Donaueschingen – Zarte Töne, kaum hörbar? Auch solche subtilen Klänge haben ihre Eigendynamik – als Gegenentwurf zum Lärm kriegerischer Zeiten. Elsa Bistons Installation „so fragil wie möglich“ lauscht im Museum Art-Plus solchen Regungen an der Grenze zur Stille nach, dem Tanz von Laubblättern zum Beispiel. Wer wollte, konnte bei den gerade zu Ende gegangenen Donaueschinger Musiktagen die akustische Messlatte auch ganz oben anlegen: spätabends in der Erich-Kästner-Halle bei Phill Niblocks gewaltigem Klang-Orkan etwa. Ein Tornado tobte aus den Lautsprechern, der vielen nachhaltend in Erinnerung bleiben wird.
Zwischen diesen extremen Polen, zwischen kaum wahrnehmbar und kurz vor der Schmerzgrenze, haben rund 8000 Besucher die Bandbreite der Neuen Musik in 15 Konzerten, Performances und Installationen erkundet. 8000 verkaufte Karten – das entspricht einem Plus von 20 Prozent gegenüber 2023. Die Auslastung lag bei mehr als 90 Prozent. Auch das Angebot an Einwohner aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, Karten zum Vorzugspreis von 12 Euro zu erwerben, wurde angenommen. Im vergangenen Jahr gab es 234 Interessenten. Aktuell wurden auf diesem Weg 376 Karten verkauft „Eine deutliche Steigerung“, freute sich auch Oberbürgermeister Erik Pauly.
„Mit den Musiktagen wird Donaueschingen im Oktober stets zur Hauptstadt der zeitgenössischen Musik“, fasste Pauly zusammen. „Dabei freuen wir uns über neue programmatische Impulse: Mit Projekten an unseren Schulen, mit den in Donaueschingen lebenden Geflüchteten oder mit der Klanginstallation im Kontext der Städtepartnerschaft mit Kaminoyama werden direkte Bezüge zu unserer Stadt geschaffen.“ Paulys Dank für diese wertvolle Arbeit geht an Lydia Rilling, die künstlerische Leiterin des Festivals.
Das diesjährige Motto der Musiktage lautete „alonetogether“ – die Schreibweise gibt die Richtung vor: Irgendwie hängt beides zusammen, das Intime und das Öffentliche, das einzelne Musizieren und das Zusammenfügen mit Anderen. Lydia Rilling, nun im zweiten Jahr künstlerische Leiterin des weltweit wichtigsten Neutöner-Festivals, geht weiter den von ihr eingeschlagenen Weg einer konzeptionellen Öffnung. Die Vielfalt regt Debatten an – über Meditation, Politik und Klangsinnlichkeit. In den Konzertsälen, aber auch im freien Raum, über Orte und Räume verteilt, konnten die Besucher, auch am verkaufsoffenen Sonntag, in Resonanz mit Klangkunst gehen. Ein Angebot, das sehr gerne angenommen wurde.
So konnte sich der Musikwissenschaftler Fabian Czolbe bei seinen Führungen über einen großen Zuspruch freuen. Besonders freute er sich darüber, dass er damit auch den Einheimischen einen Zugang zu den Installationen schuf. Wie etwa zu Robin Minards Arbeit „Kaminoyama Soundmarks“, die im Karlsgarten eine auditive Brücke zur japanischen Partnerstadt schlägt. Jeweils 20 Minuten nach 10, 16 und 20 Uhr kann man unter einem japanischen Kirschbaum den Glockenklängen und dem Plätschern und Rauschen der Gewässer aus Kaminoyama lauschen.
Fabian Czolbes nächste Station war die Galerie im Turm. Die Künstlerin Lilja María Ásmundsdóttir hat den Eingangsbereich der Bibliothek in ein großes Instrument verwandelt, die Besucher waren eingeladen, den klanglichen Charakter der Installation durch aktives Handeln zu verändern. Im Museum Art-Plus, das über die Festivaltage rund 2000 Besucher verzeichnete, wurden sie inmitten der Klanginstallation von Elsa Biston schließlich selbst zu Musikern. Dies war ein Höhepunkt des diesjährigen öffentlichen kostenlosen Angebots und eine gelungene Möglichkeit, den Neugierigen einen niederschwelligen Zugang zur Welt der Neuen Musik zu verschaffen.