Wutachranger Martin Schwenninger steht an diesem trüben Novembermorgen in der Schlucht, wenige Meter vor der Gauchachmündung. Auf dem Wanderweg liegt Laub, kein Laut durchdringt die fast andächtig wirkende Stille. Zusammen mit seiner Kollegin Mareike Matt vom Forstamt Waldshut und Joshua Petelka vom Regierungspräsidium Freiburg hängen sie ein Banner ab.

Darauf sind drei Tiere abgebildet, eine Rötelmaus, ein Eisvogel und ein Biber, und darunter steht: „Liebe Menschen, auch wir wollen uns hier tierisch wohlfühlen: Deshalb bitte auf den Wegen bleiben!“

Das Orange der beiden Männer passt zur leuchtenden Brust des Eisvogels, der darauf zu sehen ist. Es ist in Baden-Württemberg der erste Versuch in einem Naturschutzgebiet, den Besuchern die schützenswerte Tiervielfalt auch so näher zu bringen.

„Es war einfach einmal ein Versuch, um Erfahrung zu gewinnen“, schildert der ausgebildete Förster Martin Schwenninger. Die Idee hätten sie voriges Jahr entwickelt, sie wollten nicht belehren.

Eine gute Wirkung in der Wutachschlucht erzielen die Banner zur Besucherlenkung. am Donnerstag, 9. November 2023, hängten Wutachranger ...
Eine gute Wirkung in der Wutachschlucht erzielen die Banner zur Besucherlenkung. am Donnerstag, 9. November 2023, hängten Wutachranger Martin Schwenninger (Mitte), die künftige Wutachrangerin Mareike Matt vom Forstamt Waldshut und Joshua Petelka vom Regierungspräsidium Freiburg die Banner wieder ab. | Bild: Lutz, Bernhard

Für Martin Schwenninger war das Abhängen der Banner nämlich seine letzte Amtshandlung in der Schlucht als Wutachranger. Ende des Jahres geht der engagierte Naturschützer, der im Dezember 66 wird, in den Ruhestand. Mareike Matt wird ab Januar seine Nachfolge antreten.

Fast 20 Jahre lang hat er sich um das Naturschutzgebiet gekümmert, das im Tal der Gutach beginnt und sich rund 30 Kilometer über die Schattenmühle bis zur Wutachmühle erstreckt. Er war das Gesicht der Schlucht.

Zu Martin Schwenningers Arbeitsbereich gehören die Naturschutzgebiete Wutachschlucht und Wutachflühen. Mit ihren bewaldeten Steilhängen und Felsen bietet die bis zu 170 Meter tiefe Schlucht Lebensraum für rund 1000 Pflanzen und etwa 10.000 Tierarten, von Kleinlebewesen im Wasser, Insekten und Fische über die Bachforelle, Enten, Vögel vom Rotkelchen bis hin zu Zugvögeln wie dem Schwarzstorch.

Ruhe für die Tiere

Schwenninger beschäftigte sich auch damit, den Tieren die notwendige Ruhe zu verschaffen. Etwa in der Gauchachschlucht, „da laufen die Leute näher am Wasser“. Dort leben Eisvogel, Wasseramsel und Gänsesäger, die sind scheu. „Der Eisvogel muss Ruhe haben, damit er einen Fisch erwischt“, erklärt der Wutachranger. Die Wasseramsel habe eine hohe Wintermortalität. Ist das Wasser zugefroren, verhungere sie.

Deshalb benötige sie im Frühjahr Ruhe, um ihre Brut aufzuziehen. Vielen Besuchern seien diese Zusammenhänge nicht bewusst. „Sie sehen die Tiere nicht und meinen, da sei nichts, aber der Vogel, etwa ein Specht, hört und sieht uns viel früher als wir ihn.“

Das könnte Sie auch interessieren

„Das sind fast alles Tiere, die man vom Weg aus sehen kann“, weiß der Wutachranger. Eine besondere Attraktion ist an Regentagen von Mitte Mai bis August der Feuersalamander. Wenn es lange regnet, kann man auch tagsüber den Biber sehen. Könnte der Biber in der Schlucht ein Problem werden? Der Wutachranger winkt ab. Die Wutach sei ein Wildwasser, „ein Biberdamm hält längstens eine Woche“.

Diese Landschaft zu schützen und ihre Einzigartigkeit den Besuchern näher zu bringen, gehört zu den Aufgaben des vom Landkreis Waldshut angestellten Wutachrangers. Dabei arbeitet er vor allem mit neun Anliegergemeinden aus drei Landkreisen zusammen: Stühlingen, Wutach, Bonndorf, Lenzkrich, Friedenweiler-Rötenbach, Löffingen, Bräunlingen, Hüfingen und Blumberg.

„Der Schutz der Schlucht gelingt nur über die Region“

Gemeinsam mit den Gemeinden, den Fischern, Kraftwerksbesitzern, Touristikern und ehrenamtlich Tätigen wie dem Schwarzwaldverein wurde ein Leitbild entworfen. Ziel sei es, den Wildflusscharakter zu erhalten, und das, „was auf der Höhe ist“, mit der Schlucht zu vernetzen. Motto: „Der Schutz der Schlucht gelingt nur über die Region.“ Zu den gemeinsam festgelegten Arbeitsthemen gehört auch der Nahverkehr. Noch nicht gelöst sei die Parkplatzsituation an der Schattenmühle, die auch Etappenort am Schluchtensteig ist.

Sein großes Wissen und seine Begeisterung für die Natur hat Martin Schwenninger in vielen Führungen, Vorträgen und Medienberichten weitergegeben, auch an seine Kinder und Enkel. Bei Schulklassen habe er schnell gemerkt, welche Kinder öfter in der Natur unterwegs waren, und welche eher selten.

Das könnte Sie auch interessieren

Bei Fernsehaufnahmen habe er oft gelernt, noch genauer hinzuschauen, etwa, wenn sie warten mussten, bis eine Wolke sich verzogen habe und der Kameramann in dieser Zeit plötzlich ein Spinnennetz oder einen kleinen Käfer entdeckt habe. Das habe ihm auch für das Fotografieren weitergeholfen, sagt Schwenninger.

Dazugelernt habe er auch durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die er begleitet habe, zum Beispiel im Bereich der Moose, wo er das Grüne Besenmoos und das Koboldmoos nennt. „Wenn heute etwas zu entscheiden ist, kann ich viel besser einschätzen, was davon betroffen sein könnte.“

Entsprechend groß ist die Wertschätzung des Schwarzwälders, in der Bevölkerung und bei den Behörden. „Für uns war Martin Schwenninger ein großer Gewinn“, formuliert Susanna Heim, Pressesprecherin des Landkreises Waldshut: „Er konnte sein großes Wissen sehr gut vermitteln.“