Ein gemütlicher Spaziergang entlang der Breg in Richtung Donauursprung: Das ist gegenwärtig keine gute Idee. Denn auf hunderten Metern hat sich der Donauzufluss in eine nasse, erdige Baustelle verwandelt, auf der schwere Fahrzeuge den Ton angeben und der Bereich, wo Brigach und Breg zusammentreffen, präsentiert sich als grob modellierte Landschaft aus wasserarmen und kahlen Kiesaufschüttungen. Willkommen auf einer der flächenmäßig größten Baustellen des Regierungspräsidiums.

Mehr Lebensqualität für Mensch und Natur sowie die Revitalisierung des Zusammenflusses von Brigach und Breg heißen die Ziele eines mehrjährigen Projektes, das vier Millionen Euro kostet und komplett vom Land Baden-Württemberg finanziert wird. Seit ein paar Wochen läuft Projektabschnitt zwei: auf etwa einem Kilometer Länge, bis zur Bahnbrücke, wird die Breg von ihrem Korsett befreit. Wie das geht, beschreibt Christian Seng.
Der Landschaftsplaner vom Büro 365° Freiraum + Umwelt weist auf die großen Wurzelstöcke, die auf der Uferböschung liegen. Totholz zwar, aber ein Segen für die Fische, die nach den Eingriffen in den Fluss einen vielfältigen Lebensraum vorfinden werden. Hier wirkt zunächst reine Physik. Liegt der Wurzelstamm im Flussbett, „trifft das Wasser auf ein Hindernis. Es kommt zu einer Verwirbelung. Die Energie dieser Verwirbelung schafft dahinter einen Kolk, also eine tiefere Stelle“, so Seng. Es entsteht für die Fische ein Rückzugsort in der Tiefe, Jungfische schlüpfen in die Zwischenräume im Holz und sind vor Fraßfeinden geschützt.

Den gleichen Effekt haben auch Steinbuhnen. Und Steine gibt es reichlich. Auf hunderten Metern Länge sind sie schon ausgebaut, Begrenzungsmarken einer kanalisierten Breg.
Wo früher das Ziel war, die Wassermassen möglichst schnell in Richtung Donau zu verfrachten, darf die Breg nun ihr Flussbett nachmodellieren. Gleichzeitig senken Einbauten und entstehende kleine Mäander die Fließgeschwindigkeit, das Wasser wird länger gehalten. Aber wie verträgt sich das mit dem Hochwasserschutz?
„Natürlich müssen wir den Hochwasserabfluss sichern und genauso viel Wasser durchbringen“, erläutert Seng. Erreicht wird dieser Effekt, indem auf dem Ufervorland der Boden abgetragen wird. Zehntausende Kubikmeter Erdreich schaben die Bagger ab, das Profil der Breg wird verbreitert, wo hohe Sicherheitsansprüche in Sachen Hochwasserschutz bestehen, werden sie versteckt umgesetzt.

Beispiel Umspannwerk. Hier verschwindet die Ufersicherung aus Steinen nur optisch. Sie wird als sogenannte verlorene Sicherung in Richtung Böschung zurückgesetzt. „Da gehen wir auf Nummer sicher“, sagt Seng. Flussdynamik dürfe sich eben innerhalb gewisser Leitplanken entwickeln.

Auf den letzten 300 Metern vor der B-27-Brücke, das Kerngebiet der Revitalisierung, wird das Bett der Breg zum Nebenarm. Denn zum Projekt gehört eine Verschwenkung der Breg. Rund 150 Meter südlich der bestehenden Brücke wird die Breg auf einer noch zu grabenden Trasse in Richtung Brigach geleitet. Dieser Hauptzusammenfluss liegt dann etwa 300 Meter westlich des bisherigen.

Dass es die Wasserbauer ernst meinen, zeigt eine über den Winter erstellte Schwerlastbrücke, die künftig über den Breg-Hauptarm führen wird. Sie sichert die Zufahrt zu Kreistierheim und Kläranlage und ist mit 32 Metern Spannweite nur unwesentlich kürzer als die Fuß- und Radwegebrücke bregaufwärts, die für die Anbindung für Kleingärtner und Hundesportler sowie die Fortführung des Donauradwegs sorgt. Im Juli werden die Widerlager gesetzt, im Herbst kommt die komplette Brücke huckepack per Schwertransport.


Hinter der neuen Schwerlastbrücke erstreckt sich die weite Fläche des Bauabschnittes eins. Am besten sieht man den neuen Donauursprung, wie er im vergangenen Jahr modelliert wurde, von einem Hügel in der Nähe der über die B 27 führenden Donaubrücke aus. Neun Meter hoch erhebt sich der im Wesentlichen aus den 50.000 Kubikmeter Uferabraum aufgeschichtete Wall. Er ist Lärm- und Sichtschutz zur B 27 und natürliche Besucherplattform. „Eigentlich wollten wir hier noch einen kleinen Turm bauen“, sagt Marlene Reichegger, Projektleiterin beim ausführenden Regierungspräsidium Freiburg. Doch auch so sei die Sicht auf die Baustelle veritabel.
Der erste Abschnitt sei abgeschlossen. Kiesbänke sind entstanden, sie sind Brutplatz für Vögel wie den Flussregenpfeifer. Doch die Kiesbänke etwa sind endlich. Vielleicht schwemmt sie das nächste Hochwasser weg. Vielleicht wird demnächst ein trockener Altarm geflutet. „Das Ziel ist hier eine natürliche Dynamik“, sagt die Diplomingenieurin für Landespflege. Die Feinmodellierung übernehme der Fluss. Man wisse zwar nicht, wie die Entwicklung stattfindet, sie sei aber jetzt freigegeben.

Als Ziel stehe ein gutes Miteinander von Mensch und Natur. Das Interesse von Naturfreunden sei schon da. „Die Leute schauen zu allen Zeiten bei der Baustelle vorbei“, sagt Reichegger. Auch wenn sie nicht hier sein sollten, „freut uns das trotzdem“. Mehrere Webcams https://www.terra-hd.de/donaueschingen3/ informieren über das Geschehen am Zusammenfluss. https://www.terra-hd.de/donaueschingen2/
Nach Fertigstellung der Baumaßnahme, bei guter Witterung bis Ende des Jahres, soll der Bereich vor der Donaubrücke mit Stegen und Beobachtungspunkten zugänglich sein. Völlig ruhig werde es in diesem doch recht stadtnahen Bereich nicht zugehen, erwartet Reichegger, und setzt auf eine Naturberuhigung jenseits der Brücke, wo die Renaturierung auf etwa einem Kilometer Länge fortgesetzt wird und an eine 2014 abgeschlossene Umweltmaßnahme anschließt.

Das aktuelle Projekt gehört zu Umsetzungen gemäß der Landesstudie Gewässerökologie. Sie schreibt vor, bis Fridingen noch viele Donau-Flusskilometer in einen guten Zustand zu versetzen. Dazu brauche es die Akzeptanz der Bevölkerung, weiß die Projektleiterin. Da sei es gewiss nicht falsch, ein Pilotprojekt wie die Revitalisierung des Donauursprungs, so richtig toll umzusetzen. Auch wenn nach einem Megaprojekt mit gut 15 Projektpartnern und begleitenden Experten wie etwa einem Fischökologen die Bagger weiterziehen, bleibt der Donauursprung im Blick. Ein mehrjähriges Monitoring prüft, ob die biologischen Qualitätskomponenten jeweils erreicht werden.