Im Bräunlinger Ortsteil Bruggen geht es beschaulich zu, knapp 100 Menschen leben hier, man kennt sich und man hält zusammen. So ähnlich war das auch im Jahr 2014, als sich die Dorfgemeinschaft mit Landwirt Reinhold Moßbrugger einig wurde und sich in Sachen Wärmeversorgung gemeinsam unabhängig von Strom, Gas oder Heizöl gemacht hat.
Mittlerweile werden über 20 Häuser in Bruggen über ein Wärnmenetz mit der Abwärme der Biogasanlage von Reinhold Moßbrugger und seinem Sohn Markus Moßbrugger beheizt. Für Sicherheit gegen Ausfälle sorgen ein Pufferspeicher sowie ein zusätzliches Dieselaggregat. Bislang, berichtet Initiator Reinhold Moßbrugger, funktionieren die Anlage und das Wärmenetz ohne Fehlstunden. „Die Leute sind zufrieden“, so seine Einschätzung.
Jegliche andere Emotion wäre in der aktuellen Situation auch ungewöhnlich, blickt man auf die Kostenexplosion bei fossilen Energieträgern durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In Bruggen blieben die Verbraucherpreise in den ersten fünf Jahren unverändert. Erst im sechsten Jahr, noch vor Kriegsausbruch, habe man sich auf einen Anstieg um einen Cent pro Kilowattstunde Wärme geeinigt. Ein Klacks im Vergleich zu anderen Energieformen.

Und: „Damit kommen wir aus und können gestiegene Kosten ausgleichen, wie etwa beim Getreide“, erklärt Moßbrugger. Und es kommt noch besser: Vor 2024 sei keine weitere Erhöhung nötig, so seine Prognose. Aktuell belaufen sich die Kosten, je nach Hausgröße und Verbrauch, teils deutlich unter zehn Cent pro Kilowattstunde.
Die zu zahlende Summe errechnet sich aus einem Grundbetrag plus tatsächlichem Verbrauch. Einige Dorfbewohner hatten sich auch finanziell am Projekt beteiligt und haben dadurch geringere Verbrauchskosten.
Ein Gemeinschaftsprojekt
Als die Dorfgemeinschaft sich damals für das Gemeinschaftsprojekt entschieden hatte, da dachte wohl noch niemand daran, dass ein Krieg in Europa einmal Energiepreise explodieren lassen würde, geschweige denn, dass gar ein Gaslieferstopp droht. Doch genau das ist jetzt der Fall.

Der mutige Schritt von damals zahlt sich heute aus. „Am Stammtisch sprechen wir schon über die Krise, sind aber gelassen, was unsere Energiepreise angeht“, verrät Reinhold Moßbrugger. Ihm liegt das familiäre Miteinander im Dorf am Herzen. Die Jahresabrechnungen verteilt er jedes Jahr persönlich im Ort.
Schon alleine deshalb wollen er und jetzt auch sein Sohn Markus nicht unbegründet an der Preisschraube drehen. Kosten werden immer offengelegt, Entscheidungen gemeinsam gefällt.
Biogas bald Auslaufmodell?
Bis 2030 ist der Strompreis, den die Moßbruggers für die Einspeisung vom Stromversorger bekommen, gesichert und damit auch grob die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage. Wie es danach weitergeht, wenn man den produzierten Strom an den Energiebörsen selbst vermarkten muss, das sei nur schwer absehbar, so Markus Moßbrugger, der Schritt für Schritt die Zügel von seinem Vater übernimmt und seit Juni ganz frisch auch die Hauptverantwortung des Betriebs innehat.

Er geht anhand aktueller Marktpreise davon aus, dass sich die Biogasanlage dann nicht mehr rechnet. Das Wärmenetz im Ort will er aber weiter versorgen, dann eventuell mit einer neuen Hackschnitzelanlage. Vielleicht verändern sich bis dahin aber auch wieder die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, sodass Biogas wieder an Attraktivität gewinnt.
Das plant die Stadt für die Zukunft
Bräunlingens Bürgermeister Micha Bächle ist froh über dieses Projekt: „Das Nahwärmeangebot in Bruggen ist nicht nur in Zeiten von steigenden Preisen wichtig, sondern auch ein guter Beitrag zum Klimaschutz. In Zukunft werden solche Projekte immer wichtiger in Sachen Preisstabilität, Versorgungssicherheit und Klimawandel.“
Das unterstreicht Bächle mit weiteren Ansätzen in der Stadt. Aktuell sei der Aufbau eines regenerativen Nahwärmenetzes in der Altstadt in Planung. „Das Projekt haben wir schon 2021 initiiert, durch die aktuelle Energiekrise hat es aber nochmals an Bedeutung gewonnen“, sagt der Bürgermeister.
Darüber hinaus sei die Stadt dabei mit den Städten Donaueschingen und Bad Dürrheim eine kommunale Wärmeplanung für die Gesamtstadt zu erstellen. „Seit einigen Jahren ist unser Gewerbegebiet Niederwiesen bereits komplett an eine regeneratives Nahwärmenetz angeschlossen“, so Bächle.
Mauenheim startet den Trend
Auch in Mauenheim können viele Bewohner drohenden Preissteigerungen auf den Energiemärkten relativ gelassen entgegen sehen. Bereits vor 16 Jahren wagte der Immendinger Ortsteil als erstes Bioenergiedorf in ganz Baden-Württemberg den Schritt in die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern.
Jetzt, viele Jahre später, könne sich viele Bewohner über konstante Preise freuen. „Im vergangenen Jahr hatten Kunden einen Arbeitspreis von 6,89 Cent netto je Kilowattstunde Nutzenergie zu bezahlen, rechnet Vorstand Bene Müller von der Firma Solarcomplex aus Singen vor. Das Unternehmen hatte das Projekt zusammen mit ortsansässigen Landwirten und mit finanzieller Unterstützung des Landes Baden-Württemberg damals realisiert.

„Dieser wird laut Preisgleitklausel um einen jährlichen Inflationsausgleich von 2,5 Prozent erhöht“, fügt Müller hinzu. Im Vergleich zu anderen Wärmenetzen gebe es auch keinen Grundpreis. „Das ist extrem günstig.“ Zu günstig?
Bioenergiedorf zahlt Lehrgeld
„Das Bioenergiedorf in Mauenheim war das erste in ganz Baden-Württemberg, folglich auch unser erstes“, erzählt Müller. Als Anfänger mache man Fehler, so sei es auch bei Solarcomplex gewesen. „Wir haben zum Beispiel aufgrund falscher technischer Annahmen den Wärmepreis zu niedrig kalkuliert und dann auch noch Verträge über 20 Jahre abgeschlossen. „ Darüber können sich nun Kunden freuen. „Für uns war es teures Lehrgeld“, so Müller.

Er zieht dennoch eine positive Bilanz. „Ohne Mauenheim und die positive Resonanz dort hätten wir auch alle folgenden Wärmenetze nicht machen können“, ist er sich sicher. Insgesamt betreibt Solarcomplex Wärmenetze in 20 Gemeinden. „Mauenheim war die erste Perle an der Kette. Es werden weitere folgen.“
Riesiger Ansturm
Da kann sich Müller sicher sein, denn seit dem Krieg gegen die Ukraine und den damit verbundenen Turbulenzen auf den Energiemärkten werde Solarcomplex förmlich von Interessenten überrannt. „Von Gewerbetreibenden, die umgehend eine Photovoltaikanlage auf ihr Dach wollen, um Stromkosten zu sparen, oder von Hauseigentümern, die an bestehende Wärmenetze nachträglich anschließen wollen, um die günstigen Konditionen zu nutzen. Und von Bürgermeistern, die ganze Wärmenetze in ihren Gemeinden planen lassen wollen“, zählt Müller auf.
Das könne die Firma allerdings nicht ansatzweise leisten. Viele Anfragen müsse man absagen. „Man kann die kollektiven Versäumnisse von zehn Jahren nicht in drei Monaten aufholen.“ Durch die aktuelle Energiekrise müsse man jetzt durch. „Schön wäre es, wenn wir wenigstens die richtigen Schlüsse daraus ziehen“, hofft Müller.
Blick in die Zukunft
Der Vorstand der Solarcomplex AG sieht regenerative Wärmenetze als ein wichtiger Baustein für die Energiewende im Wärmesektor mit wesentlich geringeren Preisausschlägen als bei fossile Energien.
2026 laufen in Mauenheim nach 20 Jahren die Verträge mit den Kunden als auch mit der Biogasanlage aus. „Ich gehe davon aus, dass die Biogasanlage weiter betrieben wird und weiterhin den größten Teil der benötigten Energie ins Netz liefert“, so Müller.
Der bestehende Hackschnitzelkessel werde modernisiert und ebenfalls weiter betrieben. Am technischen Konzept soll sich also wenig ändern. „Aber wir werden mit den Kunden und der Biogasanlage neue Verträge abschließen. Mit moderat höheren Konditionen als heute.“