Schonach (ws) Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg durch die bedingungslose deutsche Kapitulation am 8. Mai 1945. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker nannte dieses Datum in seiner historischen Rede zum 40. Jahrestag „Tag der Befreiung“.

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Der Bub Donatus Ketterer war bei Kriegsende 1945 gerade mal 14 Jahre alt und war Ende März noch ausgeschult worden. Heute erinnert sich der Bildhauermeister Donatus Ketterer im Gespräch mit dem ehrenamtlichen Schonacher Archivar Wolfgang Schyle noch sehr genau an die Ereignisse in den letzten beiden Kriegsjahren. Auch die Schwarzwaldgemeinde Schonach war damals nicht von Tod und Verbrechen verschont geblieben.

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Den Zeitzeugen Donatus Ketterer haben diese Kriegserfahrungen dennoch als Kind und sein ganzes Leben lang geprägt. Seinen Optimismus habe er sich trotzdem bewahren können, sagt er. Ketterer lehnt Fanatismus in jeglicher Form ab. Er wünsche sich mit seinen nunmehr 89 Jahren nichts sehnlicher als Frieden im Kleinen und auf der ganzen Welt.

Der Zeitzeuge Donatus Ketterer ist heute 89 Jahre alt.
Der Zeitzeuge Donatus Ketterer ist heute 89 Jahre alt. | Bild: Wolfgang Schyle
  • Volkssturm: Im Oktober 1944 wurde der Volkssturm auf Befehl von Adolf Hitler aufgebaut. Der Deutsche Volkssturm war eine deutsche militärische Formation in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Er wurde durch alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren außerhalb der gängigen Wehrpflicht gebildet, um den „Heimatboden“ des Deutschen Reiches zu verteidigen. In Deutschland und auch in Schonach wurden in den letzten Kriegsmonaten schließlich auch noch 15- und 14-jährige Buben eingezogen. Im selben Jahr 1944 wurde Oberleutnant Donatus Ketterer, Jahrgang 1892, der Vater des Zeitzeugen, von der Armee auf Grund seiner Verwundung und Alters entlassen (Bild). Er war im Ersten Weltkrieg mehrfach verwundet worden, im Zweiten Weltkrieg kam er bis 25 Kilometer vor Moskau. Bei diesem Feldzug hatte er Erfrierungen erlitten. Ketterer bekam nun den Befehl vom OKW (Oberkommando der Wehrmacht), den Volkssturm in Schonach und Schönwald aufzubauen. So wurden am Samstag in Schonach und Sonntags in Schönwald auch Schießübungen durchgeführt. Zur Verteidigung standen acht Gewehre zur Verfügung. Reste des Schonacher Schießtands sind heute noch in Wehrlebasches Wäldchen zu sehen.
Donatus Ketterer, 1941
Donatus Ketterer, 1941 | Bild: ws
  • Truppen einquartiert: Im Winter 1944/45 wurden etwa 200 Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS (Schutzstaffel) in Schonach einquartiert. Die einfachen Soldaten waren in der Turnhalle, die Führung im Rathaus und ansonsten in den Gasthäusern untergebracht.
  • Sprengung vorbereitet: Zur Verteidigung von Schonach vor den heranrückenden Alliierten Truppen wurden die Brücken an der Straße nach Triberg, wie Biancis Brücke und der Durchlass bei Robert Herr sowie in Rohrhardsberg der Bereich Mühlenbühl zur Sprengung vorbereitet. Das Pulver war dort bereits abgelegt und von Soldaten rund um die Uhr bewacht. Lediglich die Sprengkapseln hätten noch angebracht werden müssen, um die Brücken zu sprengen. Zuständig hierfür wäre der Major gewesen. Am Rohrhardsberg waren die Bewohner angewiesen, bei herannahenden Fliegerangriffen „Störfeuer“ durch Anzünden von Holzstapeln zu legen. Hierdurch sollte bewohntes Gebiet vorgetäuscht werden, um Bombenabwürfe vor Schonach und Triberg zu erwirken. Die SS erhielt in der Folge den Marschbefehl, Richtung Neustadt zu verlagern, ebenso wie die Soldaten der Wehrmacht. So wurden diese Truppen nach und nach aus Schonach abgezogen.
Donatus Ketterer – der Vater, Jahrgang 1892. Die Aufnahme stammt von 1938.
Donatus Ketterer – der Vater, Jahrgang 1892. Die Aufnahme stammt von 1938. | Bild: ws
  • Sprengung verhindert: Für den Veteranen Ketterer war schon früh klar, dass Deutschland diesen Krieg nicht gewinnen könne. Ketterer konnte vor Abzug der Truppen den Major davon überzeugen, die Brücken nicht sofort sprengen zu lassen. Er selbst habe bei den Pionieren im Brückenbau große Erfahrungen gesammelt und könne die Brücken bei Bedarf selbst in die Luft jagen. Als die letzten Wehrmachtssoldaten abgezogen waren, mussten auch die letzten Wachen an den Brücken davon überzeugt werden, Schonach in Richtung Neustadt zu verlassen. Ketterer hatte die Kompetenz, Entlasspapiere auszustellen, sodass schließlich auch die dort abgestellten Soldaten von Schonach abrücken konnten. Kurz darauf nahm Ketterer mit dem Uhrenfabrikanten Christian Haas Kontakt auf, da dieser noch im Besitz eines Autos war. Damit wurde das Pulver von den Brücken geholt und zunächst im Bergwaldhof versteckt.
  • Einmarsch: In Triberg war die Straße unterhalb der Wallfahrtskirche teilweise gesprengt worden, um den Vormarsch der Alliierten zu stoppen. In Schönwald wurde unter Bürgermeister Göppert die Gemeinde kampflos an die Franzosen übergeben. In Triberg am Bahnhof stand der Zug von SS-Reichsführer Heinrich Himmler immer zur Abfahrt bereit, denn um vier Uhr Nachmittags kamen oft die Jagdbomber und bombadierten die Schwarzwaldbahn. Bomben fielen in Triberg und Schonachbach. In Schonachbach habe es bei der Gaststätte „Bachjörg“ einen Granatenanschlag auf die einrückenden Franzosen gegeben, bei dem ein französischer Soldat ums Leben gekommen war. In Schonach selbst war erwartet worden, dass die einmarschierenden Soldaten über Triberg die Besetzung vornehmen werden. Tatsächlich erfolgte der Truppeneinzug Ende April 1945 über das Elztal und übers Schneckenloch. Diese alte Wegverbindung war den Franzosen offensichtlich die strategisch beste Variante gewesen. Im Gewann Rensberg angekommen, haben die Soldaten Männer und Frauen getrennt und zunächst gefangen gehalten. Es gab die unmissverständliche Ansage, dass, wenn nur ein Schuss gegen die Franzosen falle, alle Gefangenen erschossen würden. In Schonach angekommen, erfolgte unter anderem der Befehl, Türen aller Häuser offen zu halten, um versprengte und sich versteckende Wehrmachtssoldaten aufspüren zu können. Auch wurden einige NS-Parteimitglieder gefangen genommen und als Geiseln im Rathaus eingesperrt. Die kampflose Übergabe an die Franzosen erfolgte demnach durch Bürgermeister Emil Kuner, Pfarrer Hugelmann, Donatus Ketterer und den Dolmetscher Paul Ochs.
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  • Besatzung: Nur die wenigen Offiziere waren Franzosen, die überwiegende Mehrzahl waren marokkanische Söldner. Noch heute ist den älteren Bewohnern bekannt, dass der Lagerplatz der Mulis und Esel bei der alten Turnhalle „Eselsplatz“ genannt wurde. Motorisierte Fahrzeuge gab es seitens der Besatzer nur wenige. Insgesamt gab es im Kernort Schonach keine bewaffneten Aufstände gegenüber den Franzosen.
An den Krieg erinnert heute das Rensberger Mahnmal.
An den Krieg erinnert heute das Rensberger Mahnmal. | Bild: Wolfgang Schyle
  • Gedenken: In den letzten Kriegstagen machte in Schonach auch die Runde, dass bei der „Absetze“ am Rensberg der Volkssturmmann und Familienvater Karl Schwab aus Oberkirch von einem versprengten fanatischen SS-Mann erschossen wurde. Heute erinnert dort ein vom Schwarzwaldverein errichteter Gedenkstein am Westweg an diesen nie gesühnten Mord. Zum Dank, dass Schonach den Krieg relativ gut überstanden hat, wurde später im Gemeinderat unter Bürgermeister Gregor Schmidt beschlossen, ein Kreuz von Holzbildhauermeister Donatus Ketterer anfertigen zu lassen. Zunächst war es im Bürgermeisteramt angebracht, später hing es jahrelang im Trauzimmer des Standesamtes. Das Kreuz ist heute allerdings nicht mehr auffindbar. Die Rensberger Bevölkerung hat oberhalb des Gasthauses „Karlstein“ ein Mahnmal errichtet, das dort heute noch steht. Hierbei handelt es sich um ein steinernes Kreuz mit Inschrift.