Herr Stärk, der Weg ins Rathaus ist zwar der gleiche, aber Ihre Position eine andere. Wie hat sich denn Ihr Arbeitsalltag verändert?
Also am ehrlichsten dadurch, dass der Terminkalender deutlich voller ist, als er es vorher war. Inhaltlich sind die Themen die gleichen, die ich mit meinem Vorgänger Markus Hugger vorher schon bearbeitet habe. Aber der Kalender sieht jetzt ganz anders aus. Und da muss man sich erst rein finden, weil man ja immer noch Zeit braucht, tatsächlich auch am Schreibtisch zu arbeiten. Aktuell ist das bei mir sogar die doppelte Arbeit, weil wir noch keinen Hauptamtsleiter haben und das Amt noch vakant ist. Deshalb muss ich das natürlich noch mitmachen und das muss sich noch einspielen.
Gehen Ihre Kollegen mit Ihnen jetzt als Bürgermeister anders um als zuvor als Hauptamtsleiter? Hat sich da was verändert im Verhalten der Kollegen?
Nein. Ich werde jetzt von den Kollegen natürlich mehr eingebunden, weil ich jetzt halt der Chef und für alle Bereiche zuständig bin. Was die anderen beiden Ämter gemacht haben, das haben wir zuvor zwar auch besprochen, ich musste aber nicht die Entscheidungen treffen. Das ist jetzt neu. Wir hatten hier im Rathaus schon immer ein gutes kollegiales Verhältnis und das soll auch weiterhin so bleiben.
Mit welcher Entscheidung hatten Sie nicht gerechnet, die Sie nun als Bürgermeister treffen mussten, mit der Sie als Hauptamtsleiter nichts zu tun gehabt hätten?
Da muss ich jetzt überlegen. Da unser Kämmerer Herr Müller erst aus dem Urlaub zurückgekommen ist, waren es bislang noch keine schwerwiegenden Entscheidungen. Es war alles Tagesgeschäft.
Die nächsten acht Jahre werden Sie die Geschicke von Immendingen leiten und Ihre Vision verwirklichen. Zeichnen Sie uns doch ein kurzes Bild: Wie sieht Immendingen im Jahre 2028 aus?
Also die Vision wäre, dass der Verkehr schön um den Ort herum geführt wird und wir mittendrin sind, unsere Ortsmitte neu zu gestalten und alles aufzuwerten. Das wäre die Vision. Aber realistisch gesehen wird es wohl etwas anders aussehen.
Das heißt, Sie erklären die Umgehungsstraße zur Chefsache?
Ja, definitiv. Das war auch schon Thema, als Tourismusminister Guido Wolf vor zwei Wochen hier war. Also da will ich schon mit Nachdruck dahinter her sein, dass die Verfahren, insbesondere die Landesstraße L 225 und die Brücken, wieder Fahrt aufnehmen und wir endlich ein Stück weiterkommen.
Wie realistisch ist es, dass sich das bis 2028 umsetzen lässt?
Also, dass die Umgehungsstraße bis dahin gebaut ist, ist völlig unrealistisch. Prognosen zu wagen ist in dem Bereich natürlich schwierig. Aber ich hoffe, dass wir doch ein gewaltiges Stück weiter sind. Also, dass zumindest die L 225, der erste Bauabschnitt auf der Umgehung, realisiert ist, halte ich bis 2028 für realistisch. Was den weiteren Fortgang der Umgehung betrifft, hoffe ich, dass wir dann mittendrin sind.
Sie sagen ja oft und gern, dass Sie die Arbeit Ihres Vorgängers Markus Hugger fortführen wollen. Was wollen Sie denn anders machen als er?
Also anders machen will ich eigentlich nichts. Schließlich hat er hier zehn Jahre lang erfolgreich gearbeitet und das will ich im gleichen Maß fortführen. Es sind große Projekte, die schon angestoßen sind, bei denen wir aber überall noch sehr viel Weg zu gehen haben. Ich denke an die großen Investitionen, wie beispielsweise das neue Feuerwehrhaus. Diese Projekte kommen jetzt erst und die fallen voll in meine Amtszeit. Sie sind zwar aufgegleist, aber da muss man durch – auch der finanzielle Aufwand kommt jetzt erst. Und ansonsten will ich einfach wach sein und an den Entwicklungen dran sein und einfach versuchen, Immendingen weiter nach vorne zu bringen – auch im Vergleich zum Umland. Mein Ziel: dass Immendingen eine Macht ist. Viele Themen sind auch die gleichen, ob ich Bürgermeister in Immendingen bin oder in einer anderen Gemeinde. Wir stehen immer alle vor den gleichen Herausforderungen.
Es sind schon viele Projekte aufgegleist, die zum Teil mit einem hohen finanziellen Bedarf verbunden sind. Bleibt da überhaupt noch Spielraum, eine eigene Handschrift reinzubringen?
Natürlich gibt es Spielraum. Der ist bei uns natürlich nicht allzu groß. Uns geht es nicht wie Gosheim oder anderen Kommunen, die finanziell deutlich besser dastehen. Unsere Projekte orientieren sich immer am Notwendigsten. Wir machen das, was dringend notwendig ist, aber versuchen doch auch Dinge zu machen, die außerhalb des Pflichtprogramms liegen. Und die Balance haben wir in den vergangenen Jahren immer gut hinbekommen. Beispielsweise haben wir im touristischen Bereich etwas gemacht. Das sind dann auch schöne Projekte, die in der Regel meistens ein wenig mehr Spaß machen. So soll es weitergehen und da wird uns noch einiges dazu einfallen.
Wie sieht es mit den Brücken und den beiden Kreisverkehren, die beim Daimler-Testzentrum geplant sind, aus?
Auch da will ich mit Nachdruck hinterher sein, dass wir im Brücken-Verfahren weiterkommen. Da warten wir immer noch auf die ausstehenden Entscheidungen des Bundes. Deshalb ist das Bebauungsplanverfahren, für das wir ja verantwortlich sind, gestoppt. Bezüglich der Kreisverkehre hatte ich Kontakt mit dem Hause Daimler und habe die feste Zusage, dass die nächstes Jahr gebaut werden. Es finden jetzt auch nächste Woche Gespräche statt. Es ist die gleiche Runde, wie wir sie schon vor einem Jahr hatten. Aber damals wurde das Projekt leider abgesagt. Jetzt geht es neu los und nächstes Jahr kommen die beiden Kreisverkehre.
Wo Sie gerade das Thema Daimler ansprechen. Es gibt immer wieder Klagen, die Testfahrer würden sich häufig nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Sehen Sie da Handlungsbedarf?
Ich kann tatsächlich nicht feststellen, dass sie schneller durch den Ort fahren als andere. Es ist auch nicht so, dass mir da etwas zugetragen worden ist. Normalerweise laufe ich ja viermal täglich über die B 311 zur Arbeit. Bislang konnte ich nicht feststellen, dass die Testfahrer sich im Straßenverkehr anders verhalten als andere Verkehrsteilnehmer. Daimler hat sich eigentlich immer einen Standort gewünscht ohne Ortsdurchfahrt. Jetzt haben sie zwar eine, aber die machen da schon Vorgaben.
Um die Sanierungsmaßnahmen im Ortskern – gerade im Bahnhofsbereich und im Bereich Hindenburgstraße – ist es ruhig geworden. Welche Schwerpunkte möchten Sie hier setzen?
Ja, das Ganze liegt ja jetzt schon einige Jahre zurück. Ich habe angedacht, dass wir ein neues Sanierungsgebiet auflegen. Das alte hätte die B 311 quasi ausgespart und es wäre eher um den Bereich Hindenburgstraße gegangen. Aber das ist damals nicht weiterverfolgt worden und aktuell ist es nicht auf der Top-Agenda. Jetzt geht es darum, den Bahnhofsbereich voranzubringen, um da einfach die Infrastruktur zu verorten, die wir auch brauchen. Das ist auch im Gespräch mit Daimler noch einmal deutlich geworden. Die Hotelansiedlung ist sehr wichtig, denn Daimler muss die Ingenieure jetzt weit verteilen, wenn sie übernachten müssen. Da sehe ich im Bahnhofsareal den Schlüssel – auch bezüglich der ärztlichen Versorgung und so weiter. Die Themen sind im Wahlkampf ja alle angesprochen worden. Also den Bahnhof halte ich für eine Schlüsselposition und deshalb will ich versuchen, dass wir da auch schnell vorankommen.
Wie stehen Sie zur Weiterentwicklung von Gewerbe- und Wohngebieten der Gemeinde, zum Beispiel die Ausweitung des Gewerbegebiets Donau-Hegau II und das Baugebiet Hagenbühl?
Wir brauchen weitere Gewerbeflächen. Diese sind für uns essentiell und dafür kämpfen wir auch. Wir sind im Verfahren und werden es auch weiter vorantreiben. Mit eingegangenen Stellungnahmen, die bekannt sind, werden wir entsprechend umgehen und das sofort zum Abschluss bringen, dass wir wieder Entwicklungspotenzial im Bereich Gewerbe haben.
Der Tuttlinger OB Michael Beck hat sich nicht gerade positiv zu den Immendinger Plänen geäußert.
Es ist klar, dass man unsere Pläne nicht gerade vom Tisch wischen kann. Wir werden aber ganz klar einen Bedarfsnachweis führen. Den werden wir auch nochmal überprüfen und wir werden nacharbeiten. Aber dann wird das auch weitergehen, denn es hängt viel daran. Wir haben eine Fläche herausgenommen, weil es eine punktuelle Fortschreibung des Flächennutzungsplans ist und daher haben wir quasi gesagt: Wir verzichten dafür an anderer Stelle auf etwas. Die Genehmigungsbehörden sehen es aber auch so, dass wir eher größer fortschreiben müssen, einfach dass diese anderen Flächen verbindlich raus sind. Darauf werden wir jetzt und im weiteren Verfahren auch entsprechend reagieren.
Wie wollen Sie Immendingen als relativ kleine Gemeinde im Vergleich zum großen Tuttlingen positionieren?
Das schaffen wir, indem wir einfach selbstbewusst auftreten und für unsere Belange, die wir brauchen, auch kämpfen.
Ein Punkt könnte die Ansiedlung der Baufirma Storz sein. Sie hatten im Wahlkampf gesagt, dass die Gespräche ruhen, bis es einen neuen Bürgermeister gibt. Hat sich da in den vergangenen Wochen was getan?
Nein, aktuell nicht.
Sie wollen auf einen breiten Branchenmix setzen, anstatt nur Automobilindustrie. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?
Da bedarf es einiger Anstrengungen. Immendingen muss als Wirtschaftsstandort wahrgenommen werden. Dazu braucht es ein entsprechendes Marketing, um auch von anderen Branchen als potentieller Standort wahrgenommen zu werden.
Dann wollen Sie durch die Lande ziehen und sagen: Wir sind mehr als Daimler und die Satellitenunternehmen?
Genau. Es gibt auch entsprechende Portale, wie beispielsweise bei der Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg. Da kann man sich entsprechend als Wirtschaftsstandort präsentieren.
Gibt es denn Anfragen von Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen, die nicht Storz heißen oder Automobilzulieferer sind?
Immer mal wieder. Man muss natürlich schon sagen, dass es aktuell nachfragetechnisch etwas ruhiger geworden ist. Das ist wohl auch Corona geschuldet. Aber man ist immer mal wieder mit Unternehmen im Gespräch. Aktuell bin ich auch mit zwei örtlichen Unternehmen im Gespräch, die sich verändern und vergrößern wollen. Also es geht immer was. Aber aktuell ist die Nachfrage nicht so ganz groß, weil sich jeder mit Investitionen ein bisschen schwer tut.
Wie sieht es mit den mit weiteren politischen Ambitionen aus? Würden Sie sich, wie die früheren Immendinger Bürgermeister, als Kreisrat bewerben oder für andere politische Gremien kandidieren?
Also Kreistag auf jeden Fall.
Wie stark wird sich Ihre Aufgabe als Bürgermeister voraussichtlich auf Ihr Privatleben, Familie, Hobbies, Vereinszugehörigkeiten, von denen man ja weiß, dass das viele sind, auswirken?
Da der Terminkalender jetzt entsprechend anders aussieht, merkt das die Familie auch. Es ist nicht mehr ganz so planbar, dass der Papi zur Mittagspause auch am Mittagstisch sitzt. Ich werde weiterhin versuchen, mir diese Zeit mit der Familie zu bewahren, weil ich es als wertvoll empfinde, dass ich beim Frühstück und beim Mittagessen bei ihnen bin. Abends wird das meistens schwerer. Aber ich habe das große Glück, dass meine Frau das mitträgt und mich da sozusagen rennen lässt und mir daheim der Rücken freihält. Deshalb bin ich da ganz guter Dinge, dass alles gut klappt. Bezüglich Vereine: Ich werde natürlich überall trotzdem nach Möglichkeit dabei sein, aber ich werde das sicher nicht mehr in dem Maß tun können wie vorher. Aber ich bin jetzt nichts Besseres und mir nicht zu schade und werde bei einem Arbeitseinsatz weiterhin Hand anlegen.
Sobald Sie halt wieder laufen können.
Vorher ist es halt schwierig. Und als Bürgermeister hat man schon ganz besondere Anforderungen an die Personen und an das Umfeld. Es wird sich schon etwas ändern, aber ich will mein Leben nicht komplett umkrempeln. Ich bin, wie ich bin und ich bin schon immer ein Vereinsmensch gewesen und wenn es meine Zeit zulässt, mache ich das auch weiterhin.
Am Montag werden Sie vereidigt, dann fehlt nur noch ein Hauptamtsleiter. Wie sieht es da aus?
Wir haben diese Woche Bewerbungsgespräche geführt. Aller Voraussicht nach werden wir am 28. September die Entscheidung im Gemeinderat treffen. Das muss auch sein. Es ist mein ureigenes Interesse, dass diese Position schnellstmöglich besetzt wird. Ich muss mich da entlasten. Es geht über einen längeren Zeitraum nicht gut, wenn man zwei Stellen gleichzeitig machen muss. Ich war vorher nicht arbeitslos und auch Herr Hugger war nicht arbeitslos. Jetzt mache ich beides miteinander. Es geht, aber es ist hart und die Zeit sollte so kurz wie möglich sein, damit ich mich auch auf mein Geschäft konzentrieren kann.
Sind Sie schon nervös, was die erste Gemeinderatssitzung anbelangt?
Nein, ich freue mich eigentlich drauf. Aber nervös bin ich nicht.
Fragen: Stephanie Jakoberund Jutta Freudig