64 Prozent der Bürgermeister gaben vergangenes Jahr in einer Umfrage an, dass sie Beleidigungen, Bedrohungen oder sogar tätlichen Angriffen ausgesetzt sind. Jüngst wurde nun das Portal 'Stark im Amt' ins Leben gerufen, welches sich an alle kommunalen Amts- und Mandatsträger im gesamten Bundesgebiet richtet. Denn diese Personen übernehmen politische Verantwortung für ihre Gemeinde, Kommunalpolitik ist die Basis unserer Demokratie. Wir haben nachgefragt, wie Verwaltungschefs auf der Baar mit dieser Sache umgehen und welche Erfahrungen sie selbst damit machen.

Solche Kräfte dürfen keinen Erfolg damit haben, dass man vernünftige Amtsträger aus dem Job bringt, da muss sich auch der Staat wehrhaft zeigen.
Erik Pauly, OB in Donaueschingen

Wer Menschen bedroht oder angreift, die sich für unser Gemeinwesen einsetzen, greift immer auch unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft an. Diese Meinung vertritt Erik Pauly, Oberbürgermeister in Donaueschingen, wenn er sagt: „Solche Kräfte dürfen keinen Erfolg damit haben, dass man vernünftige Amtsträger aus dem Job bringt, da muss sich auch der Staat wehrhaft zeigen.“ Zwar handle es sich nach seinem Empfinden „wohl um wenige Einzelfälle“, dennoch dürfe es nicht sein, dass „Kollegen ihren Job aufgeben, weil sie Angst um ihre Familie haben“. Pauly hätte sich laut eigener Aussage nicht vorstellen können, „dass so etwas überhaupt denkbar ist“.

Im Landkreis wenige bis keine Probleme

Gleichwohl stellt Erik Pauly klar: „Ich habe am Rande mitbekommen, dass es bei Kollegen – nicht aus der Region – durchaus Vorkommnisse gab, die einen doch sehr bedenklich stimmen. Ich bin aber Gott sei Dank überhaupt nicht von so etwas betroffen.“ Genauso habe er von persönlich bekannten Kollegen nichts dergleichen mitbekommen. Der OB wisse auch nicht, dass es im Schwarzwald-Baar-Kreis solche Anfeindungen gegeben hätte. Dem Portal „Stark im Amt“ stehe er wohlwollend gegenüber, ohne es selbst in Anspruch nehmen zu müssen: „Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen, dass man sich darum kümmert und präventiv dagegen vorgeht. Wenn mir ähnliches schon mal widerfahren wäre, würde ich ein solches Angebot sicher auch gern nutzen.“

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Klar ist: Bedrohung kann viele Gesichter haben – etwa von der Online-Hetze bis zur Sachbeschädigung. Erik Pauly ist froh, dass das bei ihm bislang „überhaupt kein Thema“ sei. Er ergänzt: „Natürlich ist man in der allgemeinen Diskussion manchmal mit anonymen Schreiben konfrontiert. Oder es gibt Personen, die sich beschweren, aber meistens dann eben ohne, dass man überhaupt wahrnehmen kann, wo das Ganze herkommt.“ Er nehme diese Dinge auch nicht in dem Maße ernst, „dass ich mir Sorgen machen würde“. Als Grund macht der Donaueschinger Rathauschef aus, dass sich eine gewisse grundsätzliche Unzufriedenheit oftmals darin widerspiegele, „dass man seine Wut rauslässt und diese auch an Entscheidungsträger heranträgt“.

Generell beobachte Erik Pauly in den vergangenen Jahren eine gewisse Verrohung in der Kommunikation. Seines Erachtens sei das der einfachen Tatsache geschuldet, „dass man sich über das Internet austauscht und häufig das Gefühl hat, man befindet sich in einem Medium, wo man auf der anderen Seite keinen Menschen sitzen hat“. Der OB spricht davon, unschöne Fantasien auf diesem Weg in die Welt zu schreien und sich in einer gegenseitigen Argumentation so hochzuschaukeln, „dass man sicherlich auch Aussagen trifft, die man in der normalen Kommunikation niemals so tätigen würde“. Pauly hat sich laut eigener Aussage angewöhnt, auf Mails, die ihn ärgern, nicht immer unmittelbar zu antworten, sondern erst mal eine Nacht darüber zu schlafen: „Das ist vielleicht ganz gut, um dann in Ruhe zu antworten anstatt direkt in einer ähnlichen Art und Weise, wie man angeschnauzt wird, zurückzuschreiben.“ Manchmal sei es auch gut, „einfach den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und den anderen anzurufen, da kann man vielleicht auch vieles besänftigen, was schon eine gewisse Eskalationsstufe erreicht hat“.

Corona-bedingte Auseinandersetzungen

In der Regel gelinge ihm das mit der sachlichen Auseinandersetzung gut, berichtet der OB – zumindest bei vernünftigen Menschen: „Und das selbst dann, wenn sich wie in der Corona-Zeit Personen an mich wenden, die wirkliche Sorgen und Nöte haben.“ Zum Teil spreche aus den E-Mails derjenigen bereits die pure Verzweiflung, so Pauly. „Wenn man sich dann schnell meldet und spricht, trifft man verblüffender Weise sehr schnell auf Verständnis und kommt in ein gutes Gespräch miteinander – auch, wenn die Mail vorher teils sehr aggressiv formuliert war“, fügt er an.

Als Beispiele für Streitpunkte seit Ausbruch der Virus-Pandemie führt Erik Pauly zwei häufige Alltagssituationen an: Zum einen sei er mit vielen Gewerbetreibenden konfrontiert, „die die schiere Existenzangst hatten, das fing im März 2020 mit Corona an, dann kamen die Lockdowns“. Er betont: „Es gab auch mit recht große Sorgen und ein bisschen Panik.“ Das sei dann auch keine besonnene Art, in der geschrieben werde, sondern da spreche die Verzweiflung aus den Betroffenen. Der große Unterschied zu Pöblern oder Hetzern: „Aber das sind sachliche Anliegen, die man am Telefon miteinander bespricht, das klärt sich eigentlich ganz gut auf. Da habe ich es bisher immer geschafft, ein vernünftiges Gespräch zu führen“, erklärt Pauly. Darüber hinaus sei es am Ende ja nicht immer zwingend das Ziel, dass alle mit der gleichen Meinung aus dem Gespräch rausgehen, aber es sei zumindest so, dass man die Argumente des anderen gehört sowie verstanden habe.

Wer ein sachliches Problem äußert, dem versuchen wir auch zu erklären, warum er recht hat und das falsch verstanden wurde, oder warum wir es anders sehen und nicht wunschgemäß entscheiden können.
Erik Pauly, OB in Donaueschingen

Das andere Beispiel Paulys bezieht sich auf die Testpflicht in Kindergärten und Schulen. Dazu hätten sich viele Eltern „sehr besorgt bei uns geäußert, weil sie damit überhaupt nicht einverstanden sind“. In solchen Fällen versuche man zu erläutern, warum denn eine solche Testpflicht kommt. In aller Regel würde in der Folge zumindest verstanden, warum man so verfahren ist. „Wer ein sachliches Problem äußert, dem versuchen wir auch zu erklären, warum er recht hat und das falsch verstanden wurde, oder warum wir es anders sehen und nicht wunschgemäß entscheiden können“, sagt Donaueschingens OB.

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Wo bei Erik Pauly Gewalt – ob verbal oder körperlich – beginnt? Da sei er voll und ganz Jurist, entgegnet der Rathauschef: „Ich kann nicht von allen erwarten, dass sie respektvoll mit mir umgehen. Aber diejenigen müssen dann eben auch ertragen, dass ich vielleicht mit ihnen nicht mehr umgehen will – ohne, dass ich mich genötigt fühle.“ Die Spitze des Eisbergs sei immer der Beginn von Straftaten, und spätestens an dieser Stelle sei jede Grenze erreicht beziehungsweise überschritten.

Und wie geht Bürgermeister Micha Bächle mit unschönen Erlebnissen um?

Micha Bächle, Bürgermeister in Bräunlingen, hält es für „sehr sinnvoll“, mithilfe der Plattform „Stark im Amt“ eine Möglichkeit des Austausches zu bieten. „Wir haben es zum Anlass genommen, das an unsere Gemeinderäte weiterzuleiten und sie darüber zu informieren“, sagt er. Bächle sei glücklicherweise noch nicht von solch hässlichen Vorfällen betroffen gewesen, doch er ist sich laut eigener Aussage sicher, dass man sich sofort fragt, wie man darauf reagiert und was man tun soll. Er verweist auf den Tengener Bürgermeisterkollegen Marian Schreier, dessen Auto während des OB-Wahlkampfes in Stuttgart demoliert und beschmiert worden war.

Micha Bächle, Bürgermeister in Bräunlingen
Micha Bächle, Bürgermeister in Bräunlingen | Bild: Lutz Rademacher

Die Frage, wann genau eine Grenze überschritten ist, sei nicht immer einfach zu beantworten. Micha Bächle vermutet jedoch, die aktuelle Lage aufgrund der Corona-Pandemie befeuere das Thema Gewalt gegen Amtsträger zusätzlich. Immer mal wieder komme es vor, dass nicht nur er als Bürgermeister, sondern vielmehr seine Mitarbeiter in der Verwaltung mit unschönen Anfeindungen konfrontiert werden. „Das tolerieren wir nicht. Selbstverständlich kann man Kritik an uns äußern, aber bitte in einem angemessenen Rahmen“, sagt der Rathauschef. Bächle, der selbst recht aktiv bei Facebook auftritt, um den Kontakt mit Bürgern auf digitalem Weg aufrechtzuerhalten, stelle fest, dass Diskussionen in sozialen Netzwerken durchaus ausarten können. In solchen Fällen schreite er nicht selten persönlich ein: „Ich schreibe die Leute an und versuche, Dinge sachlich darzustellen oder Fragen zu beantworten.“