Donaueschingen (pm/feu) Schaut man sich die Klimabilanz an, so verfehlt der Verkehrssektor regelmäßig die gesteckten Ziele. Woran liegt das? Ist die Mobilitätswende auf dem Holzweg? Diesem Problem gingen im Rahmen der Veranstaltung „Anstöße“ im evangelischen Gemeindehaus Donaueschingen einige Verkehrsexperten nach, wie es in einer Presseinformation heißt.
Auf die Frage, was die Wissenschaft zur Problemlösung beitragen könne, sagte Professor Jochen Eckert, Verkehrsökologe an der Hochschule Karlsruhe, dass sie Verständnis schaffen und Entscheidungsträger beraten könne. Mobilität sei ein berechtigtes Grundbedürfnis, deren Konzepte aber auch tragfähig sein müssten. Angesichts der Umweltbelastungen durch die gegenwärtige Fahrzeugnutzung führe an Einschränkungen im Straßenverkehr, zum Beispiel durch einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, kein Weg vorbei. In diesem Zusammenhang verwies Eckert auf Umfragen, nach denen sich der Schienenverkehr weitaus attraktiver darstellt, als im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert sei.
Diese Position unterstützte auch Matthias Gastel, Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages und bahnpolitischer Fraktionssprecher, mit dem Hinweis, dass sich im vergangenen Bundeshaushalt die Investitionen in die Bahn verdoppelt hätten, womit eine weitere Verschlechterung der Bahn-Infrastruktur verhindert worden sei. Ziel sei natürlich, zu einer Verbesserung zu kommen. Ferner hätten die Kommunen bei der Verkehrsplanung vor Ort mehr Kompetenzen erhalten. Technisch gesehen sei die Mobilitätswende in Deutschland kein Problem. Schwieriger sei es, bei den Menschen eine Verhaltensänderung herbeizuführen.
Hermann Krafft, Mitglied im Verkehrsclub Deutschland und BUND sowie prominenter Gegner der zweiten Dögginger Brückenfahrbahn, befürwortet das Prinzip von „Zuckerbrot und Peitsche“, um die Verkehrsteilnehmer zu mehr Verantwortung zu bewegen. Seiner Meinung nach hätten Kraftfahrzeuge, zum Beispiel über die Steuerpolitik (Diesel) und das Dienstwagenprivileg zu viel Unterstützung erhalten. Diese Tendenz müsse man umkehren sowie eventuell den Parkraum in Innenstädten verknappen und die Gebühren erhöhen. Vermehrte Staus könnten eine heilsame Wirkung entfalten, sodass die im Moment zu beobachtende Ausdünnung der Nahverkehrs-Fahrpläne aufgrund zu geringer Auslastung der Busse wieder rückgängig gemacht werden könnte.
Roland Erndle, Fahrzeughändler und Kommunalpolitiker, sieht sich laut Pressemitteilung als Mittler zwischen Autohersteller und Verbraucher. Auf die Frage nach den Wünschen seiner Kunden gab er zu, dass vielen potenziellen Käufern E-Autos schlicht zu teuer sind. Sie würden oft als Zweitwagen gekauft, was auf eine finanziell eher gut situierte Käuferschicht schließen lasse. Als Händler bemängelte er, dass bei Leasingverträgen von E-Autos das Restwertrisiko beim Verkäufer liege, was angesichts des geringen Wiederverkaufswerts ein großes Risiko darstelle. Erndle verwies auf Dänemark, wo eine Erstzulassungsgebühr für Autos die Kaufentscheidungen steuern solle. Er befürworte aber eher finanzielle Anreize wie etwa eine Senkung der Stromsteuer und den Ausbau von Ladepunkten, um den gewünschten Verkauf von E-Autos zu steigern.
Klaus Peter Karger, Villinger Filmemacher, Journalist und Mitglied der „Bürgerbewegung gegen den Lückenschluss“ kritisierte die regionale Verkehrsplanung im Raum Villingen-Schwenningen. Er stellte ausführlich dar, warum seine Organisation es ablehnt, dass im Rahmen eines Autobahnzubringers 76 Millionen Euro für eine sechs Kilometer lange Straße („Lückenschluss“) ausgegeben werden sollen, die zudem durch ein Naturschutzgebiet führt und landwirtschaftlich genutzte Flächen zerschneidet.
Bei der anschließenden Diskussionsrunde im voll besetzten Saal der evangelischen Gemeinde Donaueschingen wurden zahlreiche weitere Erfahrungsberichte und Vorschläge angesprochen, wie eine Verkehrswende beschleunigt werden könnte. Ein Ausbau der Radwege, vermehrte Angebote von Car-Sharing, Weiterführung des Deutschland-Tickets, eine generelle Fahrpreisermäßigung für junge Leute und sogar ein autofreies Wochenende wurden vorgeschlagen, um Mobilität jenseits des Individualverkehrs erlebbar zu machen.
Die Reihe
Seit 17 Jahren gibt es die Veranstaltungsreihe „Anstöße“. Auf Anregung von Gerhard Bronner und unterstützt von Karin Nagel von der evangelischen Erwachsenenbildung wurde die Reihe Anstöße entwickelt. Ziel war und ist es nach eigener Beschreibung, in Donaueschingen regelmäßig zu gesellschaftlich und theologisch aktuellen Fragen Diskussionsabende anzubieten. Jährlich werden im Rahmen der Reihe vier bis fünf Veranstaltungen angeboten. Zu den Abenden, die meist im evangelischen Gemeindehaus sowie mitunter im Mariensaal stattfinden, kommen in der Regel 20 bis 50 Interessierte.Das lesen Sie zusätzlich online
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