Durch den Krieg in der Ukraine wollen viele Menschen in der Region unabhängig von Öl und Gas werden. Klimaschutz und Energiewende könnten ein echtes Stück vorankommen, und zwar schnell. Doch der Ausbau stockt. Die riesige Nachfrage übersteigt die Kapazitäten von Handwerksbetrieben, benötigte Teile und Materialien haben lange Lieferzeiten. In manchen Fällen werden Neukunden erst gar nicht angenommen.

Holpriger Weg in die Energiezukunft

Der Wille zum Wandel ist in der Bevölkerung vorhanden, das nötige Geld offenbar auch. Nur der Weg in ein neues Energiezeitalter ist derzeit holprig und teilweise komplett versperrt. Was tun also? Eine Umfrage.

Lange Wartezeiten

Dieses Szenario kann Alfred Bruttel bestätigen. Er ist Geschäftsführer der Neue Energien Projekt GmbH in VS-Villingen. Seine Firma plant, baut und betreibt Solarstromanlagen in unterschiedlichsten Größen.

Seit Kriegsausbruch hat die Nachfrage nach Photovoltaik-Modulen (PV) und Speichern auch bei seiner Firma deutlich zugelegt. Mit der Folge, dass Neukunden, wenn sie jetzt einen Auftrag erteilen, vermutlich erst im Frühjahr 2023 ihre Anlagen in Betrieb nehmen können.

Bruttel Alfred, Geschäftsführer Neue Energien Projekt GmbH
Bruttel Alfred, Geschäftsführer Neue Energien Projekt GmbH | Bild: Hahne, Jochen

Gründe für diesen Stau sieht Bruttel einerseits in den eigenen Kapazitäten. „Uns fehlen Fachkräfte für die Installation auf dem Dach.“ Andererseits würden Lieferengpässe der einzelnen Komponenten den noch schnelleren Ausbau bremsen.

Während man bei den PV-Modulen selbst noch relativ gut versorgt sei, komme es bei Wechselrichtern und Akkus zu teils langen Lieferzeiten. Als Grund für die Verzögerungen bei den Batterien vermutet der Fachmann eine Konkurrenzsituation mit der Elektromobilität.

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Was tun also, bis alle benötigten Teile verfügbar sind und die Installateure wieder Zeit haben?

Vorerst hilft nur sparen

„Ich bedauere es sehr, dass viele erst durch diesen völkerrechtswidrigen Krieg erkannt haben, welche Abhängigkeiten im Energiebereich im Laufe der Zeit entstanden sind“, sagt Landtagsabgeordnete Martina Braun von den Grünen aus dem Wahlkreis Villingen-Schwenningen.

Die Grünen hätten die Energie- und Mobilitätswende schon lange gefordert, hätten bis dato jedoch wenig Rückhalt aus anderen Parteien bekommen. Das ändere sich jetzt.

„Es ist mühsam, aber kurzfristig muss Jede und Jeder nach Stellschrauben suchen, um individuell Energie einzusparen.“
Martina Braun, Landtagsabgeordnete Bündnis 90 / Grüne

In Bezug auf die Engpässe sagt sie: „Es ist mühsam, aber kurzfristig muss Jede und Jeder nach Stellschrauben suchen, um individuell Energie einzusparen“, und fügt hinzu, dass Energie derweil für alle Bürger bezahlbar bleiben müsse, was klar die Aufgabe des Bundes sei.

Ab Mai gilt Photovoltaik-Pflicht für Neubauten

Im Land habe man ab Mai dieses Jahres die PV-Pflicht auf Neubauten eingeführt. „Ich weiß auch, dass es Engpässe bei PV-Modulen und Handwerksbetrieben gibt. Ich bin dennoch froh, dass schon viele Häuslebesitzer, Landwirte und Gewerbebetriebe ihre Dächer mit PV-Anlagen bestückt haben. Das muss auch so weitergehen.“

Martina Braun, Grüne
Martina Braun, Grüne | Bild: Grüne SWB

Frank Bonath, Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Villingen-Schwenningen für die FDP, sagt: „Der Ausbau der PV-Anlagen scheitert aktuell vor allem an fehlenden Handwerkerressourcen und daran, dass fehlende Komponenten nicht lieferbar sind.“

Pragmatische Lösungen suchen

Er ist überzeugt, dass man jetzt pragmatische, unbürokratische Regelungen benötigt und energiepolitisch neu denken muss. „Alle Optionen und vorhandene Potenziale, die uns jetzt dabei helfen, die Energieabhängigkeit von Russland schnellstmöglich zu beenden, müssen auf den Tisch und nach aktuellen wissenschaftlichen Fakten auf deren technische Möglichkeiten und Sicherheit überprüft werden“, so Bonath.

„Die Kernkraftwerke würden auch im Weiterbetrieb CO2-armen Strom bereitstellen, der mit günstigen und stabilen Erzeugungskosten die Entwicklung am Strommarkt stabilisieren würde.“
Frank Bonath, FDP-Landtagsabgeordneter

Dabei sei auch zu erwägen, ob ein befristeter Weiterbetrieb der verbliebenen drei Kernkraftwerke sinnvoll zu bewerkstelligen sei und bereits stillgelegte Kernkraftwerke wieder angefahren werden könnten. „Die Kernkraftwerke würden auch im Weiterbetrieb CO2-armen Strom bereitstellen, der mit günstigen und stabilen Erzeugungskosten die Entwicklung am Strommarkt stabilisieren würde.“

Frank Bonath, FDP
Frank Bonath, FDP | Bild: FDP BW

Bürokratie abbauen

Um den PV-Ausbau generell zu beschleunigen und zu vereinfachen, sei es wichtig, bürokratische Hürden abzubauen, davon ist Alfred Bruttel überzeugt. „In den letzten Jahrzehnten sind im Bereich der PV-Anlagen immer mehr Bestimmungen aufgebaut worden.“

Warum wird die Strom-Einspeisung begrenzt?

Er kann beispielsweise auch nicht verstehen, warum bis heute eine Wirkleistungsbegrenzung für PV-Anlagen vorgeschrieben ist – vor allem bei kleineren Anlagen. Die Wirkleistungsbegrenzung bedeutet, dass die Netzeinspeisung auf 70 Prozent gedrosselt werden muss. Alternativ sind Geräte zu installieren, die es dem Netzbetreiber ermöglichen, die Einspeiseleistung fernzusteuern.

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Auch das Thema bidirektionales Laden könnte den PV-Ausbau vorantreiben – also Strom-Laden in mehrere Richtungen. In Deutschland ist es jedoch noch nicht erlaubt, die Stromspeicher von Elektroautos parallel auch als Hausspeicher zu verwenden. Also eine gegenseitige Stromversorgung zwischen Haus und Auto je nachdem, ob das Auto gerade eine volle Batterie braucht oder der Haushalt Elektrizität aus der Autobatterie ziehen kann – alles gesteuert durch intelligente Systeme.

Bürokratische Regelungen abbauen

Um solche bürokratischen Hürden bei den erneuerbaren Energien abzubauen, habe die Landesregierung eine Arbeitsgruppe gegründet. „Die widmet sich dem Thema des Bürokratieabbaus. Da gibt es schon einige Fortschritte, das konnte ich bei vergangenen Sitzungen feststellen“, verrät Martina Braun.

Frank Bonath fordert praxistaugliche Regelungen, „die einen nachhaltigen Ausbau der Bioenergie ermöglichen, die Rohstoffbasis nicht unnötig einschränken und Anlagen mit unnötigen Auflagen und Kosten überziehen.“

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Fragezeichen hinter dem Heizen mit Holz

Holz-Heizanlagen sind zuletzt immer mehr in die Kritik geraten, vor allem durch das Feinstaub-Thema. Frank Bonath sagt dazu: „Wir von der FDP VS haben uns jahrelang für Pellets- und andere Holzheizungen eingesetzt. Holz darf als CO2-neutrale Quelle gerade im Schwarzwald-Baar-Kreis nicht infrage gestellt werden.“

Kleineres Übel als Erdöl

Auch Martina Braun lehnt das nicht komplett ab: „Resthölzer zu verheizen finde ich nach wie vor eine Alternative.“ Natürlich sei eine solche Krise im Energiebereich ein Dilemma. „Feinstaub oder Erdöl. Wir wollen beides nicht, aber angesichts der Lage wäre etwa der Feinstaub aus Holzheizungen das kleinere Übel“, so Braun.

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Biogas und Geothermie

Frank Bonath sieht hier im Land vernachlässigte Potenziale im Bereich Biogas und vor allem bei der Geothermie. „Die müssen wir jetzt heben“, so der Politiker. Tiefengeothermie sei besonders effizient und es gebe starke technische Fortschritte. Besonders entlang des Oberrheingrabens und in Oberschwaben seien die Potenziale enorm.

Das Biogas sieht Bonath vor allem als Sicherheit für die Energieversorgung in den Regionen, weil es dezentral gewonnen und genutzt werden könne.

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