Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kind. Diese Rollenverteilung, die noch in den Fünfziger- und Sechzigerjahren dominierte, ist heute kaum mehr vorstellbar. Die meisten Ehepartner stehen sich auf Augenhöhe gegenüber: Beide kümmern sich um Haushalt und Kind – und beide gehen arbeiten. Ein Umstand, der die Einrichtungen zur Kinderbetreuung vor neue Aufgaben stellt.

Veronika Schweizer leitet den städtischen Kindergarten Bräunlingen. Das Betreuungskonzept ermöglicht es Eltern, von einer hohen ...
Veronika Schweizer leitet den städtischen Kindergarten Bräunlingen. Das Betreuungskonzept ermöglicht es Eltern, von einer hohen zeitlichen Flexibilität der Einrichtung zu profitieren. Bild: Guy Simon | Bild: Simon, Guy

Teilweise an alten Lebensmodellen orientiert

Sind in etlichen Gemeinden etwa die Möglichkeiten zur Unterbringung noch nah an vergangenen Lebensmodellen ausgerichtet, hat sich der städtische Kindergarten in Bräunlingen im Laufe der Jahre angepasst – und bietet eine hohe Flexibilität. Und dass, obwohl auch hier die Neuanmeldungen bereits an die Kapazitätsgrenzen drücken. "Wir haben erst eine neue Gruppe dazubekommen, jetzt sind wir wieder voll belegt", sagt Veronika Schweizer, Leiterin des städtischen Kindergartens. In ihrem Büro klingelt das Telefon: Wieder eine Anmeldung. Die Stadt will reagieren und im Laufe des Jahres eine neue Gruppe einrichten. Ohne die würde zu Beginn des neuen Kindergartenjahres der Platz für 18 Kinder fehlen.

Anrufe aus anderen Gemeinden

Es vergehe keine Woche, in der Schweizer nicht auch Anrufe aus anderen Städten erhalte, ob das Kind nicht in Bräunlingen untergebracht werden könne. Das liegt einerseits daran, dass in vielen Gemeinden die vorhandenen Plätze bereits belegt sind, andererseits bietet kaum eine Einrichtung solch zeitlich flexible Modelle, wie es der städtische Kindergarten in Bräunlingen tut.

Kernzeit kann flexibel gesetzt werden

Die Einrichtung hat von 7 bis 17 Uhr geöffnet. In diesem Rahmen ist es möglich, die Kernzeit von 6,5 Stunden mit den Bring- und Abholzeiten variieren zu lassen, also das Kind später in den Kindergarten bringen und auch später wieder abholen, oder eben früher. Daneben gibt es auch die Ganztagesbetreuung und sogar ein Modell mit zehn Stunden, das aber nur selten genutzt werde: "Da geht es entweder um sozial schwache Familien oder um solche, die eben voll beschäftigt sind."

Flexibilität auch bei der Elterninformation: Die gibt es seit Oktober 2017 in digitaler Form über eine Kindergarten-App.
Flexibilität auch bei der Elterninformation: Die gibt es seit Oktober 2017 in digitaler Form über eine Kindergarten-App. | Bild: Simon, Guy

Berufstätige Eltern sind froh

"Viele Eltern sind extrem froh, dass so etwas bei uns möglich ist", erklärt Schweizer. Außerdem sei man nicht dazu gezwungen, sich auf ein Betreuungsmodell dauerhaft festzulegen: Es kann monatlich gewechselt werden: "Wenn Eltern kommen und sagen, dass sie die Möglichkeit haben, mehr zu arbeiten, können wir das regeln, weil wir keine starren Zeiten haben. Die Stunden können zudem gebündelt werden." So habe man einige Eltern, die außerhalb in großen Unternehmen arbeiten, allerdings nicht Vollzeit. Die bündeln die Betreuungszeiten dann etwa auf drei Tage, an denen sie arbeiten und sind die restlichen zwei Tage der Woche eben selbst da", sagt Schweizer. Entsprechend sei es auch möglich, das Essen flexibel zu gestalten. Jeweils donnerstags wird festgelegt, wie der Bedarf in der kommenden Woche aussieht.

Stetes Abholen gehört dazu

Führt das aber nicht dazu, dass der Kindergartenalltag von Kommen und Gehen geprägt ist, und vor allem: Wird das nicht unübersichtlich: "Nein, wir wissen genau, wer wann kommt und geht", erklärt die Leiterin. Sie ergänzt: "Klar ist der Tag auch geprägt von einem stetigen Abholen, aber so ist nun mal die Lebenswirklichkeit." Der demografische Wandel, der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und die heutigen Verdienstmöglichkeiten sorgen dafür: "Aus Jux und Dollerei macht das niemand. Das ist die Realität. Konnte früher ein Partner arbeiten gehen und der andere Zuhause bleiben, müssen heute meist beide zur Arbeit."

Immer wieder angepasst

Das Modell in Bräunlingen habe sich im Laufe der Zeit entwickelt und sei immer wieder angepasst worden. Ein Umstand, der auch Politik und Stadt sei: "Wir haben einen tollen Träger. Unsere Vorschläge wurden zudem im Gemeinderat immer mitgetragen. So ist über die Jahre ein Vertrauen gewachsen", so Schweizer. Ein weiterer Vorteil, den der städtische Kindergarten genießt: es gibt noch Platz zur Erweiterung. Aktuell bereits wichtig, soll in Zukunft eine neue Gruppe eingerichtet werden.