Wer in die Galerie von Friedrich Hucke in der Karlstraße tritt, wünscht sich ein zweites Augenpaar: Hunderte Leinwände hängen dicht an dicht an den Wänden. Aus einer Ecke lacht Putin dem Betrachter mit Clownfratze ins Gesicht.

Björn Höcke steht hinter einer Metzgertheke – serviert wird aber nicht Wurst aus Schweinen, sondern aus Gartenzwergen. Olaf Scholz flüchtet mit Sack und Pack aus dem Reichstagsgebäude – auf welches im Hintergrund die Titanic prallt und untergeht. All das sind Werke seiner neuesten Ausstellung, die sich „Dystopia – die Welt, in der wir leben“ nennt.

Gesellschaftskritik und Satire

Keine Frage: Die Werke sind Gesellschaftskritik, strotzen vor Satire und beißendem Humor, karikieren das Weltgeschehen und wühlen den Betrachter auf – und rufen oftmals bei den Betrachtern starke Gefühle hervor, wie Hucke zu berichten weiß.

Derzeit läuft eine Ausstellung mit dem Namen „Dystopia – die Welt, in der wir leben.“
Derzeit läuft eine Ausstellung mit dem Namen „Dystopia – die Welt, in der wir leben.“ | Bild: Denise Kley

„Kürzlich kam ein Russe hier rein. Das Kunstwerk von Putin als Clown hat er scheinbar als persönliche Beleidigung aufgefasst.“ Der Besucher habe daraufhin den Künstler beschimpft und gewütet. So sehr, dass Hucke ihn aus dem Atelier werfen musste, wie er lachend erzählt.

Ein paar seiner Werke der neuesten Ausstellung.
Ein paar seiner Werke der neuesten Ausstellung. | Bild: Denise Kley

Eine bewegte Karriere

Doch wenn einer weiß, wie man mit unangenehmen Zeitgenossen umgeht, dann Friedrich Hucke. In den 70er-Jahren war er als Beamter bei der Kriminalpolizei im Einsatz. Er hatte mit der RAF zu tun, ermittelte in Mordfällen, hat in die Abgründe der Gesellschaft geblickt.

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1995 kehrt er der Polizei endgültig den Rücken. „Damals, nach vielen anstrengenden Jahren als Kriminalist, habe ich mich für eine Kehrtwende entschieden.“ Er zieht nach Spanien, richtet sich in einem Traumhaus am Meer bei Alcocebre El Pinar ein Atelier ein.

„Die Kunst war schon immer ein Begleiter in meinem Leben.“ Vor fünf Jahren zog er dann der Liebe wegen nach Donaueschingen, wo er sich in den Quellhöfen ein neues kreatives Refugium schaffte.

So entsteht Kunst mit der KI

Dann setzt sich Friedrich Hucke an seinen Schreibtisch und vor seinen Computer. Er tippt Prompts, also schriftliche Anweisungen, in eine Eingabemaske. Ein KI-Programm übersetzt den Text daraufhin in eine Grafik.

Was auf den ersten Blick banal aussieht, ist aber gar nicht so einfach. Die Textanweisungen müssen präzise sein. Hucke muss bei jedem Werk, das er mit der KI generiert, ein detailliertes Bild im Kopf haben. „Die KI ist für mich ein Schüler, den ich anweisen und trainieren muss.“

Mit dieser Art des Kunstschaffens ist Hucke ein Pionier. Doch der Einsatz von KI ist in der Kunstwelt umstritten. Eine im Jahr 2024 von der Stiftung Kunstfonds und der Initiative Urheberrecht beauftragte erstellte Studie zeigt zwar, dass viele bildende Künstler KI-basierte Werkzeuge bereits nutzen und auch Rezipienten offen sind für KI-Kunst.

Viele Künstler fürchten Nachteile

Bei der Mehrheit der über 3000 befragten Künstlern überwiegt jedoch die Sorge vor Nachteilen, vor Verletzungen der Urheberrechte und Einkommensverlusten und viele äußern konkrete Forderungen an KI-Unternehmen und Politik.

„Kreativer Boost durch KI“

Der 73-Jährige kann darüber nur schmunzeln. „KI ist ein Abenteuer. Derjenige, der es meidet, wird es nicht erleben und wird von den Entwicklungen überholt.“ Er hält die Kritik an der künstlerischen Verwertbarkeit von KI für übertrieben, immerhin werde aus Millionen von Bildschnipseln ein neues Kunstwerk geschaffen, das letztendlich aus einer individuellen, eigenen Idee entstehe.

2020 ist der 73-Jährige in das Atelier in der Karlstraße gezogen.
2020 ist der 73-Jährige in das Atelier in der Karlstraße gezogen. | Bild: Denise Kley

Für ihn ist klar: „Mir hat die Arbeit mit der KI einen kreativen Boost gegeben und habe neue Ausdrucksmöglichkeiten gefunden.“ Zumal er die KI nicht die ganze Arbeit machen lässt: Er schwingt auch selbst den Pinsel und bearbeitet mit Farbe und dem Einsatz unterschiedlichster Materialien seine Werke nach.

„Für eine bessere Gesellschaft einstehen“

Eines ist sicher: Hucke wird auch weiterhin mit seinen Werken den Finger in die Wunde stecken. „Ich liebe es, der Gesellschaft den Spiegel vor den Kopf zu halten“, sagt er. Er weiß, dass er mit seiner Kunst aufwühlt. Doch das ist aus seiner Sicht auch seine Aufgabe.

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Denn die derzeitige weltpolitische Lage, „ob salonfähig gewordener Rechtspopulismus oder zunehmende soziale Kälte“, bereitet ihm Sorge – doch ist auch seine Inspirationsquelle.

Sein Credo: „Ich bin mir sicher, dass man mit Haltung und Entschlossenheit für eine bessere Gesellschaft eintreten und kämpfen muss – und ich mache das mit Kunst, die das Weltgeschehen humorvoll und satirisch aufs Korn nimmt.“