Wenn Liliya Blenkle morgens aufsteht, dann ist auch immer die Angst mit dabei. Jeden Tag meldet sie sich bei ihrer Schwester, die sich mit ihrem 21-jährigen Sohn noch in der Ukraine befindet. Vor dem Krieg sind sie in Richtung Westen geflohen, halten sich jetzt in Lwiw auf, nahe der polnischen Grenze.

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Der Krieg beginnt

Liliya Blenkle hat mittlerweile ihren Lebensmittelpunkt in Bräunlingen. Hier ist sie verheiratet, hat Kinder. Sie ist allerdings gebürtige Ukrainerin. Und ihr Herz hängt auch an jenem Land und den Menschen, die derzeit einer russischen Militär-Offensive ausgesetzt sind. Für Blenkle beginnt der Krieg per Handy. Im Februar bekommt sie um 5 Uhr morgens eine Nachricht von ihrer Schwester: „Wir werden bombardiert.“

Wie kann man helfen?

Am Donnerstag, 24. Februar, an dem Tag, an dem der Krieg beginnt, überlegen sich Blenkles, wie sie helfen können. Eine ehemalige Kommilitonin aus Heidelberg meldet sich. Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft habe eine Hilfsaktion gestartet. Also sammeln auch Blenkles in Bräunlingen, um Hilfe in den Osten schicken zu können

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Vereine helfen

„Über Zunftmeister Matthias Reichmann und die anderen Vereine ging es dann sehr schnell“, sagt Bernhard Blenkle. Schnell kommen viele Hilfsgüter zusammen, ein Notstromaggregat wird organisiert. Der Aufruf verbreitet sich über die Baar, auch über die Kreishandwerkerschaft Schwarzwald-Baar. „Wir durften eine unglaublich schnelle und großartige Hilfsbereitschaft erfahren, die bis jetzt unvermittelt anhält“, beschreibt Bernhard Blenkle.

Laster stürzt auf Autobahn

Allerdings gibt es auch Unvorhergesehenes: Ein voll beladener Laster aus Bräunlingen machte sich auf den Weg nach Heidelberg. Auf der Autobahn zwischen Appenweier und Achern in der Ortenau kommt es zum Unfall. Auf der linken Seite der Antriebsachse haben sich die Radmuttern gelöst – und die Räder gingen verloren. Der Laster schleuderte hin und her und kippte schließlich komplett auf die Seite. Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt

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Und in diesem Unglück zeigt die Feuerwehr Offenburg Einsatz: Die Hilfsgüter werden auf ein Logistikfahrzeug der Feuerwehr umgeladen. Die Leute der Wehr fahren das Material schließlich bis nach Heidelberg – und helfen dort noch beim Aufladen.

Integrationscafé soll entstehen

Blenkles sind dankbar über die große Hilfsbereitschaft und wollen sich weiter engagieren. Unterstützung bekommen sie jetzt auch vom Bräunlinger Theo Huber, der sich zuvor bei der Katastrophenhilfe nach der großen Flut im Ahrtal eingesetzt hat: 'Er sucht aktuell eine Halle', erklärt Liliya Blenkle. Die studierte Dolmetscherin setzt sich jetzt für eine Art Integrationscafé ein, das die Ukrainer besuchen können, die bereits in der Region sind.

Sorgen um die Schwester

Blenkles Schwester wird die Ukraine wohl nicht verlassen. Der Sohn dürfte nicht über die Grenze, in seinem Alter könne er eingezogen werden, um ebenfalls zu kämpfen. „Sie arbeiten in Lwiw aktuell, um bei der Organisation der Hilfsgüter zu helfen. Sie hat mir dann ein Bild von einem Frachtbrief der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft geschickt. Das Material von hier kam direkt zu meiner Schwester“, sagt Blenkle. Gefühlt melde sie sich jede Stunde bei ihr. In Lwiw sei es noch verhältnismäßig ruhig, die Alarmsirenen schrillen jedoch auch schon. „Zwei Tage bevor der Krieg begann habe ich noch zu ihnen gesagt, dass sie doch bei uns vorbeikommen sollen. ‚Es wird schon nichts passieren‘, haben sie gesagt.“

Treffpunkt: Bräunlingen

Irgendwie werde man sich wieder finden, sollte etwas passieren. Treffpunkt: Bräunlingen, Deutschland. So war es auch für Blenkles Eltern Stepan und Valentyna Pishchuk. Sie haben es mittlerweile nach Bräunlingen geschafft und sind in Sicherheit. Der Weg in die Zähringerstadt war indes kein leichter. Die Eltern leben eigentlich in Donetsk, das sich in der Volksrepublik Donbass befindet – also jenem Gebiet, das im Osten des Landes bereits von russischen Separatisten besetzt wurde. Eine Flucht nach Westen: unmöglich. Dort tobt der Krieg. Also müssen sie irgendwie über Russland bis nach Deutschland kommen.

In der Stadt Kramatorsk im Osten der Ukraine steigen Anfang März auf dem Bahnhof Menschen in den Evakuierungszug ein.
In der Stadt Kramatorsk im Osten der Ukraine steigen Anfang März auf dem Bahnhof Menschen in den Evakuierungszug ein. | Bild: Andriy Andriyenko/dpa
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Über Russland nach Deutschland

Die Furcht: Klappt das mit den ukrainischen Pässen reibungslos? Von Rostov geht es mit dem Zug nach St. Petersburg, von dort schließlich nach Talinn. Mit dem Flieger nach Zürich und schließlich nach Bräunlingen: „Eine Frau hat meine Eltern begleitet – und ihnen gezeigt, wie man sämtliche Nachrichten vom Handy löscht.“ Russische Soldaten kontrollieren die Inhalte der Mobiltelefone. Jetzt bleibt jedoch die Sorge über die Tochter in Lwiw.

Ein Ende des Krieges

Die Hoffnung für Liliya Blenkle sei jetzt, „dass es irgendwann einmal aufhört“. Eigentlich hatte die Familie geplant, an Pfingsten nach Lwiw und Kiew zu fahren. „Man sich kaum vorstellen wie es ist, jeden Tag anzurufen und nicht zu wissen, was einen erwartet“, sagt Blenkle. Sie wünscht sich, dass noch mehr Russen auf die Straße gehen und gegen den Krieg demonstrieren: „Wenn da eine Million unterwegs sind – so viel Polizisten gibt es gar nicht.“ Allerdings seien viele durch das russische Fernsehen bereits „entsprechend geimpft“. Blenkle sieht in dem Angriff die Umsetzung von Putins Allmachtsfantasien, „die Sowjetunion wieder aufleben zu lassen“.

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Einigkeit auf der Welt

Sie ist allerdings froh über die Einigkeit auf der Welt zur aktuellen Situation. „Sogar die Schweiz unterstützt die Sanktionen“, sagt sie. Mit ihren Eltern unterhält sie sich übrigens auf Russisch: „Natürlich können wir ukrainisch. Aber etwa auch in Kiew sprechen 70 Prozent der Leute russisch.“ Dass man die Sprache verbieten wolle, sei daher russische Propaganda.