Mit der Verhängung einer Geldstrafe wegen 134-fachen sexuellen Kindesmissbrauchs hat das Landgericht Konstanz jetzt ein weiteres Kapitel eines elf Jahre währenden Strafverfahrens beendet. Bei dem Urteil handelt es sich um das fünfte. Ein sechster Prozess platzte im vorigen Jahr. Bislang ist nicht sicher, ob die neueste Entscheidung rechtskräftig wird. Ansonsten müsste sich das Landgericht noch einmal mit dem Familiendrama beschäftigen, das sich in den 80er-Jahren über einen langen Zeitraum unentdeckt und ungesühnt in einem kleinen Dorf auf der Baar abspielte.
Ein Lehrerehepaar, in der katholischen Kirchengemeinde sehr engagiert, lebte damals mit seinen fünf Kindern in der Gemeinde. Für die Kinder war das Leben die Hölle. Bis zur Pubertät mussten sie fast jeden Abend nach dem Waschen, teils sogar nackt, vor den Eltern in militärischem Drill antreten. Vater und Mutter unterzogen ihren Nachwuchs entwürdigenden Riechproben, insbesondere im Anal- und Genitalbereich und unter den Achseln. Selten schienen die Kinder "sauber" genug. Mehrmals, manchmal viele Male wurden sie ins Badezimmer zurückgeschickt. Dort rieben sie sich mit scharfen Seifen fast die Haut vom Leib, um endlich Ruhe zu haben. Wieder steckte der Vater den entblößten Mädchen danach die Nase ins Genitale und an den Po.
"Ich wollte Seife riechen", erklärte er den jeweiligen Richtern. Jedes sexuelle Motiv stritt er ab. In dem vor elf Jahren durch eine der Töchter eingeleiteten Strafverfahren mit Berufungen, Revisionen, Sachverständigengutachten und geplatzten Prozessen schrumpfte die Zahl der verurteilten Fälle ebenso wie das Strafmaß: Im Jahr 2010 verurteilte das Amtsgericht Donaueschingen den Vater wegen 172 Fällen des sexuellen Missbrauchs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung mit Schmerzensgeldauflage. Nach vier Berufungen und zwei geplatzten Prozessen verhängte das Landgericht jetzt nur noch eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 25 Euro. Die Hälfte davon gilt wegen der langen Verfahrensdauer als abgegolten.
Das Gericht verwies darauf, dass aufgrund schwerer Verfahrensfehler sechs Jahre vergeudet worden seien. Auch habe man berücksichtigen müssen, dass der ehemalige Lehrer durch den Verlust des Beamtenstatus und aufgrund des langen Verfahrens bereits empfindliche finanzielle Einbußen habe hinnehmen müssen. Den vom Angeklagten ursprünglich geforderten Freispruch kritisierte das Gericht als völlig vermessen. Wenn die Taten zügig nach der Anklageerhebung im Jahr 2008 verurteilt worden wären, "wären Sie und Ihre Frau im Gefängnis gelandet!", stellte der Vorsitzende Richter klar.
Schwer angekreidet wurde dem Mann auch, dass er für sein eklatantes "Erziehungsversagen" bislang immer noch nicht die volle Verantwortung übernommen habe. In einem der früheren Prozesse hatte sich der Angeklagte zu der Erklärung verstiegen, man habe damals sehr auf die Sauberkeit der Kinder geachtet, weil man sich dachte: "Lehrerkinder dürfen nicht stinken".
Im krassen Gegensatz dazu steht, dass die Kinder in einem nahezu verwahrlosten Haushalt aufwuchsen. Es wurde bekannt, dass die Kinder meist selbst für Essen oder saubere Wäsche und andere Haushaltstätigkeiten sorgen sollten. Wer nicht gehorchte oder genügte, wurde mit Gürteln und anderen Gegenständen verprügelt. Damit man die von der "Hygiene" zerschundene Haut und die blauen Flecken nicht sah, wurden die Kinder vom Schwimmunterricht befreit. Die Mutter der Kinder, die seit vielen Jahren im Ausland lebt, entlastete ihren Ex-Mann. Das Gericht machte sie jetzt mit verantwortlich für die schrecklichen Geschehnisse. Durch die schlimmen Demütigungen und körperlichen Züchtigungen hätten die Eltern ihren Kindern die Hölle bereitet, stellte das Gericht fest: "Bei Ihnen sind fünf Kinder seelisch kaputtgegangen!".