuäbä, die ziehen mich immer noch ein wenig, dass ich kontrolliert durch die Gassen gehe. Die müssen funktionieren und werden vorher instruiert. Sie haben ein Seil, dass ein wenig aufgewickelt ist. Wenn es robuster zugeht, lässt man etwas Luft. Sonst ziehe ich sie mit. Für alle ist die Konzentration nicht zu vernachlässigen: Die Treiber dürfen beim Klepfen das Publikum nicht treffen, ich muss schauen, dass ich irgendwie ausweichen kann. Man muss einander vertrauen, der Zwick tut weh, wenn man ihn abbekommt.
Getroffen wird man auch mal?
Ja, das passiert. Man darf nicht nachtragend sein. Irgendwann ist die Gruppe zwar eingespielt, aber wenn die Goaßel hochgezogen wird, dann kommt sie auch runter und es kann nicht mehr gebremst werden. Wenn ich in dem Moment umdrehe und in Richtung der Treiber laufe, kommt sie eben runter.
Wo ist der Bock eigentlich, wenn grad keine Fasnet ist?
In meinem Stall in der Zunftstube.
Was ist dem Bock lieber: Gras, Hafer oder das Löwenbier?
Den Treibern und dem Bockreiter ist auf jeden Fall das Löwenbier deutlich lieber.
Die Bock-Gruppe
Der Stadtbock ist ein imitierter Geißbock und eine Einzelfigur der Bräunlinger Fasnet. Wo es in anderen Gemeinden mittlerweile auch von Einzelfiguren mehrere Ausführungen gibt, haben sich die Bräunlinger dazu entschieden, den Bock allein zu lassen, damit er eine Besonderheit bleibt. Er und seine Treiber werden nicht immer von derselben Person dargestellt. Ein ganze Gruppe steckt im Wechsel in Häs von Bock und Treibern. Aktuell teilen sich die Aufgabe: Tobias Schelb, Markus Kern, Christoph Beyrle, Ralf Moßbrugger sowie Patrick und Daniel Gemeinder.