In der Baumkrone eines Nadelbaums schwingt ein Mann hin und her. In mehr als 40 Meter Höhe sammelt er Zapfen ein, bis keiner mehr zu sehen ist. Kurz darauf saust ein schwerer weißer Sack vom Baum, schlägt dumpf auf dem Waldboden auf. Wenig später taucht auch der Pflücker zwischen den Ästen auf – in voller Klettermontur.
Er heißt Harald Trinkner, ist Fach-Agrarwirt und stammt aus Bergöschingen, einem Ortsteil von Hohentengen am Hochrhein. Wie Thomas Bellgardt aus Walldürn im Neckar-Odenwald-Kreis ist er Zapfenpfücker.
Beide sind dieser Tage bei Revierförster Hans-Peter Fesenmeyer im Donaueschinger Wald im Einsatz. Im Gewann „Oberholz“ ernten sie Fichtenzapfen zur Gewinnung von Samen, mit denen eine Baumschule gesunde Setzlinge für die nächste Generation Bäume zieht.
„Für die Vermehrung von Saatgut an stehenden Bäumen braucht man Leute, die Klettertechnik beherrschen“, sagt Thomas Bellgardt. Seit er 1991 einen Pflückerlehrgang absolvierte, hat sich die Aufstiegstechnik geändert. Um auf den Baum zu kommen, wird zunächst ein mit einem Gewichten beschwertes kleines Säckchen mit einem gezielten Wurf in 25 bis 30 Metern über einen Ast an der dicksten Stelle geworfen.
Daran hängt eine Schnur, mit der anschließend ein tragfähiges Seil nach oben gezogen wird. Dieses Seil benützt der Zapfenpflücker zum Aufsteigen. Am Ende steigt er dann aus dem Seil aus und geht im Klettersteigverfahren, bei dem er sich fortlaufend sichert, in die Spitze.
Dort ganz oben wird ein weiteres Seil als Arbeitsseil angelegt. Dadurch ist man dann gesichert und kann sich freihändig bewegen, hoch und runter fahren, sich vom Stamm abspreizen. Weiter außen liegende Äste werden mit einem zwei Meter langen Hakenstock herangezogen. Anschließend wird dieser fixiert und die Äste können mit beiden Händen in einen Sack abgeerntet werden.
Bellgardt hat zunächst eine Ausbildung als Biologielaborant einem großen Chemieunternehmen absolviert. Dann hat ihn die Natur fasziniert. Und ist dieser Job nicht ein Risiko? „So schön wie es ist, gibt es auch andere Seiten. Wenn der Wind kommt, und du hängst alleine am Baum, verbindest dich mit dem Baum und vertraust mit deinem ganzen Leben auf die Standfestigkeit“, sagt Thomas Bellgardt etwas nachdenklich.

Doch es sei ein aussterbender Beruf, das sei ganz schlimm. Alle drei Söhne sind in seine Fußstapfen getreten. Als Zapfenpflücker ist er angestellt. Und was macht er außerhalb der Saison? „Unsere Zugangstechnik ist die Seilkletterkunst. Damit kann man vieles machen. Wenn Sie einen Namen haben, kann es sein, dass Sie für irgendeine abenteuerliche Aktion gerufen werden.“
Über den Inhalt des Sacks und die Ausbeute wollen sich die beiden Zapfenpflücker nicht festlegen. Jeder Baum bringe 20.000 bis 50.000 Samen, deren Reproduzierbarkeit in der Natur im Promille-Bereich liege. Doch hier kümmere man sich in der nachfolgenden Kette um jeden Samen. Es sei immer eine ganz spannende Frage, wie qualitativ hochwertig eine Ernte ausfalle. Es gebe auch Unterschiede von Baum zu Baum.