Rainer Bombardi

Die kulturhistorische Reihe der Stadt Hüfingen ist eine seit 1996 in lockerer Folge fortgesetzte Buchreihe. Im Rathaus präsentierten am vergangenen Freitag Bürgermeister Michael Kollmeier, Rüdiger Schell, Mitherausgeber, Übersetzer und Co-Autor des Buches, und der Verlagsgründer Wolfgang Hartung-Gorre den 14. Band der Buchreihe, die das geistig-kulturelle Leben Hüfingens, Brauchtum, Kunst und Wissenschaft der vergangenen Jahrhunderte thematisiert.

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Einzigartiges Dokument

Der neu vorliegende Band ist ein einzigartiges Zeitzeugendokument und beschreibt die Zwangsarbeit in Hüfingen zwischen 1943 und 1945 aus Sicht des Niederländers Bart Heyning. Das literarische Werk ist in Tagebuchform geschrieben und wird dank der sorgfältigen Übersetzung und Überarbeitung von Rüdiger Schell besonders gut lesbar.

Besonders gut lesbar

Bürgermeister Kollmeier verwies darauf, dass die Stadt den Band gerne in ihre Reihe aufnahm, der aufgrund der authentischen Übersetzung besonders gut lesbar wirke. Schell gelang es während der Überarbeitung, auch jene Orte und Namen, die im Buch erwähnt sind, zu identifizieren, die der Niederländer aufgrund seiner Situation nur umschreibend wiedergeben konnte.

In seinem Tagebuch schreibt Bart Heyning in emotionaler Form und unterschiedlichem Umfang seine Erlebnisse und Gedanken nieder und lässt so zusätzliche Interpretationsmöglichkeiten offen. Alle Einträge sind in Kurzform erhalten, wodurch das Buch einen kurzweilig lesbaren Handlungsstrang erhält.

Einst hat Zwangsarbeiter Bart Heyning mit anderen Zwangsarbeitern im Dachgeschoss des heutigen Stadtmuseums gewohnt.
Einst hat Zwangsarbeiter Bart Heyning mit anderen Zwangsarbeitern im Dachgeschoss des heutigen Stadtmuseums gewohnt. | Bild: Rainer Bombardi

Vollkommen neue Perspektiven

Rüdiger Schell berichtete von seiner vor Jahren gefassten Absicht, die Zwangsarbeit am Beispiel des Arbeitslagers Hüfingen wissenschaftlich zu untersuchen. Doch die schwierige Quellensituation erschwerte sein Vorhaben. Doch vor drei Jahren eröffnete die Kontaktaufnahme mit Julie Heyning, einer Nichte des im Februar 2019 im Alter von 99 Jahren verstorbenen Bart Heyning, vollkommen neue Perspektiven.

Rüdiger Schell einigte sich mit Julie Heyning auf die gemeinsame Herausgabe des Tagebuchs. Dabei überarbeitete Rüdiger Schell in sprachlicher, stilistischer und inhaltlicher Hinsicht das von Julie Heyning größtenteils aus dem niederländischen ins Deutsche übersetzte Tagebuch.

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Er beherrschte neun Sprachen

Schell beschrieb Bart Heyning als einen sprachlich in neun Sprachen versierten Menschen mit starkem Willen, der sein aufgrund der Zwangsarbeit unterbrochenes Technik-Studium nach dem Krieg fortsetzte. Er stammte von einer Familie aus dem gehobenen Mittelstand ab und war im Februar 1943 unter jenen zehn bis 15 von insgesamt 600 verhafteten niederländischen Studenten, die ins FF-Säge- und Holzwerk zur Zwangsarbeit nach Hüfingen kamen.

Wovon das Buch erzählt

Das Buch beginnt im Juni 1943, mit den Tagen, in denen die Studenten in Hüfingen eintrafen und endet im April 1945 als der Albtraum sich zu Ende neigt. Zwischen diesem Zeitraum beschreibt das Tagebuch auf besondere und emotionale Weise die bedrückende Zeit des Zweiten Weltkriegs in unserer Region und den Alltag im NS-Staat.

Der Leser erhält einen tiefen Einblick in den täglichen Kampf ums Überleben und das Heimweh, welche das Leben des Bart Heyning tagtäglich quälten. Es beschreibt das Heranrücken der Front, die Luftangriffe über Hüfingen und Donaueschingen und die Ängste der Bevölkerung. Wolfgang Hartung-Gorre sprach von einer bereits mehrfach bewährten Zusammenarbeit mit Rüdiger Schell, die dem Verlag den Druck des ungewöhnlichen Zeitdokuments erst ermöglichte.