Wen ein Skandal oder eine Schlammschlacht in die Spaichinger Stadthalle gelockt hat, der wurde enttäuscht. Obwohl Amtsinhaber Hans Georg Schuhmacher und sein Herausforderer Markus Hugger erstmals aufeinander getroffen sind, was im Wahlkampf bislang beide zu vermeiden gewusst haben, blieb die große Konfrontation bei der offiziellen Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl aus. Unausgesprochen steht es im Raum: Der, der mit der Schlammschlacht beginnt, der wird die Wahl verlieren, denn die Spaichinger wollen überregional auch mal positive Schlagzeilen schreiben und haben auf alles andere keine Lust mehr.

Hans Georg Schuhmacher
Hans Georg Schuhmacher | Bild: Jakober, Stephanie

Für wesentlich mehr Gesprächsstoff und launische Publikumsreaktion sorgt da schon der dritte Kandidat, der in letzter Minute seine Bewerbung abgegeben hat: Torsten Kelpin greift Hugger offen an: „Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, charakterisiert der 58-jährige Gärtner seine Gegner. Während Schuhmacher die Politik von Teufel – ob er nun Erwin oder dessen Bruder Albert meint, darauf geht er nicht näher ein – sei Hugger der Beelzebub. Woran er das festmacht? Am Immendinger Prüf- und Technologiezentrum, dessen Landschaftsverbrauch enorm sei und auch ökologisch äußerst verwerflich, und so etwas mache selbst ein Schuhmacher nicht. Doch Raunen, Murren und verhaltenes Lachen, sowie rund 200 Leute, die beim letzten Kandidaten, der sich an diesem Abend 20 Minuten präsentieren darf und sich ebenso lange den Bürgerfragen stellen muss, schon den Saal verlassen, sprechen eher für einen Außenseiterkandidaten. Und spätestens bei drei Windkraftanlagen, die man auf den Dreifaltigkeitsberg bauen könnten, scheint auch der Spaß bei den Spaichingern zu Ende.

Markus Hugger
Markus Hugger | Bild: Jakober, Stephanie

Oder doch nicht? Denn aus dem Publikum kommen diverse Rückmeldungen, allerdings eher nicht in Richtung „Qualifikation als Bürgermeister“. Einer steht auf, der als Student im Prüf- und Technologiezentrum gearbeitet hat und eine Lanze für Daimler bricht. Einer, der ihm wesentlich undiplomatisch Fremdenhass vorwirft und eine, die ihn gar fragt, ob er denn gekauft sei, dass er so gegen Hugger schieße. Er sei nicht gekauft und lehne dunkelhäutige Menschen nicht ab, ihm gehe es eher um die Demokratiebereitschaft und er habe so sein Problem mit dem Islam.

Torsten Kelpin
Torsten Kelpin | Bild: Jakober, Stephanie

Schuhmacher und Hugger präsentieren sich dagegen als Routiniers – wenn sie auch unterschiedlicher nicht sein könnten, sowohl optisch, als auch, wie die beiden agieren. Schuhmacher, groß, dunkelhaarig, distanziert, fast schon ein bisschen steif. Manch einer zog danach das Fazit, dass er sich auch schon besser verkauft habe. Hugger, klein, blond, quirlig und immer wieder mit direkter Ansprache an die Bürger. Doch im direkten Vergleich sieht man sie nie: Hugger ist früh da – wenn auch nicht zur Hallenöffnung – und positioniert sich mit Frau Daniela zentral in der ersten Reihe. Schuhmacher ist erst kurz vor Beginn in der Halle zu sichten und wählt einen Platz in der dritten Reihe links außen. Große Willkommensgesten gab es an diesem Abend sowieso nicht, wohl auch wegen dem Corona-Virus. Man hatte ja auch überlegt, auf eine Videoübertragung zu setzen. „Da aber nicht alle Kandidaten zugestimmt haben, war ein Livestream nicht möglich“, sagt Bürgermeisterstellvertreter Werner Reisbeck. Hugger war‘s mal nicht: „Ich bin nämlich gar nicht gefragt worden.“

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Auch inhaltlich wählen sie komplett andere Schwerpunkte: Schuhmacher blickt viel zurück. Wie Spaichingen sich verändert hat. Was er alles erreicht hat. Er räumt auch Versäumtes ein und dass es noch vieles zu tun gibt. Was er zu tun gedenkt, das schneidet er allerdings erst im letzten Drittel seiner Rede an. Als er 2013 von einem Ärztehaus gesprochen habe, sei er belächelt worden. Nach der Schließung des Spaichinger Krankenhauses könne man nur sagen: Hätte man es mal früher gemacht. Und: „Ich bin nicht der, der gegen die Schließung gestimmt hat“, sagt Schuhmacher, der nicht mehr Mitglied im Tuttlinger Kreistag ist und somit doch einen Seitenhieb auf Hugger austeilt. „Ich möchte konkret werden und nicht erst nach der Wahl reden und Konzepte ausarbeiten und ich mache auch keine Wahlversprechungen“, sagt Schuhmacher und zwischen den Zeilen ist herauszulesen, was er eigentlich sagen möchte. Ansonsten: Sammeltaxis, einen Bus mit Elektorantrieb, Ortskernförderung, die Ortsumfahrung, auch wenn ja hier der Bund die Trasse festlegt.

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Und Hugger? „Klar musste ich auch im letzten Jahr, wie alle Kreistagsmitglieder, eine Entscheidung treffen.“ Doch die Weichen wären schon 2013 mit der Verlegung der Chirurgie gestellt worden. Er selbst sei seit 2014 Mitglied des Kreistages und seit einem halben Jahr Fraktionssprecher, habe aber versucht zu retten, was noch zu retten gewesen sei. Bei der Umgehung wählt Hugger einen anderen Weg: Die billigstes Trasse sei nicht immer die beste, der Landschaftsverbrauch müsse minimiert werden und man müsse mit den Nachbargemeinden sprechen. „Spaichingen braucht seine Nachbarn und darf sich nicht isolieren.“

Und dann kommt sie noch, die Frage, nach dem politischen Klima, gestellt von jemandem aus einer Nachbarkommune. Was Hugger da denn anders machen würde. „Ich war in meiner ganzen Tätigkeit ein Team-Player und begegne den Menschen auf Augenhöhe.“ Ein Bürgermeister sei immer nur so stark, wie die Mannschaft, die hinter ihm stehe. „Mir macht der Beruf Spaß. Ich möchte was entwickeln und letztendlich ist der Bürgermeister Dienstleiter für die Bevölkerung.“