Noch vor einem Jahr hätte sich Ralf Blessing nicht träumen lassen, dass er mal auf einer Demo stehen würde. Jetzt steht er doch auf einer: Bei minus sechs Grad an diesem eisigen Januarmorgen auf dem Hof der Familie Epting in Erdmannsweiler, hantiert er auf der Ladefläche eines Pritschenwagens mit einem Plakat.

Rund 200 Menschen sind zur Kundgebung und Diskussion mit Bundestagsabgeordnetem Thorsten Frei gekommen.
Rund 200 Menschen sind zur Kundgebung und Diskussion mit Bundestagsabgeordnetem Thorsten Frei gekommen. | Bild: Nathalie Göbel

„Unser Land wird nicht regiert, sondern ruiniert“, steht auf der einen Seite. Und: „Die Ampelregierung muss weg“ auf der anderen. In wenigen Minuten wird der CDU-Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei erwartet. Er will mit den Landwirten ins Gespräch kommen, die seit Montag gegen den Abbau der Agrardieselsubventionen protestieren.

Die Traktoren rollen an Video: Göbel, Nathalie

Auf dem Epting-Hof haben sich für das Treffen trotz des eisigen Winterwetters bereits viele Landwirte versammelt, und es werden noch mehr. Von der Straße her hupt es. Traktoren rollen nach und nach an und stellen sich auf der Wiese neben dem Hof auf. Einige sind mit Protestplakaten versehen, am Schluss werden rund 70 schwere Maschinen und 200 Landwirte hier stehen.

Die Solidarität ist groß

Ralf Blessing ist selbst kein Landwirt. „Ich mache nur nebenbei ein bisschen Holz“, sagt er. Er sei eher aus Solidarität mitgekommen: Aus Solidarität mit den Landwirten, aber auch mit den Handwerkern wie seinem Bekannten, dem Steinmetzmeister Humbert Müller aus Tannheim.

„Überall wird das Geld hingetragen, und das Handwerk und die Bauern trifft es“, sagt Müller. Als Selbstständiger regt ihn vor allem die Bürokratie auf: „Schon wenn es darum geht, einen Grabstein aufzustellen, muss man so viele Anträge ausfüllen, als würde man ein Haus bauen“, sagt der Steinmetz. Die überbordende Bürokratie habe allerdings nicht erst mit der Ampel-Koalition Einzug gehalten.

Holz-Spediteurin Monika Kaltenbach aus Vöhrenbach ist ebenfalls zur Demo der Landwirte gekommen.
Holz-Spediteurin Monika Kaltenbach aus Vöhrenbach ist ebenfalls zur Demo der Landwirte gekommen. | Bild: Göbel, Nathalie

Müller und Blessing sind nicht die einzigen Nicht-Landwirte, die an diesem Morgen ihre Solidarität mit den Protestierenden bekunden. Auch Transportunternehmen sind vertreten. Sie kommt das neue Jahr mit der Erhöhung der Lkw-Maut auch teuer zu stehen.

Begrüßung durch Clemens Hug Video: Göbel, Nathalie

„Wir haben es durchgerechnet: Die Mauterhöhung wird uns rund 80.000 Euro kosten“, sagt Monika Kaltenbach, deren Spedition auf Holztransporte spezialisiert ist. „Eigentlich müssten wir von den Sägewerken 20 Prozent mehr Fuhrlohn verlangen.“

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Verschärft werde die Situation dadurch, dass Holzspeditionen ihr Transportgut in den allermeisten Fällen nur in eine Richtung bringen, ohne dass der Lastwagen am Ziel erneut beladen wird. So bezahle man doppelt: Einmal für die Hinfahrt, einmal für die Rückfahrt des leeren Transporters.

Organisator Clemens Hug freut sich über die große Resonanz.
Organisator Clemens Hug freut sich über die große Resonanz. | Bild: Göbel, Nathalie

Organisator Clemens Hug ist von der großen Resonanz begeistert. „Um diesen Zusammenhalt werden wir von anderen Branchen beneidet“, sagt er. Was er sich von Thorsten Frei wünscht? „Dass er klar Position bezieht, wo die CDU steht. Und Lösungsvorschläge, nicht nur Kritik.“

CDU-Bundestagsabgeordneter Thorsten Frei beim Besuch in Erdmannsweiler.
CDU-Bundestagsabgeordneter Thorsten Frei beim Besuch in Erdmannsweiler. | Bild: Göbel, Nathalie

Da kommt er auch schon, der Bundestagsabgeordnete, und wird von Hug herzlich per Handschlag Empfang genommen. Die Einladung habe er gerne angenommen, sagt Frei. Das Thema Agrardiesel sei für die Landwirtschaft „fundamental wichtig“.

Mit rund 70 Traktoren protestieren Landwirte auf dem Hof von Klaus Epting in Erdmannsweiler.
Mit rund 70 Traktoren protestieren Landwirte auf dem Hof von Klaus Epting in Erdmannsweiler. | Bild: Göbel, Nathalie

Mit dem Protest würden die Bauern auf ihre berechtigten Interessen hinweisen. Die Steuererhöhung – denn nichts anderes sei die geplante Subventionskürzung – halte er für nicht legitim. Die Landwirtschaft mit einer halben Milliarde Euro mehr zu belasten, sei angesichts der Größe der Branche unverhältnismäßig.

Thorsten Frei spricht zu den Landwirten Video: Göbel, Nathalie

Aktuell gebe es noch rund 250.000 landwirtschaftlich Betriebe in Deutschland, nur noch halb so viele wie vor rund 20 Jahren. Die Landwirte seien dabei mehr als „schnöde Subventionsempfänger“, betont Frei. Ohne sie gäbe es die Kulturlandschaft Schwarzwald schlichtweg nicht.

Clemens Hug bei seiner Rede Video: Göbel, Nathalie

Und was sagen die Bauern selbst? Als Landwirt aus Deutschland werde man vom Kollegen im Ausland oft gefragt, warum man sich diesen Job hierzulande noch antue, sagt Hausherr Klaus Epting.

„Das Knowhow deutscher Bauern ist weltweit gefragt und Hause bekommt man die Daumenschrauben angelegt.“
Klaus Epting, Landwirt

Wo man doch von der Politik ständig eins übergebraten bekomme. Epting hat von 2010 bis 2014 Agrarwissenschaft studiert und anschließend einige Zeit im Ausland gearbeitet. „Das Knowhow deutscher Bauern ist weltweit gefragt“, weiß der junge Landwirt, dessen 70 Milchkühe im Jahr etwa 750.000 Liter Milch produzieren. Im eigenen Land hingegen würden einem die Daumenschrauben angezogen.

Auch die Landfrauen sind vertreten, hier Marlies Götz von den Landfrauen rund ums Glasbachtal.
Auch die Landfrauen sind vertreten, hier Marlies Götz von den Landfrauen rund ums Glasbachtal. | Bild: Göbel, Nathalie

Thorsten Frei zeigt sich beeindruckt von dem, was die Landwirte innerhalb weniger Tage auf die Beine gestellt haben. Wie Clemens Hug berichtet, hätten sich in den Chatgruppen, mit denen der Protest organisiert wurde, innerhalb von zehn Tagen 2000 Mitglieder zusammengefunden.

Auch die Landfrauen sind vertreten, hier Marlies Götz von den Landfrauen rund ums Glasbachtal.
Auch die Landfrauen sind vertreten, hier Marlies Götz von den Landfrauen rund ums Glasbachtal. | Bild: Göbel, Nathalie

„Ich weiß, dass in der Vergangenheit auch nicht alles super gelaufen ist“, sagt Frei. Auch unter unionsgeführten Regierungskoalitionen sei „nicht alles Gold“ gewesen. Und er verspricht, die Anliegen der Landwirte mit in die erste Sitzungswoche des Bundestags zu nehmen, die am 15. Januar beginnt. „Wir werden Anträge ins Plenum einbringen und diese diskutieren.“